Vor der Ausbildung zum Kommandosoldaten steht ein umfangreicher Test der körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Der Eignungstest wurde neu aufgestellt. Gesucht: der stille Profi.
Nach 20 Minuten ist der Erste raus: Immer schneller werdende Tempoläufe über 1000 Meter Strecke sind die erste Station auf dem langen Weg zum Kommandosoldaten. In der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw, westlich von Stuttgart, drehen Soldaten in Turnschuhen ihre Runden. Prüfer und Ausbilder aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK) schauen sich die Bewerber genau an. Zwischen Pfiffen und Rufen ist ein Fluchen zu hören. Dann wird ein Soldat abgerufen. Er hat die für das sogenannte Personalfeststellungsverfahren vorgeschriebene Rundenzeit nicht geschafft.
Insgesamt 30 Stationen liegen in dem neu aufgebauten Test vor den Bewerbern, die auf Herz und Nieren, ihre Motorik sowie auf ihre Wahrnehmungsfähigkeit auch unter Stress und Belastung geprüft werden. Psyche und Charakter werden in den Blick genommen und auch, wie die Kandidaten mit ihrer eigenen Aggression umgehen. Dabei ist das mehrstufige Verfahren nur Grundvoraussetzung, um die zweijährige Kommandoausbildung beginnen zu können. Der Test soll nicht vor allem hart, sondern aussagekräftig sein.
Das KSK geht beim Test der Kandidaten neue Wege
„Wir brauchen Soldaten, die eben nicht nur körperlich, sondern vor allem auch geistig robust, fit und hellwach sind. Und darauf zielen ja auch die Stationen und die Testungen ab“, sagt Brigadegeneral Alexander Krone, der Kommandeur des KSK, der seine neue Aufgabe gerade erst übernommen hat.
In der Sporthalle der Kaserne ist ein Parcours aufgebaut, bei dem sich die Aufgaben nach Geschick, Kraft und Ausdauer abwechseln. Es wird die Reaktionsgeschwindigkeit getestet. Die Soldaten müssen sich Gefahrenstellen merken und einen Verletzten – hier eine körperschwere, uniformierte Puppe – durch eine vorgegebene Hindernisstrecke in Sicherheit bringen. Den Abschluss bildet die Nahkampfstation. In Boxhandschuhen und mit Kopfschutz testen Profis die Kandidaten, wie sie Schlägen standhalten und unter Druck reagieren.
Ein Oberfeldwebel (25), Fallschirmjäger, hat die Station bestanden und ist noch außer Puste. „Ich muss sagen, es war anstrengender als gedacht, wegen diesen Intervallen“, sagt er. „Das hätte ich nicht gedacht, dass es so intensiv wird. Gerade noch mal dieser Nahkampf am Ende ist dann doch kräfteraubend.“ Seit Oktober 2018 ist er in der Bundeswehr und will, so sagt er es, zu den Besten gehören, sich persönlich, aber auch militärisch weiterentwickeln. Der Unteroffizier war schon beim militärischen Evakuierungseinsatz der Bundeswehr im Sudan dabei und stand für Rettungen in Nahost auf Abruf. Zuletzt war er in Rumänien. Bei der großen Luftlandeübung „Swift Response“ wurde die Rückeroberung eines Flughafens geübt.
Das Waffensystem ist der Vier-Mann-Kommandotrupp
„Unser Zielbild ist der stille Profi, der sich ganz hinter den Auftrag stellt“, sagt Oberleutnant Andi (44), der die Personalgewinnung des KSK leitet. Soldaten können sich bewerben, werden aber auch gezielt angesprochen, wenn sie an anderer Stelle Lehrgangsbeste oder leistungsstarke Teilnehmer des Einzelkämpferlehrgangs sind. Der Soldat mit seinen besonderen Fähigkeiten steht ganz im Mittelpunkt. „Unser Waffensystem ist der Vier-Mann-Kommandotrupp“, sagt der Offizier. Das jahrelange Spezialtraining führe zu einer „Selbstwirksamkeitserwartung“ mit folgender Selbsteinschätzung: „Ich werde mit meiner Ausbildung in jeder Situation bestehen.“
Seit 2022 richtet das KSK seinen Schwerpunkt auf Landes- und Bündnisverteidigung innerhalb der Nato aus. Zu den Aufträgen können die Bekämpfung sogenannter Hochwertziele von strategischer Bedeutung und die Gewinnung von Schlüsselinformationen gehören. Die Kommandosoldaten können sogenannte Zielpersonen festsetzen oder auch vom Boden aus Ziele markieren, damit Kampfjets diese gezielt angreifen können, wie es gerade bei der Übung Arctic Defender in Alaska geübt wurde.
Dort traf Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehrere Kommandosoldaten aus Calw. Auch die Befreiung von Deutschen aus einer Gefangennahme, Geiselhaft oder terroristischer Bedrohung im Ausland gehört zum KSK-Aufgabenspektrum. Zudem: die Ertüchtigung von Partnerspezialkräften im Ausland. Die Aufträge können überaus komplex sein und gehen dann – auch weil immer mehr Technologie relevant ist – weit über Märsche unter schwerer Last hinaus.
„Weitermachen, wo andere sich aufgeben“
Ein KSK-Feldwebel-Ausbilder und seit 2013 Kommandosoldat – sagt am Rande des Tests, es werde nun mehr auf die Psyche und den Charakter eingegangen. Der „Berserker“, der lange Zeit autark kämpfen kann und Hindernisse überwindet, sei immer noch gesucht. Es werde aber mehr auf Teamfähigkeit geschaut, auf den „smarten Kämpfer“, der bereit sei, nicht in Problemen zu wühlen, sondern Lösungsansätze suche, finde und umsetze.
Dass es dem KSK an Personal fehlt, ist kein Geheimnis. Deutlich bestritten wird aber, dass der Test jetzt leichter sei. „Von 100 Bewerbern bestehen letztlich 20 bis 25 Prozent das Auswahlverfahren“, sagt ein Oberstleutnant, selbst Kommando-Offizier und Leiter des KSK Ausbildungsstützpunktes Spezialkräfte Heer. Die Annahme, dass sich daran insgesamt wenig ändern wird, kann erst in zwei Jahren beantwortet werden, also wenn die Ausbildungen durch sind.
Das alte System – zu dem auch die „Höllenwoche“ mit K.o.-Phase bei einzelnen Aufgaben ohne Gesamtbetrachtung des Bewerbers gehörte – bezeichnet er als „gnadenlos“. „Den einen oder anderen haben wir verloren und liegenlassen, obwohl er noch Potenzial gehabt hätte“, sagt er. Weiterhin gelte aber: „Dort weitermachen, wo andere sich aufgeben, physisch und psychisch.“ Erkennt der Ausbilder schon in den Kandidaten den künftigen Kommandosoldaten? Er sagt Nein: „Man kann es den Bewerbern nicht ansehen. Es gibt Menschen, die haben einen unbändigen Willen.“