Zum Auftakt eines mehrtägigen Treffens der chinesischen Führung zur Ausrichtung der künftigen Wirtschaftspolitik hat die Statistikbehörde des Landes enttäuschende Konjunkturdaten vorgelegt. Das Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik wuchs im zweiten Quartal nur um 4,7 Prozent, wie es am Montag hieß. Das ist die niedrigste Rate seit Anfang 2023 und weniger als von Analysten erwartet. Das sogenannte Dritte Plenum zur Wirtschaftspolitik begann unterdessen hinter verschlossenen Türen, es dauert bis Donnerstag.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt kämpft derzeit mit einer immensen Immobilienkrise, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, der Binnenkonsum schwach. Hinzu kommen die geopolitischen und handelspolitischen Spannungen mit den USA und Europa, vor allem die Zollpolitik angesichts hoher chinesischer Subventionen für eigene Schlüsselindustrien.
Schon am Freitag hatten veröffentlichte Daten zum Außenhandel im Juni gezeigt, dass sich China nur teilweise von den noch immer spürbaren Folgen seiner restriktiven Corona-Politik erholt: Die Exporte von Gütern und Dienstleistungen stiegen zwar deutlich um 8,6 Prozent im Jahresvergleich, die Importe gingen dagegen überraschend um 2,3 Prozent zurück, was auf eine schwache inländische Nachfrage schließen lässt.
Nun folgten Zahlen zum BIP im zweiten Quartal. In den ersten drei Monaten des Landes war das chinesische BIP noch um 5,3 Prozent gewachsen. Von der Finanzagentur Bloomberg befragte Analysten hatten für das zweite Quartal mit einem Wachstum von 5,1 Prozent gerechnet, nun sind es lediglich 4,7 Prozent.
Das Umfeld sei „verflochten und komplex“, erklärte die Statistikbehörde. Die Nachfrage im Inland bleibe unzureichend und die Basis für eine gesunde wirtschaftliche Erholung müsse weiterhin gestärkt werden. Der Einzelhandelsumsatz legte demnach im Juni nur um zwei Prozent zu. Im Mai waren es noch 3,7 Prozent gewesen. Auch die Industrieproduktion ließ leicht nach.
Die Augen sind nun auf das Dritte Plenum gerichtet, das von Staatschef Xi Jinping geleitet wird. Er legte zu Beginn des viertägigen Treffens einen „Tätigkeitsbericht“ vor, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Xi habe zudem einen Beschlussentwurf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei zur weiteren umfassenden Vertiefung der Reformen und der weitergehenden Modernisierung Chinas erläutert. Der Staatschef hatte kürzlich „bedeutende“ Reformen angekündigt.
Beobachter erwarten allerdings eine nur „bescheidene“ Änderung der Politik, um die Hightech-Produktion anzukurbeln sowie den Wohnungsbau und Haushalte des Landes zu unterstützen, wie etwa Harry Murphy Cruise von Moody’s Analytics sagte. Die Zeitung der Kommunistischen Partei hatte vergangene Woche gewarnt, bei den Reformen des Dritten Plenums gehe es „nicht um einen Richtungswechsel“. China-Experte Ting Lu von Nomura rechnet mit einer Diskussion über „große, langfristige Ideen und Strukturreformen“ statt „kurzfristiger politischer Anpassungen“.
Die chinesische Führung erwartet in diesem Jahr ein Wachstum von fünf Prozent – was unter westlichen Gesichtspunkten gering ist, für China jedoch weit entfernt von den zweistelligen Wachstumsraten liegt, die jahrelang die Wirtschaft des Landes bestimmt hatten. Derzeit hält Peking noch an dem Ziel fest.
Larry Hu von der Finanzgruppe Macquarie sagte indes, dass die nachlassende Dynamik im zweiten Quartal ohne mehr politische Unterstützung wohl bedeuten werde, dass das Fünf-Prozent-Ziel nicht erreichbar sei. „Die Binnennachfrage bleibt sehr schwach.“ Größte Belastung bleibe der Immobiliensektor.