Etat 2025: Mäkeln, Mosern, Maulen – wie die Koalition den Haushalt schon wieder zerredet

Der Haushalt für 2025 sei ein „gelungenes Kunstwerk“, schwärmte der Kanzler Ende vergangener Woche. Doch bei vielen Kritikern kommen die Beschlüsse nicht gut an. Einige von ihnen sitzen in den eigenen Reihen.

Der SPD-Generalsekretär klang fast flehentlich: Man möge über den Haushalt doch bitte erst dann weiter diskutieren, wenn das Kabinett ihn mit konkreten Zahlen am 17. Juli beschlossen hat, forderte Kevin Kühnert. „Zumindest bis dahin sollte der Berliner Politikbetrieb sich und den Menschen im Land eine kleine Sommerpause gönnen.“ Ein frommer Wunsch.

Denn die Beschlüsse, die Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner in 23 Sitzungen und insgesamt 80 Stunden verabredet haben, sind schon wenige Tage später Gegenstand von Diskussionen. Und es ist mitnichten allein die Opposition, die per Definition jede Menge Kritik vorbringt. Es mäkeln – wie man es bei der Ampel-Koalition längst gewohnt ist – auch Leute aus den eigenen Reihen, unter ihnen unzufriedene Minister. Für die Sommerpause und die im Herbst anstehenden Beratungen des Etats im Bundestag lässt das schon jetzt heftige Debatten zu mehreren politischen Themen erwarten. Fünf Bereiche, in denen es hakt:

Verteidigung

Boris Pistorius hat am höchsten gepokert und am sichtbarsten verloren. Der Verteidigungsminister hatte einen deutlichen Aufwuchs für seinen Etat gefordert. „Wir reden von 6,5 bis 7 Milliarden Euro Zusatzbedarf für das kommende Jahr“, hatte er im Mai erklärt. Etwas mehr als eine Milliarde ist es schließlich geworden. 

Pistorius ist damit nicht zufrieden. Fernab von Berlin, zu Besuch bei einem Nato-Manöver in Alaska, ließ er seinem Unmut freien Lauf: „Ich habe deutlich weniger bekommen, als ich angemeldet habe“, sagte der Minister.“ Das ist ärgerlich für mich, weil ich bestimmte Dinge dann nicht in der Geschwindigkeit anstoßen kann, wie es Zeitenwende und Bedrohungslage erforderlich machen.“ Pistorius setzt nun darauf, dass in den weiteren Beratungen im Bundestag noch ein bisschen mehr rausspringt.STERN PAID 27_24 Arme Sau 11.01

Dabei hat der Minister interessante Verbündete: Da ist zum einen Fraktionschef Rolf Mützenich, der sonst mit Pistorius‘ Kriegstüchtigkeits-Rhetorik herzlich wenig anfangen kann. Beide eint aber das Ansinnen, die Schuldenbremse für bestimmte Ausgaben auszusetzen.

Der andere Verbündete ist der grüne Haushälter Sebastian Schäfer. Er nannte die Vereinbarungen der Koalitionsspitzen reichlich distanziert eine „ordentliche Arbeitsgrundlage“. Im Verteidigungsbereich gebe es aber „große Notwendigkeiten, die wir im parlamentarischen Verfahren berücksichtigen werden“. Soll heißen: Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen.

Steuererleichterungen für Ausländer

Die Ampel will ausländische Fachkräfte mit Steuerrabatten nach Deutschland locken. Ausländer, die hier eine Arbeit aufnehmen, sollen im ersten Jahr 30 Prozent ihres Bruttolohns steuerfrei erhalten, im zweiten 20, im dritten Jahr 10 Prozent.

So steht es in der sogenannten Wachstumsinitiative, die Scholz, Habeck und Lindner mit dem Haushalt ausgehandelt haben. Ausgerechnet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fühlt sich von ihnen offenbar übergangen. „Das gehört zu den Dingen, die ich nicht reingeschrieben hätte“, sagte er am Dienstag n-tv/RTL.

Heils Parteikollege Bernd Rützel, Vorsitzender des Arbeitsausschusses, sagte dem Tagesspiegel, es sei „problematisch, wenn für die gleiche Arbeit unterschiedliche Steuern zu bezahlen sind“. Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke findet, es gebe „aus gutem Grund einen Gleichbehandlungsgrundsatz in unserem Arbeitsrecht“. 

Die FDP hält dagegen: Heils Äußerungen „bringen den Wirtschaftsstandort Deutschland kein Stück voran“, sagte der FDP-Haushaltspolitiker Christoph Meyer. Steuerliche Anreize für Hochqualifizierte seien mittlerweile „in der halben EU ein Baustein zur Lösung des Arbeitskräftemangels“. 

Der FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle erklärte den geplanten Steuerrabatt gar zur „Nagelprobe“. Auf der Plattform X fragte er: „Ist Deutschland zu sinnvollen Reformen fähig oder werden gute Ideen, die in anderen Staaten funktionieren, systematisch durch allgemeine Missgunst und Anti-Haltung kaputt gemacht?“

Bürgergeld

Auch ein Bürgergeld-Update soll die Wirtschaft wieder ankurbeln, vor allem durch zahlreiche Regelverschärfungen. Das „Prinzip der Gegenleistung“ müsse wieder gestärkt werden. Da schaudert es manchen Genossen, würden die Zeilen doch sehr an das „Fördern und Fordern“-Mantra der Hartz-IV-Jahre erinnern. 

Künftig sollen Bürgergeld-Empfänger schnellere und höhere Kürzungen der Bezüge drohen, wenn sie Jobangebote ablehnen oder gegen Mitwirkungs- und Meldepflichten verstoßen. Außerdem sollen sie Jobs mit einem täglichen Arbeitsweg von drei Stunden annehmen müssen, die Jobcenter in einem Umkreis von 50 Kilometern vom Wohnort des Bürgergeld-Beziehers nach einem Arbeitsplatz suchen. STERN 28_24 Fried 8.50

Härtere Strafen, mehr Mitwirkungspflichten – also mehr Menschen in Arbeit und Wumms für die Wirtschaft?

„Im Haushalt konnten wir einen Kahlschlag beim Sozialstaat verhindern, das ist die gute Nachricht“, sagte der SPD-Abgeordnete Jan Dieren dem stern. „Die schlechte: Die soziale Zerstörungswut der FDP wurde in das Wirtschaftspaket umgeleitet.“ Auch die Grünen meldeten erhebliche Zweifel an. 

Schuldenbremse

Dass in Sachen Schuldenbremse das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, machte Rolf Mützenich schon unmittelbar nach der Haushalts-Einigung klar. Es seien „eine Menge Kunstgriffe nötig“ gewesen, um die Milliardenlücke im Etat zu schließen, moserte der SPD-Fraktionschef. Er behalte sich vor, doch noch über einen Notlagenbeschluss eine Ausnahme der Schuldenbremse zu ermöglichen. 

Doch dass die Schuldenbremse bleibt, ist ein Punktsieg für Finanzminister Lindner und seine FDP, die sich hier keinen Millimeter bewegen wollten. Das Aufplustern der SPD? Blieb folgenlos.  

FDP-Fraktionschef Christian Dürr vertraut auf den Kanzler: „Wir setzen jetzt das um, was auch der Bundeskanzler vor einiger Zeit gesagt hat.“ Dass man mit dem Geld der Bürgerinnen auskommen müsse. Liebe SPD, hört auf den Kanzler, sollte das wohl heißen.

Entwicklungshilfe

Der Finanzminister musste bloß die ewigen „Radwege in Peru!“ erwähnen, um die Entwicklungshilfe endgültig zum Sparopfer zu erklären. 1,3 Milliarden wollte Lindner der Ministerin Svenja Schulze, SPD, aus dem Etat streichen. Wenn’s zuhause knapp wird, warum das Geld im Ausland verplempern? „Das ist gut angelegtes Geld“, erklärt Schulze immer wieder. Weil es die Not verlangt, letztlich Wohlstand und Sicherheit schützt. Schulze Sie hat gekämpft – und trotzdem verloren. Eine ganze Milliarde Euro. Bedeutet für ihren kleinen Haushalt eine Kürzung um knapp zehn Prozent.

Als einziger G7-Staat hatte Deutschland zuletzt die sogenannte ODA-Quote erfüllt, wonach 0,7 Prozent des Bruttonnationaleinkommens für Entwicklungsprojekte verwendet werden sollen. Damit ist künftig Schluss. Dabei ist die weltweite Lücke zwischen Bedarf und Etat schon 2023 auf ein Rekordniveau gestiegen. Grund: die steigende Zahl von Krisen und Kriegen. 

Und so gibt Svenja Schulze nur vier Tage nach der Einigung in der „Frankfurter Rundschau“ zu Protokoll: „Eigentlich sollten wir gerade für die Länder südlich der Sahara noch viel mehr tun.“ Und: „Wer das alles so sinnlos findet, kann sich ja mal fragen, warum China und Russland in so hohem Maße in Afrika, Asien und Lateinamerika aktiv sind.“

An ihrer Seite weiß die Ministerin dabei nicht nur Hilfsorganisationen von Misereor bis Caritas oder die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit – sondern auch ihre grüne Kabinettskollegin Annalena Baerbock. 

Die Außenministerin hatte sogar auf zwei Milliarden Euro verzichten sollen. Eine Milliarde konnte sie verhindern, trotzdem soll nun im Bereich der Krisen- und Katastrophenhilfe gespart werden. Zwar gebe es vom Finanzminister die Zusage, „dass bei unvorhergesehenen humanitären Krisen zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt werden“, wie es im Amt heißt. Was diese Zusage wert ist, wird sich erweisen, wenn das Geld eingefordert wird.