Catch me if you can: Flucht ist ein zentraler Lebensinhalt bei Mäusen. Für potenzielle Gegner haben manche einen besonderen Trick auf Lager. Beliebt ist der auch in Filmen.
Es ist ein beliebter Dreh in Action-Filmen: Der verfolgte Held versteckt sich direkt am Eingang und entwischt dem hereinstürmenden Angreifer dann hinter dessen Rücken. Man mag es ihnen kaum zutrauen, aber: Auch Mäuse nutzen diesen Trick, wie ein Forschungsteam im Fachjournal „Open Science“ der britischen Royal Society berichtet.
Mit voller Absicht taktisch täuschen – das konnte demnach für Mäuse mit speziellen Versuchen nun erstmals nachgewiesen werden. Videos der Tests zeigen, wie eine Maus von einer anderen in eine Kammer gejagt wird. Mauseschlau versteckt sie sich direkt am Eingang, wird vom hereinstürmenden Verfolger übersehen – und flieht hinter dessen Rücken hinaus.
Ausweglose Situation
Das Team um Rafal Stryjek von der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau hatte Testkammern mit einem Kunststoffrohr als einzigem Ein- und Ausgang in der Nähe eines Waldes aufgestellt und regelmäßig mit einer Leckerei – Schokoladen-Nusscreme – ausgestattet. In dem Gebiet leben Brandmäuse (Apodemus agrarius) und Gelbhalsmäuse (Apodemus flavicollis) – Arten, die ihr Territorium engagiert verteidigen, wie es in der Studie heißt. Entsprechend häufig gibt es Streit.
An den Futterkammern war das nicht anders, wie die Forschenden schreiben. Wurde dabei eine Brandmaus von einem Konkurrenten derselben oder einer anderen Art attackiert, verfiel sie mitunter auf den Trick, sich nach dem Betreten der Kammer direkt am Eingang zu platzieren, ihren Verfolger an sich vorbeirasen zu lassen und hinter seinem Rücken zu entwischen.
Mitunter befand sich die erste Maus auch schon in der Kammer und führte ein ähnliches Manöver durch: ankommende Maus hören, sich am Eingang verstecken, Neuankömmling vorbeiziehen lassen und auf eine günstige Gelegenheit warten, um aus der Kammer zu witschen.
Wiederholte Täuschungen
Insgesamt seien bei insgesamt 143 erfassten Begegnungen 21 solche Täuschungen durch Brandmäuse erfasst worden, hieß es. Die Verfolgten hätten auf diese Weise einen Kampf in der ansonsten ausweglosen Kammer vermieden – in den meisten Täuschungsfällen sei der Verfolger eine größere, stärkere Gelbhalsmaus gewesen. Bei Gelbhalsmäusen wiederum sind Täuschungsmanöver den Studiendaten zufolge offenbar selten.
Wie die Täuschung im Detail ablief, war bei den Brandmäusen situationsabhängig und von Tier zu Tier sehr verschieden. Das Team um Stryjek schließt aus diesen und weiteren Hinweisen, dass es sich wahrscheinlich nicht um ein komplett ererbtes oder aber ein erlerntes Verhalten handelt, sondern zumindest teilweise um eine spontane, kreative Reaktion auf eine neue Herausforderung.
„Da die Brandmäuse die Gelbhalsmäuse nicht mit Kraft besiegen können, setzen sie offenbar stattdessen auf Taktik und Täuschung, um ihre Gegner zu übertrumpfen und eine physische Konfrontation zu vermeiden“, heißt es in der Studie. Aus dieser Hypothese eine gänzlich bewiesene Tatsache zu machen, sei allerdings schwierig – Absichten seien letztlich oft nur zu vermuten und schwer gesichert nachzuweisen.
Auch Ratten und Hörnchen tricksen gezielt
Ein anderes Tier absichtlich zu täuschen, sei ein komplexes Verhalten, dem hoch entwickelte kognitive Fähigkeiten zugrunde lägen, erläutern die Forschenden. Bisher seien solche Tricks fast nur von Primaten und Rabenvögeln bekannt. Auch bei Hörnchen und Ratten gibt es allerdings entsprechende Hinweise aus Studien: Grauhörnchen legen leere Nussdepots an, um gezielt potenzielle Futterdiebe zu täuschen. Und Ratten können Verstecken spielen und dabei auch die Rollen tauschen, mit Menschen wohlbemerkt.