Biathletin Juliane Frühwirt ist von einem Unfall schwer gezeichnet, auch ihre Sportkarriere steht auf der Kippe. Aber sie kämpft und will mit ihrer Geschichte nun andere inspirieren.
Trotz ihrer Zungentransplantation infolge eines schweren Renn-Unfalls will Biathletin Juliane Frühwirt in diesem Jahr sportlich wieder angreifen. „Ich möchte mich im Weltcup etablieren. Aber es ist kein Muss mehr, ich bin jetzt völlig frei und habe eine ganz andere Dankbarkeit, nicht nur im Sport“, sagte die 26-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Aus dem Unfall habe sie trotz aller dramatischen Umstände sehr viele positive Erfahrungen gezogen. „Das, was andere Leute denken oder die Erwartungen anderer an mich, belasten mich nicht mehr so sehr. Das ist ein gutes Gefühl.“
Am 21. März war die in Gotha geborene Skijägerin beim Warmlaufen für ein Langlauf-Sprint-Rennen im österreichischen Galtür bei widrigen Bedingungen in einer Abfahrt gestürzt. Dabei stieß sie sich den linken Stock ins Gesicht. Er durchbohrte ihre linke Wange, riss einen Teil der Zunge weg, ihr Kiefer und Jochbein waren gebrochen, die Vorderzähne ausgeschlagen.
„Sah aus wie Quasimodo“
Sie zog sich den Stock noch selber aus dem Gesicht und dachte, „Mist das Rennen ist gelaufen“. Erst als sie realisierte, dass sie nicht mehr nach Hilfe rufen kann, wusste sie, es ist ernst. Mit einem Helikopter wurde sie zunächst in eine Klinik nach Zams geflogen, von dort ging es weiter nach Innsbruck zur Operation.
„Bei der OP hatte ich die schlimmsten Schmerzen meines Lebens. Das Stück der Zunge steckte noch im Stock. Meine Zunge war nach dem Eingriff so angeschwollen, dass meine Kiefergelenke ausgekugelt waren“, sagte Frühwirt, die bei den Olympischen Jugend-Winterspielen 2016 Gold im Sprint gewonnen hatte. Nachdem ihr ein Teil der Zunge transplantiert wurde, musste sie das Schlucken und Trinken neu lernen. „Ich sah aus wie Quasimodo.“ Eine Magensonde lehnte sie ab, sie wollte kämpfen. Und sie schaffte es. Jetzt erinnert nur noch eine kleine Narbe auf der Wange an die Verletzung.
Immer an ihrer Seite: Ihre Eltern, Freunde und ihre Heimtrainer, unter anderem Bernhard Kröll, der bereits Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier trainierte. Allen ist sie zutiefst dankbar. Frühwirt begann schon im Mai wieder mit der Vorbereitung auf die neue Saison. 100 Tage nach dem Unfall nahm sie am Stubai Ultratrail K 70 teil und schaffte stolze 63 Kilometer.
Neuen Chancen und alte Ziele
Nach dem Unfall verlor sie wegen fehlender Leistungen in der Vorsaison ihre Behördenanstellung beim Zoll. Das sei hart gewesen. Aber sie sah es als Chance und machte sich nebenbei selbstständig im Coachingbereich. „Das gibt mir auch unfassbar viel zu merken, ich kann meinen Kunden helfen, ihre Träume zu verwirklichen.“
Ihren Traum vom Weltcup hat Frühwirt auch noch nicht aufgegeben. Aber vor allem will sie mit ihrer Geschichte anderen helfen. „Der Unfall hat mir gezeigt, dass wir im Leistungssport die Möglichkeit haben, Leute zu inspirieren“, sagte die 26-Jährige. Viele hätten ihr geschrieben, dass ihre Geschichte ihnen Kraft und Motivation gegeben habe. „Wenn ich nur einem Menschen geholfen habe, hat sich das für mich schon rentiert.“