Die schlechte Wirtschaftsentwicklung hat Folgen für Nordrhein-Westfalen. Das Land nimmt hohe Kredite auf – aber nur im gesetzlichen Rahmen. Trotz Sparkurs wird es 2025 einen Rekordetat geben.
Schwache Konjunktur und zu wenig Steuereinnahmen: Erstmals nutzt die schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen eine Ausnahme der Schuldenbremse und macht Milliarden-Schulden. Als Reaktion auf die anhaltend schwache Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und die schlechten Steuerprognosen wendet das Land im Nachtragshaushalt 2024 und auch beim Haushaltsentwurf 2025 die sogenannte Konjunkturkomponente an, wie Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) mitteilte.
Nach dem vom Kabinett beschlossenen Etatentwurf sollen durch diese Möglichkeit für den Haushalt 2025 Kreditermächtigungen in Höhe von 1,34 Milliarden Euro aufgenommen werden. Für den Nachtragshaushalt 2024 könnten Kredite in Höhe von zwei Milliarden Euro genutzt werden. Gegen die absehbaren Steuermindereinnahmen im Haushalt 2024 weiter anzusparen, wäre unverantwortlich, sagte Optendrenk. Die Konjunkturkomponente werde aber „nur im zwingend erforderlichen Umfang“ in Anspruch genommen.
Rekordhaushalt – und trotzdem Sparen
Obwohl das Haushaltsvolumen 2025 um rund drei Prozent – etwa drei Milliarden Euro – auf einen bisherigen Rekordwert von 105,5 Milliarden Euro steigt, können nach Worten Optendrenks nicht alle externen Belastungen aufgefangen werden. Daher müssten die Ressorts rund 3,6 Milliarden Euro einsparen. „Dafür müssen wir auch Dinge tun, die schmerzen“, sagte der CDU-Politiker. „Ich bedauere, dass manches finanziell jetzt nicht möglich ist.“
Den Großteil des Sparvolumens können die Ministerien zwar aus ihren sogenannten Selbstbewirtschaftungsmitteln aufbringen. Das sind Extra-Töpfe für ungeplante Ausgaben. Eine Milliarde aber müssen die Ressorts richtig einsparen – und dafür Vorschläge machen. Es gehe um „Tausende Positionen“, sagte Optendrenk. Für sämtliche Ministerien werde es keine zusätzlichen Stellen geben.
Optendrenk sprach von „extrem schwierigen Rahmenbedingungen“. Durch politische Entscheidungen auf Bundesebene wie den Abbau der kalten Progression, Wohngelderhöhungen oder das Deutschlandticket werde der Landeshaushalt seit 2023 zusätzlich dauerhaft mit vier Milliarden Euro pro Jahr belastet. Gleichzeitig drückten auch die hohen Preissteigerungen der letzten Jahre, deutlich höhere Tarifabschlüsse und das gestiegene Zinsniveau auf den Haushalt.
Schulden müssen in besseren Zeiten beglichen werden
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Die Konjunkturkomponente erlaubt allerdings in konjunkturell schlechten Zeiten die Aufnahme von neuen Krediten. Diese müssen aber in wirtschaftlich besseren Zeiten zeitnah zurückgezahlt werden.
Dies kann schon bald der Fall sein, denn Konjunkturforscher erwarten in diesem Jahr eine etwas stärkere Erholung als noch im Frühjahr angenommen. Angesichts der angespannten Haushaltslage des Bundes und der Länder werden seit Monaten Forderungen aus Parteien und von Wirtschaftsexperten lauter, die Schuldenbremse zu lockern.
Milliarden für Bildung und OGS-Ausbau
Allein die Aufwendungen für Bildung werden 2025 um rund 3 Milliarden Euro ansteigen und summieren sich dann auf den Rekordwert von fast 42 Milliarden Euro. So sollen im kommenden Jahr zusätzlich 50.000 Ganztagsplätze im Grundschulbereich (OGS) eingerichtet werden. Ab dem Schuljahr 2025/26 könnten damit mehr als 480.000 OGS-Plätze finanziert werden – eine Steigerung um 56 Prozent seit 2017.
Die Landesregierung muss sich mit dem OGS-Ausbau beeilen. Denn ab 2026 greift in den Grundschulen laut Bundesgesetz schrittweise ein bundesweiter Rechtsanspruch auf einen Platz im offenen Ganztag, der mit der 1. Klasse beginnt und bis zur 4. Klasse im Schuljahr 2029/30 aufwächst. Schulministerin Dorothee Feller (CDU) zeigte sich sicher, dass NRW das Ziel erreichen wird.
Kritik an Verzicht auf ein OGS-Gesetz
Ein Gesetz zur rechtlichen Absicherung des OGS-Ausbaus mit verbindlichen Standards, wie im schwarz-grünen Koalitionsvertrag angekündigt, wird es aber weiter nicht geben. Stattdessen wird der Ausbau durch einen Erlass abgesichert. Bildungsverbände reagierten darauf enttäuscht. „Ohne verbindliche Vorgaben wird die Qualität des Ganztags abhängig vom Wohnort und damit zur Glückssache“, kritisierte der Verband Bildung und Erziehung (VBE).
Einstieg in Altschulden-Regelung
Wie versprochen steigt Schwarz-Grün auch 2025 in die Altschuldenregelung für die Kommunen ein und wird erstmals 250 Millionen Euro dafür ausgeben. Er erwarte nun, dass auch die Bundesregierung ihren Koalitionsvertrag umsetze und sich beteilige, sagt Optendrenk. Insgesamt erhalten die Kommunen fast 16 Milliarden Euro im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes und weitere Zuweisungen von über 20 Milliarden Euro. Damit gehe mehr als jeder dritte Euro aus dem Landeshaushalt an die Kommunen.
Corona-Schulden werden zurückgezahlt
Zurückzahlen muss das Land auch die Milliarden-Kredite aus dem Corona-Rettungsschirm und dem Sondervermögen zur Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs. Bereits im April seien plangemäß Corona-Kredite in Höhe von 3 Milliarden Euro abgelöst und getilgt worden. Für die Jahre 2025 bis 2028 seien jährliche Tilgungen von 350 Millionen Euro vorgesehen.
Opposition fordert mehr Haushaltsdisziplin
„Die aktuelle Schuldenpolitik von CDU und Grünen muss sofort gestoppt werden, forderte FDP-Fraktionschef Henning Höne. Statt neue Schulden aufzunehmen, sollte die Regierung auf Ausgabendisziplin und Sparsamkeit achten.
SPD-Fraktionschef Jochen Ott sagte: „Die schwarz-grüne Koalition ist mit ihrer Finanzpolitik am Ende.“ Wieder habe die mutlose Landesregierung die Chance verstreichen lassen, mit einem echten Investitionshaushalt die Probleme im Land anzupacken. „Es ist Zeit, das Ruder rumzureißen und aktiv in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation einzugreifen“, sagte Ott. „Der sture Verweis auf die Schuldenbremse bremst die Zukunft unserer Kinder.“