Ein Mann will einen Besuch im Gefängnis machen, darf aber nicht – er ist betrunken. Doch er steigt über den JVA-Zaun, leistet Widerstand. Jetzt ist er verurteilt. Aber will er noch ins Gefängnis?
Dass jemand aus dem Gefängnis entlassen wird und unbedingt wieder rein will, sei schon ein Grund zum Schmunzeln, meint Richter Robert Glaß, der Direktor des Amtsgerichts Lehrte: „Die meisten wollen raus.“ Sturzbetrunken hatte ein 33-Jähriger im Dezember 2022 versucht, in die Justizvollzugsanstalt Sehnde bei Hannover einzudringen – nachdem er wenige Tage zuvor entlassen worden war. Dafür sollte er im vergangenen November vor Gericht erscheinen, kam aber nicht. Er musste in sogenannte Ungehorsamshaft, ausgerechnet in Sehnde. Heute verurteilte Glaß ihn zu sieben Monaten Gefängnis – wegen vorsätzlichen Vollrauschs.
Nach Überzeugung des Gerichts wollte der Verurteilte einen Kumpel im Gefängnis besuchen, wurde aber abgewiesen, weil er schwer betrunken war. Er stieg über einen Zaun, blieb dann auf dem Rasen zwischen Zaun und Gefängnismauer sitzen. Sein Verteidiger Christoph Rautenstengel erklärte, der 33-Jährige sei „müde geworden“ und habe sich ins Gras gesetzt. Die Abweisung habe er in seinem Zustand nicht verstanden. Als er von Polizeibeamten angesprochen wurde, leistete er Widerstand, schlug und trat aber nicht. Die Beamten setzten Pfefferspray und einen Schlagstock ein, zwangen den Mann zu Boden und fesselten ihn.
Anwalt: Heute ist es ihm peinlich
Daran habe sein Mandant „alkoholbedingt wenig Erinnerungen“, sagte der Anwalt. „Heute bedauert er sein Verhalten. Es ist ihm außerordentlich peinlich.“ Angeklagt wurde der 33-Jährige wegen versuchten unerlaubten Eindringens in die JVA Sehnde sowie Widerstands. Die Staatsanwältin forderte in ihrem Plädoyer ein Jahr Gefängnis ohne Bewährung wegen Vollrauschs, eine positive Sozialprognose sei nicht möglich. Zur Tatzeit habe er laut Blutuntersuchung zurückgerechnet 3,9 Promille Alkohol im Blut gehabt, daher sei Schuldunfähigkeit nicht auszuschließen.
Allerdings hat er seit 2011 auch 49 Eintragungen im Bundeszentralregister – nach Angaben des Richters unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Diebstahls und Schwarzfahrens. Außerdem komme der 33-Jährige schon auf zwei Vorverurteilungen wegen Vollrauschs, so etwas sei „relativ selten“. Nach Angaben eines als Zeuge geladenen Polizeibeamten trat der Verurteilte noch im Rettungswagen um sich, ein erster Atemalkoholtest ergab drei Pfeile nach oben – das bedeute: „außerhalb der geeichten Skala“. Der 33-Jährige selbst sagte aber: „Ich bin komplett weg vom Alkohol.“
„Möchte nicht mehr in der JVA sein“
Sein Anwalt betonte, die ganze Handlung ergebe keinen Sinn – erst über den Zaun zu steigen und sich dann ins Gras zu setzen. Gefahr für die JVA habe nicht bestanden. Und: „Er möchte nicht mehr in der JVA sein.“
Dabei kommt so etwas durchaus vor: Ein damals 18-Jähriger war im Oktober 2019 aus Liebeskummer in das Frauengefängnis in Vechta eingebrochen – um seine inhaftierte Ex-Freundin zurückzugewinnen. Diese hatte sich erst kurz vorher per Telefon von ihm getrennt. Der verschmähte Verliebte kletterte über eine Laterne auf die Außenmauer und hangelte sich dort am Gebäude von Fenster zu Fenster. Einer anderen Gefangenen fiel der Kletterer auf. Schließlich musste die Feuerwehr ihn mit einer Leiter herunterholen.
Anfechtung des Urteils wird geprüft
Der 33-Jährige betonte nun in seinem Schlusswort: „Ich bin schon lange nicht mehr die Person, die ich war.“ Er habe inzwischen „andere Ziele, andere Werte“. Sein Anwalt kündigte an, die Anfechtung des Urteils zu prüfen.