Fußball-EM: Deutschland-Bezwinger fordert die EM-Minimalisten

Die Namen versprechen ein Fußball-Fest: Hier die Jungstars Yamal und Nico Williams. Dort Mbappé oder Dembélé. Doch im Gegensatz zur spanischen Offensive hat Frankreich ein Tor-Problem.

 

Spaniens Fußball-Zauberer mit Torgarantie wollen sich auf dem Weg zum EM-Titel auch von Frankreichs Minimalisten um den neuen Real-Star Kylian Mbappé nicht stoppen lassen. „Wir haben ein sehr gutes Momentum, wir sind gut drauf, wir spielen sehr gut, so müssen wir weitermachen“, sagte Spaniens Bundesliga-Legionär Dani Olmo. 

Olmo legt sich fest

Der Leipziger hatte mit seinem Tor und seiner Vorlage zum 2:1-Zittersieg in der Verlängerung gegen Deutschland überzeugt und maßgeblichen Anteil am Weiterkommen. Nun prophezeit er: „Es wird ein großartiges EM-Halbfinale.“ 

Respekt vor der zumindest namentlich geballten Offensivkraft der Franzosen mit Spielern wie Mbappé, Ousmane Dembélé, Marcus Thuram, Antoine Griezmann oder Olivier Giroud? Ja. Angst vor der Partie an diesem Dienstag (21.00 Uhr/ZDF und Magenta TV) in München? Nein. Furchteinflößend waren die Auftritte der Équipe Tricolore bei dieser EM nämlich noch nicht. 

„Das Tor ist ihr Problem“

Drei Treffer in fünf Spielen, davon gingen zwei aufs Konto des Gegners per Eigentor, wie im Achtelfinale gegen Belgien. Dazu ein Strafstoß von Mbappé – sein erster EM-Treffer überhaupt – beim 1:1 im letzten Gruppenspiel gegen bereits ausgeschiedene Polen. „Das Tor ist ihr Problem“, schrieb Frankreichs Sportblatt „L’Équipe“.

„Ich bin ein Trainer, der defensiv denkt“, verteidigt sich Trainer Didier Deschamps, der schon als Spieler und Trainer Weltmeister wurde, dem der EM-Titel als Trainer aber noch fehlt. Die Kritik am teils bieder-pragmatischen Fußball prallt an dem 55-Jährigen ab. „Wenn Sie sich gelangweilt fühlen, schauen Sie sich doch ein anderes Spiel an“, sagte der Nationaltrainer.

Abwehr vor Angriff

Schön war auch schon kein Prädikat beim WM-Triumph 2018 zwei Jahre nach dem verlorenen EM-Finale daheim. Diesmal soll auch dieser Titel noch her, Finalgegner wären England oder die Niederlande – gegen Oranje hatte Frankreich in der Gruppenphase 0:0 gespielt. 

„Seit Beginn des Turniers spielen wir solide und verteidigen erfolgreich gemeinsam. Unsere Rechnung ist: Wir haben eine 90-prozentige Chance, das Spiel zu gewinnen, wenn wir ohne Gegentor bleiben“, erklärte jüngst William Saliba. 

Die spanischen Zauberer gegen Frankreichs Pluspunkt

Er ist einer derer, die bisher überzeugen konnten. Er spielt auch in der Abwehr, die nun vor allem gegen die spanischen Jungstars Lamine Yamal (16) und Nico Wiliams (21) gefordert sein wird. Beide zeigten schon das, was manche sich auch von den Franzosen um die Weltmeister Mbappé und Griezmann erhofft hatten, aber bisher nicht geliefert bekamen: Sie verzauberten ihre Fans. 

„Mbappé und Griezmann sind Spieler, die zu jedem Zeitpunkt das Spiel entscheiden können“, sagte Teamkollege Adrien Rabiot von Juventus Turin. 

Ohne Pedri

Allerdings muss Trainer Luis de la Fuente auf den auch erst 21 Jahre alten Pedri verzichten, für den das Turnier nach einem folgenreichen Tritt von Toni Kroos im Viertelfinale bereits vorbei ist. 

Doch dürfte das die spanische Nationalmannschaft nur noch mehr zusammenschweißen, von der Abwehrspieler Marc Cucurella sagt: „Nur wenige Leute haben uns eine Chance gegeben, und dass wir unter dem Radar geblieben sind, hat uns geholfen, mit Selbstvertrauen in das Turnier zu starten.“ 

Euphorie in der Heimat

Mit elf Toren und teilweise beeindruckenden Auftritten stärkten die Spanier ihr Selbstvertrauen und Wir-Gefühl seit ihrer Ankunft in Deutschland weiter. „Ich würde für sie sterben, so wie sie für mich“, sagte der sonst eher zurückhaltende de la Fuente. Auch in der Heimat ist die Euphorie groß, nach 1964, 2008 und 2012 auch 2024 den EM-Titel zu gewinnen.

Er habe als Kind das Gefühl erlebt, „dass wir Champions sein können“, sagte Mittelfeldstar Rodri von Manchester City vor dem EM-Halbfinale in München. „Jetzt ist Spaniens eines der besten Teams. Wir wollen dasselbe tun.“

Respekt vor dem neuen Real-Star

Deschamps begleiten in Frankreich indes seit Turnierbeginn Zweifel. Eigentlich galt eher die Abwehr um Bayerns Dayot Upamecano als möglicher wunder Punkt. Schmerzen bereitet aber seit dem ersten Spiel (1:0 dank Eigentor gegen Österreich), in dem sich Mbappé auch noch den Nasenbeinbruch zuzog, die mangelhafte Effizienz vorne. 

„Spieler wie er sind unberechenbar. Kylian Mbappé bei 50 Prozent können 100 Prozent bei jedem anderen Spieler sein“, sagte der 63 Jahre alte Trainer Spaniens. „Spieler wie er können ein Spiel in jedem Moment entscheiden. Er ist ein Genie, ein Weltklassespieler.“

Frankreich in Torversuch-Statistik hinter Spanien und Deutschland 

Zumindest bei den Torversuchen ist Frankreich vor dem Halbfinale auch unter den besten Vier des Turniers. 104 Abschlüsse registriert die UEFA-Statistik für Spanien, auf 94 kam Deutschland. Frankreich liegt mit Portugal auf Platz 3 mit 89 Torversuchen. 

„Wir schießen keine Tore, aber wir erarbeiten uns viele Chancen“, betonte der ehemalige Bundesliga-Profi Randal Kolo Muani. Spekuliert wird, dass er zusammen mit Dembélé und Mbappé die vorderste Reihe der Franzosen bildet und der schon immer in Spanien spielende Griezmann nach seinen bisher dürftigen EM-Vorstellungen auf die Bank muss.