Wohin Trump auch geht, seine Bodyguards folgen ihm auf Schritt und Tritt. Verglichen mit anderen Ex-Präsidenten ist seine Sicherheitsblase besonders groß. Doch jetzt wirft das Attentat in Pennsylvania Fragen auf.
Am Anfang war alles wie immer. In Butler, im US-Bundesstaat Pennsylvania, plusterte sich Donald Trump umringt von Anhängern und Sicherheitskräften auf, stichelte gegen seinen Herausforderer Joe Biden, beleidigte ihn als „schlechtesten Präsidenten aller Zeiten“. Dann knallte es. Trump fasste sich ans Ohr, duckte sich unters Rednerpult. Panik im Publikum. Danach tauchte Trump mit Blut an Ohr und im Gesicht wieder auf, warf kämpferische Parolen ins Publikum, ehe er von Agenten des US-Geheimdienstes abgeschirmt von der Bühne gebracht wurde.
Nach dem Vorfall bei der Wahlkampfveranstaltung ist ein Zuschauer tot, zwei weitere schwer verletzt, das Land unter Schock. Woher die Schüsse kamen, wer dahintersteckt und warum jemand den Präsidentenanwärter ins Visier genommen hat, ist in den Stunden danach vollkommen unklar.Meinung Donald Trump Faust Attentat 10:50
Ein Augenzeuge will jedoch gesehen haben, wie der mutmaßliche Attentäter während der Veranstaltung mit einer Schusswaffe auf das Dach eines Gebäudes kletterte, ungefähr 100 Meter von der Tribüne entfernt. „Ich sah das Gewehr, 100 Prozent“, berichtete er dem US-Sender BBC. Die umherlaufenden Polizisten hätten sich nicht dafür interessiert, als er und seine Freundesgruppe sie auf den Mann aufmerksam machen wollten. Kurz nachdem die Schüsse fielen fragte er sich: „Es gibt nur ein paar Gebäude hier. Warum ist der Secret Service nicht auf all diesen Gebäuden?“ Anders gefragt: Wie konnte der Angreifer unentdeckt mit einer Waffe auf die Veranstaltung schießen?
Auf der Lauer – in unmittelbarer Nähe zu Donald Trump
Für das FBI kam der Vorfall mindestens „überraschend“, wie ein Spezial-Agent der Sicherheitsbehörde bei einer Pressekonferenz sagte. „Wir arbeiten uns noch durch die Sicherheitsvorkehrungen, die der Secret Service getroffen hat, um herauszufinden, was passiert sein könnte“, hieß es. Der Sprecher kündigte eine Untersuchung an. Diese werde Monate dauern.
Leere und Chaos: Blick auf das verlassene Gelände der Wahlkampfveranstaltung in Butler, Pennsylvania
© Evan Vucci / AP
Unterdessen haben mehrere Medien Dutzende Videos, Fotos und Satellitenbilder ausgewertet. Laut dem Sender CNN sei der mutmaßliche Schütze Donald Trump überraschend nahe gekommen. Demnach habe sich der Mann auf einem Dach etwa 120 bis 150 Meter von der Tribüne entfernt positioniert. Zum Vergleich: 150 Meter entsprechen der Entfernung, aus der Rekruten der US-Armee eine menschengroße Silhouette treffen müssen, um sich in der Grundausbildung mit dem M16-Sturmgewehr zu qualifizieren. US-Medienberichten zufolge habe der Schütze eine AR-15 genutzt. Dabei handelt es sich um eine halbautomatisierte Version des militärischen Sturmgewehrs.
Laut Secret Service seien die Schüsse aus einer „erhöhten Position“ außerhalb des Areals der Kundgebung abgefeuert worden. Aus dem Kreis der Strafverfolgungsbehörden hieß es, der mutmaßliche Attentäter hätte von einem Gebäudedach in der Nähe des Veranstaltungsortes geschossen, berichtet CNN.
Ein von der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) analysiertes Video aus den sozialen Netzwerken zeigt den reglosen Körper eines Mannes in grauer Tarnkleidung auf dem Dach einer Produktionsstätte nördlich des Geländes, auf dem Trump seinen Wahlkampf abhielt. Ob es sich dabei um den mutmaßlichen Schützen handelt, ist unklar.
Haben die US-Behörden versagt?
Die US-Behörden arbeiten die Ereignisse nun auf. Mehrere US-Medien haben bereits die Frage aufgeworfen, inwiefern der Sicherheitsdienst bei dem Vorfall versagt hat. Schon vor Wochen hatte der Vorsitzende des Kongressausschusses Aufsicht und Rechenschaft davor gewarnt, das „Schwachstellen innerhalb der Behörde“ die nationale Sicherheit gefährden könnten. Heiß diskutiert wird zudem, ob die Einstellungs- und Trainingsabläufe des Secret Service verschärft werden sollen. Hintergrund ist ein Zwischenfall, bei dem eine Personenschützerin von Vizepräsidentin Kamala Harris einen Vorgesetzten angegriffen haben soll.
Nach dem Vorfall in Pennsylvania hat der Oberstleutnant der Staatspolizei in dem Bundesstaat, George Bivens, seine Kollegen verteidigt: „Es ist unglaublich schwierig, einen für die Öffentlichkeit zugänglichen Veranstaltungsort gegen jede mögliche Bedrohung durch einen sehr entschlossenen Angreifer zu sichern“, zitierte ihn der Sender CNN.
Scharfschützen der Polizei haben sich bei der Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump auf einem Dach positioniert
© Gene J. Puskar / AP
Trumps Wahlkampfauftritt fand, wie die meisten zuvor, im Freien statt. Das Gelände der Farm Show Grounds in der Stadt Butler befindet sich zwischen Wiesen, einem Wasserteich und mehreren Gebäuden in der Nähe des Flughafens der Stadt. Für solche Veranstaltungen werden Straßen gesperrt, der Verkehr umgeleitet.
Der Republikaner wird selbst rund um die Uhr von Agenten des Geheimdienstes beschützt. Das Sicherheitsteam soll dabei weit größer sein als das bisheriger Ex-US-Präsidenten. Ein Grund: Trumps Vorgänger haben sich meist weitestgehend zurückgezogen. Trump kandidiert dagegen erneut um den Platz im Weißen Haus.