In der Debatte um die mentale und physische Gesundheit von US-Präsident Joe Biden bröckelt nun auch bei prominenten Fürsprechern der Rückhalt für den 81-Jährigen. In einem Gastbeitrag für die „New York Times“ forderte Hollywood-Star George Clooney, ein wichtiger Unterstützer der Demokraten, Biden am Mittwoch zum Rückzug aus dem Wahlkampf auf. Auch die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, drängte Biden öffentlich zu einer Entscheidung. Der US-Präsident selbst zeigte sich beim Nato-Gipfel kämpferisch.
„Ich liebe Joe Biden„, schrieb Clooney, der noch im vergangenen Monat gemeinsam mit Biden Gastgeber einer prominent besetzten Spendengala in Los Angeles gewesen war. „Aber den einen Kampf, den er nicht gewinnen kann, ist der gegen die Zeit.“ Der Biden bei der Spendengala sei nicht der Biden aus dem Jahr 2010 und nicht einmal der aus dem Jahr 2020 gewesen, heißt es in dem Gastbeitrag des Hollywood-Stars weiter. „Es war derselbe Mann, den wir alle bei der Debatte erlebt haben.“
Führende Demokraten müssten „diesen Präsidenten bitten, freiwillig zurückzutreten“, schrieb Clooney weiter. Es gehe um das Alter, „um nichts anderes“, betonte der Schauspieler.
Unterstützung für seinen Gastbeitrag bekam Clooney von Regisseur Rob Reiner. Clooney habe laut ausgesprochen, was viele denken würden, erklärte der Regisseur von „Harry und Sally“ im Onlinedienst X: „Wir lieben und respektieren Biden“, aber „wir brauchen jemanden, der jünger ist“.
Biden hatte bei der TV-Debatte mit seinem Herausforderer Donald Trump mit heiserer Stimme gesprochen, sich wiederholt in seinen Formulierungen verheddert und Sätze nicht beendet.
Seitdem sieht sich der mit 81 Jahren älteste Präsident in der US-Geschichte einer immer weiter anschwellenden Debatte um seine physische und mentale Eignung für das Präsidentenamt konfrontiert – auch in der eigenen Partei. Sieben Demokraten im Repräsentantenhaus forderten den Amtsinhaber bereits öffentlich auf, aus dem Wahlkampf auszusteigen. Auch mehrere Senatoren äußerten ihre Bedenken.
Die frühere demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Pelosi – nach wie vor ein Schwergewicht in der Partei – sagte dem Sender MSNBC, der Präsident müsse entscheiden, ob er kandidieren wolle. „Wir alle ermutigen ihn, diese Entscheidung zu treffen, denn die Zeit drängt“, fügte sie hinzu. Allerdings solle Biden mit einer endgültigen Entscheidung bis nach dem Nato-Gipfel warten, der derzeit in Washington stattfindet.
Pelosi hatte bereits kurz nach der Debatte gesagt, es sei „legitim“, sich zu fragen, ob Bidens schwacher TV-Auftritt nur eine „Episode“ oder ein Dauerzustand sei.
Biden selbst ist trotz der Kritik nach eigenen Angaben „fest entschlossen“, im Rennen für die Präsidentschaftswahl im November zu bleiben. Zum Auftakt des Nato-Gipfels in Washington zeigte er sich kämpferisch. In seiner Rede zum 75-jährigen Bestehen des Militärbündnisses sprach der US-Präsident energisch und weitgehend ohne Versprecher – allerdings las er die Rede im Unterschied zum TV-Duell von einem Teleprompter ab.
Der wirkliche öffentliche Test für Bidens mentale Robustheit wird allerdings erst am letzten Gipfeltag am Donnerstag kommen, wenn er eine seiner seltenen Pressekonferenzen gibt. Bei dem Termin wird Biden frei und spontan und ohne Hilfe eines Teleprompters sprechen müssen.
Biden und sein Umfeld sind seit dem TV-Auftritt intensiv bemüht, die Debatte bei den Demokraten um seine Eignung für die Wahlschlacht gegen Trump und eine zweite Amtszeit abzuwürgen, bevor sie sich zur offenen Rebellion ausweitet. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte am Dienstag, sie glaube, dass die Demokraten nun „absolut“ geschlossen hinter Biden stünden.
Ex-Präsident Trump griff unterdessen Biden bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Florida massiv an. Er nannte den Präsidenten „korrupt, inkompetent und kognitiv beeinträchtigt“. Auch prangerte Trump eine vermeintliche „düstere Verschwörung“ an, mit der die US-Öffentlichkeit über „die kognitiven Fähigkeiten des Mannes im Oval Office“ getäuscht werden solle.
Der 78-jährige Trump soll kommende Woche von seinen Republikanern bei einem Parteitag in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin offiziell zum Präsidentschaftskandidaten ernannt werden.