Neben Karamba Diaby (SPD) haben auch andere Abgeordnete in diesen Wochen ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Hier berichten vier von ihnen, warum.
Michelle Müntefering (SPD, 44)
„Mein Mann Franz ist zum Ende der nächsten Wahlperiode fast 90 Jahre alt. Die Chance, Leben und Beruf neu in Einklang zu bringen ist der wichtigste Grund, nicht noch einmal zu kandidieren. Durch meine Arbeit im Bundestag waren mein Mann und ich oft die Hälfte der Zeit an unterschiedlichen Orten, in Herne oder in Berlin. In den letzten eineinhalb Jahren wurde er sehr krank, er musste in der Charité operiert werden.
Michelle Müntefering (SPD) ist seit 2013 Mitglied des Bundestags. Zwischenzeitlich war sie auch Staatsministerin im Auswärtigen Amt
Es war oft ein Spagat, allem gerecht zu werden: der Arbeit im Parlament, meiner Partei und meinem Wahlkreis im Ruhrgebiet. In dieser Zeit bin ich auch an meine persönlichen Grenzen gestoßen. Deswegen haben Franz und ich schon länger überlegt, wie wir die nächste Strecke gemeinsam gestalten können.
Nach drei Legislaturperioden im Bundestag, in den ich immer direkt gewählt wurde, bricht für mich nun eine neue Zeit an, beruflich wie privat. Darauf bin ich gespannt. Aber bis zum Ende der Legislatur bin ich ja noch da, darauf können sich meine Wählerinnen und Wähler verlassen. Ich bin aktiv und ansprechbar – und ein politischer Mensch sowieso. Das werde ich auch nach meiner Zeit im Bundestag bleiben.“
Leni Breimayer (SPD) ist seit 2017 Mitglied des Bundestages. Dort ist sie Obfrau des Familienausschusses
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Leni Breymaier (SPD, 64)
„Was ich am meisten vermissen werde? Die Bahncard 100, die mir der Bundestag stellt (lacht). Nein, im Ernst. Ich werde alles vermissen: im Plenarsaal ehrfürchtig auf diesen riesigen Bundesadler zu blicken. Gesetze zu verhandeln, also konkret zu gestalten. In den Fraktionssitzungen mit dem Kanzler zu diskutieren. Auch die Aufmerksamkeit, die ich als Abgeordnete bekomme. Ich werde einfach kein Teil mehr sein von diesem riesigen Budenzauber hier. Aber es ist Zeit für mich zu gehen.
Ich habe das neue Wahlrecht mit ausgearbeitet. In Zukunft werden deutlich weniger Abgeordnete im Bundestag sein. Und dann ist es gut, wenn dort statt mir eine junge Abgeordnete sitzt. Außerdem gibt es einiges nachzuholen, das in meiner Zeit im Bundestag zu kurz gekommen ist: Ich will mehr Sport machen, alte Freundschaften wieder aufleben lassen. Mir hat mal jemand eine Tasse geschenkt, auf der steht: ‚Wer sich keine Zeit für Freunde nimmt, dem nimmt die Zeit die Freunde.‘ Nach sieben Jahren im Bundestag weiß ich: Dieser Satz stimmt.“
Kai Gehring (Grüne) ist seit 2005 Mitglied des Bundestags. Dort leitet er den Bildungsausschuss
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Kai Gehring (Grüne, 46)
„Koalitionskonflikte sind kein Grund, warum ich kein sechstes Mal kandidiere. Ringen um bestmögliche Kompromisse gehört zum Regieren dazu. Ich bin überzeugt: In den Geschichtsbüchern werden wir besser dastehen als heute. Denn wir haben zahlreiche Modernisierungsprojekte durchgebracht: Startchancen-Programm, BAföG-Booster, Ausbildungsgarantie und Mindestlohnerhöhung sorgen für mehr soziale Gerechtigkeit. Das sind Themen, für die ich im Bundestag kämpfe, seitdem ich mit 27 Jahren Abgeordneter wurde.
SPD-Abgeordneter Diaby zieht sich aus der Politik zurück 17.05
Als junger Parlamentarier hat mich Joschka Fischer beeindruckt. Er war Außenminister und Spitzenkandidat und legte nach der Wahl 2005 freiwillig sein Mandat nieder. Selbstbestimmt aus der Politik gehen, wenn es alle schade finden – das tue ich jetzt auch. Ich weiß noch nicht, was für mich beruflich ab 2026 kommt. Wenn ich die Wochenenden nicht mehr durcharbeite, weniger pendle und seltener auf der Straße angesprochen werde, wäre mir das durchaus recht.“
Markus Grübel (CDU) ist seit 2002 Mitglied des Bundestages. Dort gehört er dem Verteidigungsausschuss an
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Markus Grübel (CDU, 64)
„Manche in Berlin denken: Sobald ein Politiker seinen Rückzug angekündigt hat, hat er nichts mehr zu melden. Das sehe ich anders. Denn in den verbleibenden eineinhalb Jahren kann ich im Bundestag noch deutlicher für meine Positionen eintreten. Für eine starke Bundeswehr und die Unterstützung der Ukraine, für den Lebensschutz am Anfang und Ende des Lebens.
Gerade in Regierungszeiten musste ich mich eng an die Linie der Partei halten und auf die Befindlichkeiten des Koalitionspartners SPD achten. Da bin ich jetzt freier. Und in zwei Jahren heißt es für mich: Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Auf einem Liegestuhl auf Mallorca wird man mich dann zwar nicht finden. Aber spontane Reisen, Ausflüge an sonnigen Tagen – das habe ich schon vor. Meine Frau freut sich schon riesig auf diese Zeit.“