In Schweden erlaubt ein Gesetz Eltern nun, bis zu drei Monate ihrer bezahlten Elternzeit auf die Großeltern zu übertragen. Das ist eine gute Nachricht. Denn Kinderbetreuung ist Arbeit. Auch für Oma.
Das schwedische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das weltweit für Aufsehen sorgt: Ein Elternpaar kann mit der neuen Regelung bis zu 45 Tage und ein alleinstehender Elternteil bis zu 90 Tage der Elternzeit übertragen. Großeltern und auch andere Verwandte können jetzt also Elterngeld bekommen, bis zu drei Monate lang.
Das ist eine gute Idee. Von der sich auch Deutschland etwas abschauen sollte.
Aber Oma kümmert sich doch einfach aus Liebe?
Warum aber ausgerechnet in Schweden, in einem Land mit umfassendem Sozialsystem und stabiler Kinderbetreuung, so ein Gesetz eingeführt wird? In einem Land also, in dem es gar nicht nötig erscheint, nach neuen Lösungen für die Kinderbetreuung zu suchen, weil sie ohnehin staatlich gut organisiert wird?
Weil Kinderbetreuung damit als Arbeit anerkannt wird. Politiker in Ländern mit traditionellerem Rollenverständnis kämen vermutlich gar nicht auf die Idee, Oma dafür bezahlen zu wollen, sich um die Kleinen zu kümmern. Sie tut es doch aus Liebe!
Schweden Großeltern Elterngeld 12.40
Eine gesetzliche Regelung zur bezahlten Kinderbetreuung zementiert genau die gegenteilige Überzeugung. Fürsorgearbeit ist Arbeit. Basta.
Auch andere Verwandte können Elterngeld erhalten
Wer Großeltern Geld dafür bezahlt und sie für einige Wochen oder Monate von ihren Jobs freistellt, sagt damit auch: Kinderbetreuung kann nicht einfach nebenbei erledigt werden. Und wer sich um den Nachwuchs kümmert, sollte deshalb später keine finanziellen Nachteile im Leben haben.
Nach wie vor spricht ja außerdem nichts dagegen, dass sich Familienmitglieder auch einfach deshalb um die Enkel kümmern, weil sie es gerne möchten und zeitlich erlauben können.
Kinderbetreuung ist oft noch Frauensache
Dass sich Großeltern um ihre Enkel kümmern, ist ja in Wahrheit nicht ungewöhnlich. 53 Prozent der Großeltern in Deutschland passen laut einer Umfrage häufiger oder zumindest ab und zu auf die Enkel auf, wenn die Eltern nicht zuhause sind. Noch genauer: Ein Drittel der Krippenkinder wird regelmäßig von den Großeltern betreut, während es bei Grundschulkindern noch ein Fünftel ist. Im Durchschnitt leisten Großeltern acht Stunden pro Woche Enkeldienst, vor allem am Nachmittag und bei Betreuungslücken, etwa wenn die Kinder krank sind oder die Kita geschlossen ist. Großmütter übernehmen diese Aufgaben zu 60 Prozent, Großväter zu 40 Prozent.
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Großeltern, das muss man also ehrlicherweise dazu sagen, heißt immer noch häufig: Großmutter. Ja, Opas kümmern sich auch, aber Fürsorgearbeit, allemal in der Generation aktueller Omas und Opas, ist oft Frauensache.
Das Gesetz stärkt gleichberechtigte Kinderbetreuung in allen Generationen
Weil in Deutschland nach wie vor Frauen den Großteil der Fürsorgearbeit leisten, würde eine engere Einbindung von Großeltern, ob nun Oma oder Opa, also vor allem Mütter entlasten. Das schwedische Vorbild wäre hierfür ein guter Anstoß.
Dazu kommt: Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge lassen auch in der Generation der Großeltern seit Einführung des Elterngeldes mehr und mehr von der Vorstellung, vor allem Mütter sollten sich um die Kinder kümmern. Wenn wie in Schweden nun auch in der Bundesrepublik Oma und Opa offiziell in die Kinderbetreuung eingebunden werden, sollte das diese Entwicklung nur verstärken. Davon profitieren Mütter, natürlich. Aber auch Väter, die sich gerne mehr um ihre Kinder kümmern möchten. Wenn gesellschaftlich allgemein akzeptierter wird, dass Kinder ihre Väter und Opas brauchen, können die eine Auszeit im Job für die Kinderbetreuung besser beim Chef begründen.
Schweden möchte mit dem Gesetz vor allem Großeltern ansprechen. Tatsächlich können mit der neuen Regelung aber auch andere Verwandte das Elterngeld für drei Monate erhalten. Das stärkt Familienkonzepte abseits der traditionellen Konstellation und macht deutlich: Ob zwei Mütter, zwei Väter, eine Alleinerziehende und ihre Schwester, die ihr bei der Betreuung hilft: Letztlich geht es doch darum, dass ein Kind liebevoll aufwachsen kann. Und die Menschen, vor allem Frauen, die sich um sein Wohlergehen sorgen, deshalb an anderer Stelle im Leben keine Nachteile haben.
Das sollte auch die Stoßrichtung einer zeitgemäßen Familienpolitik in Deutschland sein.