US-Präsident Joe Biden zieht sich aus dem Wahlkampf zurück. Für eine zweite Amtszeit steht er nicht länger zur Verfügung. So kommentiert die Presse.
Nach wochenlangem Ringen um seine erneute Kandidatur als US-Präsident hat Joe Biden ein Einsehen: Für ihn geht es im Wahlkampf nicht weiter. In einem langen Schreiben verkündete das amtierende Staatsoberhaupt, dass mit seiner aktiven politischen Karriere bald Schluss ist und er das Feld einem anderen Kandidaten überlässt. Biden sprach sich bereits für seine Vize Kamala Harris aus – die Partei muss sich nun in Windeseile entscheiden, wen sie ins Rennen schickt.
Biden erfuhr für seine Entscheidung weltweit viel Anerkennung. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte auf X: „Mein Freund Joe Biden hat viel erreicht: für sein Land, für Europa, die Welt. Dank ihm ist die transatlantische Zusammenarbeit eng, die NATO stark, die USA ein guter und verlässlicher Partner für uns. Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdient Anerkennung.“
Kritik gab es vor allem von Bidens politischen Gegnern, allen voran US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump. „Der korrupte Joe Biden war nie in der Lage, für die erneute Präsidentschaft zu kandidieren – und ebenso nicht in der Lage, das Amt zu bekleiden“, schrieb der 78-Jährige auf seinem Netzwerk „Truth Social“. Sein Vize J.D. Vance stimmte mit ein und nannte den Verzicht Bidens „Betrug“.
Rückzug von Joe Biden: „Es war die Panik in seiner Partei, gegen die Biden am Ende machtlos war“
So kommentieren Zeitungen und Medien die Absage:
„Spiegel“: Joe Biden hat mit seiner Entscheidung, aus dem Rennen um die Präsidentschaft auszusteigen, dem Land und der Welt einen Dienst erwiesen . Er hat das getan, was Donald Trump immer von sich behauptet – das Wohl des Landes vor die eigenen Ambitionen zu stellen. Biden hat in dreieinhalb Jahren mehr erreicht als die meisten seiner Vorgänger: Die Wirtschaft in den USA brummt. Er hat ein gewaltiges Infrastrukturprojekt aufgelegt, um den Klimawandel zu bekämpfen. Und er hat die Nato nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht nur geeint, sondern stärker gemacht. Es ist eine Bilanz, auf die er stolz sein kann.
„FAZ“: Es war die Panik in seiner Partei, gegen die Biden am Ende machtlos war. Offenbar fürchteten viele einflussreiche Politiker der Demokraten, dass die Wahl auf ganzer Linie verloren geht: nicht nur das Rennen um das Weiße Haus, sondern auch die Schlacht um den Kongress. Gegen solchen Widerstand ist fast jeder Politiker machtlos. Gegen die eigenen Leute kann man keinen Wahlkampf führen. Die Demokraten lassen sich damit kurz vor der Wahl auf ein ungewisses Experiment ein.
„Augsburger Allgemeine“: Bei Wahlen werden keine Fleißkarten für die Vergangenheit verteilt. Es geht um die Frage, wem die Bevölkerung für die Zukunft mehr zutraut. Und da stand spätestens seit jenem TV-Abend, an dem Biden seine eigene Politik nicht mehr erklären konnte, ein mit narzisstischem Testosteron und mafiöser Skrupellosigkeit aufgeputschter Donald Trump einem zunehmend zerbrechlich und senil wirkenden netten Opa gegenüber. So unfair manche Ferndiagnose über Bidens Geisteszustand sein mag – was zählt, ist der öffentliche Eindruck. Und der ist katastrophal. Niemand kann ernsthaft glauben, dass der Präsident sein Amt noch weitere viereinhalb Jahre voll belastbar ausüben kann. Biden war dabei, sein politisches Erbe zu zerstören. In buchstäblich letzter Minute dreht er nun bei. Es ist ein Befreiungsschlag für das Land.
„New York Times“, USA: Die Entscheidung von Präsident Biden, bei den Präsidentschaftswahlen 2024 nicht mehr anzutreten, ist ein passender Schlusspunkt für einen Mann, dessen Leben dem öffentlichen Dienst gewidmet war. Herr Biden hat der Nation als Präsident gute Dienste geleistet. Indem er sich bereit erklärt hat, am Ende seiner Amtszeit im Januar zurückzutreten, erhöht er die Chance, dass seine Partei die Nation vor den Gefahren einer Rückkehr Donald Trumps in das Präsidentenamt schützen kann, erheblich. Biden hat jetzt getan, was Trump nie tun wird: Er hat das nationale Interesse über seinen eigenen Stolz und Ehrgeiz gestellt.
„The Sun“, Großbritannien: Selbst das mächtigste Amt der Welt hat seine Grenzen, da die Unterstützung durch Prominente, prominente Ex-Präsidenten und Washingtoner Machtmakler nachlässt. Bidens Team konnte nur so lange über den wahren geistigen Zustand des Präsidenten lügen, und sie haben mit ihrem Versuch, dies zu tun, so lange Schande über dieses Amt gebracht. Ihre vorsätzlich blinden Bemühungen, Amerika und der Welt für weitere vier Jahre jemanden aufzudrängen, der so eindeutig ungeeignet für das Amt ist, sollten in die Geschichte der USA als die größte Vertuschung seit Watergate oder Clintons außerplanmäßigen Aktivitäten im Westflügel eingehen. Während Bidens miserabler Auftritt bei der Debatte im Juni den Ausschlag für die gestrige Wahlniederlage gab, war sein Fauxpas mit der Faust im Mund bei der Nato-Geburtstagsfeier Anfang des Monats der endgültige Todesstoß.
„Corriere della Sera“, Italien: Donald Trump, der dem Märtyrertod entkommen und von einem für ihn triumphalen Kongress zurückgekehrt ist, bleibt schwer zu schlagen. Aber jetzt, da Biden in den Ruhestand getreten ist, sieht auch er plötzlich sehr alt und manchmal verwirrt aus. Für sein Volk ist er mehr als ein charismatischer Führer, ja sogar der Bote des Allmächtigen. Aber die Gesetze der Politik sind unbarmherzig und der Verrat lauert immer an der nächsten Ecke.
„Guardian“, Großbritannien: Der Rücktritt von Präsident Biden ist nur die jüngste Wendung in diesem außergewöhnlichen Rennen – und könnte die von den Demokraten erhoffte Wende sein. Damit ist das Alter für sie kein Thema mehr und die Kampagne könnte sich neu ausrichten, mit Kamala Harris als Standartenträgerin.
„Los Angeles Times“, USA: Als Präsident Biden am Sonntag ankündigte, dass er seine Kandidatur für die Wiederwahl aufgibt, stellte er seine Partei und das Land in bewundernswerter Weise über seine persönlichen Interessen. Die Tatsache, dass er damit auf die immer lauter werdenden Rufe innerhalb der Partei reagierte, macht seine Entscheidung nicht weniger staatsmännisch. Seine Bereitschaft, zurückzutreten, und die respektvollen Aufforderungen anderer Demokraten, dies zu tun, bilden einen auffallenden Kontrast zur Republikanischen Partei, die sich kultartig auf die angebliche Unverzichtbarkeit von Donald Trump konzentriert.
„Boston Globe“, USA: Die Amerikaner haben Präsident Biden viel zu verdanken. Künftige Generationen werden sich an ihn erinnern, dass er nach den turbulenten Jahren der Trump-Regierung den Anstand ins Weiße Haus zurückbrachte, dass er die Demokratie daheim und in Übersee verteidigte, dass er eine parteiübergreifende Gesetzgebung zur Infrastruktur zuwege brachte, die in einem so gespaltenen Washington unmöglich schien, und das er die größte Anstrengung unter allen bisherigen amerikanischen Präsidenten unternahm, den Klimawandel anzugehen. Dieses Vermächtnis, das er in nicht einmal vier Jahren erreichte, würde viele Präsidenten mit zwei Amtszeiten blass aussehen lassen. Und mit seiner Ankündigung vom Sonntag, dass er keine zweite Amtszeit anstrebt, tat Biden einen wichtigen Schritt, um dieses Vermächtnis zu sichern. Indem er aus dem Rennen ausstieg, gibt er seinen demokratischen Parteifreunden eine Kampfgelegenheit, um das Weiße Haus zu sichern, und den früheren Präsidenten Donald Trump, der versuchen würde, alles, was Biden erreicht hat, rückgängig zu machen, an der Rückkehr zur Macht zu hindern.