Tour de France: „Schlimme“ News: Norwegische Radprofis trauern um Drege

Die norwegische Radsportwelt erlebt eine emotionale Achterbahnfahrt. Erst beeindruckt Jonas Abrahamsen im gepunkteten Tour-Bergtrikot, dann wird der Tod seines Landsmanns in Österreich bekannt.

Mit Dreck verschmiertem Gesicht stand Altstar Alexander Kristoff aus Norwegen in der Nähe des früheren Landsitzes des Staatsmannes Charles de Gaulle vor dem Teambus und war tieftraurig. Kurz zuvor hatte der viermalige Etappensieger der Tour de France erst vom Tod seines Landsmannes André Drege bei der gleichzeitig stattfindenden Österreich-Rundfahrt erfahren. 

„Das sind sehr schlimme Nachrichten“, bedauerte Kristoff am Samstag nach der achten Etappe in Frankreich, die der Eritreer Biniam Girmay gewann. „Ich kannte ihn ein bisschen, war in der Nationalmannschaft mit ihm. Er war ein guter Typ“, fügte der 37-Jährige hinzu.

Etwa 600 Kilometer Luftlinie entfernt war einige Stunden zuvor der Radprofi Drege bei der Österreich-Rundfahrt auf der Abfahrt vom Großglockner zu Fall gekommen und danach gestorben. Details zu dem Vorfall waren zunächst nicht bekannt. Ob das Rennen fortgesetzt wird, ist unklar.

Das norwegische Team Uno-X konnte sich überhaupt nicht über die beeindruckende Solo-Fahrt ihres Radprofis Jonas Abrahamsen über 140 Kilometer freuen. Schon seit der ersten Etappe trägt Abrahamsen das Trikot für den stärksten Bergfahrer. Das Uno-X-Team besteht bei dieser Tour bis auf eine Ausnahme nur aus Norwegern.

Girmay gewinnt zweite Tour-Etappe, Ackermann Vierter

Die Etappe wurde vom Tod überschattet, doch kurz nach dem Massensprint gab es zunächst ganz andere Themen. Der deutsche Sprinter Pascal Ackermann ärgerte sich über seinen verpassten Tageserfolg nach den 183,4 Kilometern zwischen Semur-en-Auxois und Colombey-les-Deux-Églises. Der 30-Jährige zog aber auch Positives aus seinem vierten Platz. „Das wäre eigentlich mein Sprint gewesen. Aber es kommen noch ein paar Sprints. Ich werde von Tag zu Tag stärker“, sagte Ackermann. 

Für Tour-Debütant Ackermann wäre es der größte Erfolg seiner Karriere geworden. Bei den vorherigen drei Sprint-Entscheidungen spielte er auf den Plätzen 15, 6 und 9 keine Rolle. Vor ihm landeten auf Platz zwei und drei noch die Belgier Jasper Philipsen und Arnaud de Lie. Sprint-Star Philipsen blieb schon wieder ohne Sieg. 

Ganz anders war dagegen die Gefühlslage bei Biniam Girmay aus dem Team um den deutschen Profi Georg Zimmermann. Der 24-Jährige feierte nach seinem Premieren-Sieg auf der dritten Etappe in Turin schon seinen zweiten Tour-Tageserfolg. Der Eritreer, der in seinem Land ein Superstar ist, widmete den zweiten Streich seiner Familie. „Diesen Sieg habe ich meiner Mutter und meinem Vater zu verdanken. Sie haben an mich geglaubt, sodass ich Radprofi werden konnte.“

In der Gesamtwertung kam es absehbar zu keiner Änderung. Superstar Tadej Pogacar steht weiter 33 Sekunden vor dem Belgier Remco Evenepoel, der am Vortag das Zeitfahren für sich entschieden hatte. Titelverteidiger Jonas Vingegaard liegt mit einem Abstand von 1:15 Minuten auf Gesamtrang drei. 

Zieleinfahrt unweit des Landsitzes von Charles de Gaulle

Vor Tag acht bei der dreiwöchigen Landesrundfahrt hatte sich die Frage gestellt, ob zum Ende die Sprinter oder Ausreißer das Sagen im Zielbereich haben sollten. Nach fünf gut zu bewältigenden Anstiegen ließ das flache Endstück Interpretationsspielraum, wer nahe De Gaulles Alterssitz in Colombey-les-Deux-Églises jubeln durfte. De Gaulle, der zwischen 1959 und 1969 französischer Präsident war, starb 1970 in jenem Tour-Zielort. 

Knapp 54 Jahre später durfte zumindest Ex-Weltmeister Mads Pedersen die erste Tour-Zieleinfahrt in dem kleinen Ort nicht als Fahrer erleben. Vor dem Start der Etappe stieg der 28-jährige Däne wegen der Folgen eines Sturzes drei Tage zuvor aus. Bislang kam es zu wenig schweren Stürzen bei der Tour. 

Die Top-Stars um Pogacar und Vingegaard dürften sich am Sonntag auf der neunten Etappe wieder in Szene setzen. Auf den 199 Kilometern rund um die Stadt Troyes warten knifflige Schotterabschnitte. Die Fahrer im Rennen um die Gesamtwertung könnten durch Stürze oder Defekte empfindliche Zeiteinbußen kassieren. Insgesamt gibt es 14 Schotterabschnitte auf einer Länge von 32 Kilometern.