Was abzusehen war, ist eingetreten: In Frankreich haben die Rechtspopulisten des Rassemblement National in der ersten Runde der Parlamentswahl einen klaren Sieg eingefahren. Das sagt die internationale Presse.
Was sich in Frankreich bei der Europawahl abgezeichnet hat, wird nun auch auf nationaler Bühne Realität: Die Rechtspopulisten des Rassemblement National haben bei den vorgezogenen Parlamentswahlen abgeräumt – sogar eine absolute Mehrheit ist möglich. „Die extreme Rechte ist an der Schwelle der Macht“, räumte Premierminister Gabriel Attal am Sonntagabend in Paris ein.
Die internationale Presse reagiert bestürzt – aber wenig überrascht – auf den Erdrutschsieg der Rechten unter Marine Le Pen und Jordan Bardella. Frankreichs Rechtspopulisten gewinnen erste Wahlrunde 06.45
„Ein peinliches Ergebnis für Macron“
„Wallstreet Journal“ (USA): „Wenn Sie mit Emmanuel Macron in einem Kasino sind, dann ahmen sie nicht seine Einsätze nach. Der französische Präsident zockte, indem er eine kurzfristige Wahl zur Nationalversammlung ansetzte, und am Sonntag endeten er und seine Zentrumspartei auf einem schwachen dritten Platz im ersten Wahlgang. Die großen Sieger waren die Parteien der Rechten und der Linken (…) Das ist ein peinliches Ergebnis für Macron, der die unnötige kurzfristige Wahl ansetzte, nachdem das Rassemblemt National gut bei der kürzlichen Wahl zum Europäischen Parlament abgeschnitten hatte. Seine Wette war, dass die Wähler wieder nüchtern würden, wenn es um die Nationalversammlung ginge. Sie schenkten sich stattdessen noch einen Doppelten ein, mehr daran interessiert, eine Botschaft der Unzufriedenheit auszusenden als an Macrons Version einer zentristischen Nüchternheit.“
„De Tijd“ (Belgien): „Letztlich sagen diese Ergebnisse noch nicht viel über die endgültige Verteilung der Sitze im Parlament aus (…) Nur stellt sich diesmal die Frage, welches Lager den Herausforderer des RN in den Wahlkreisen schlagen kann: das Parteienbündnis von Präsident Macron oder das Linksbündnis Nouveau Front Populaire. Macron rechnete damit, dass sein Bündnis vorn liegen würde. Er wurde jedoch von der raschen Bildung einer Linksfront überrascht, die unmittelbar auf seine Ankündigung vorgezogener Wahlen folgte. Nun läuft Macron Gefahr, die Initiative der Linken überlassen zu müssen, wenn sein Kandidat nur Dritter wurde. Macron sah die vorgezogenen Wahlen als eine Art Volksabstimmung über seine Politik in der Mitte seiner zweiten Amtszeit. Aber er hat seine Stärke eindeutig überschätzt.“
Frankreich geschlossen gegen rechts?
„El País“ (Spanien): „Der Sieg des Rassemblement National (…) in der ersten Runde der Parlamentswahl nimmt die (…) anderen Parteien in die Verantwortung. Entweder sie schließen sich in der zweiten Runde zusammen, um Marine Le Pens RN zu besiegen, oder sie riskieren, in einer Woche den Weg für eine rechtsextreme Regierung in Frankreich zu ebnen (…). Die extreme Rechte hat sich strategisch so entwickelt, dass sie weniger Ablehnung erfährt. (…) Zudem setzen viele Wähler der Mitte und der gemäßigten Rechten (…) die Partei von Le Pen mit der von Jean-Luc Mélenchon, dem Vorsitzenden von La France Insoumise, gleich. (…) Zum Glück scheint es eine Bereitschaft zu geben, diese Unterschiede zu überbrücken.“ Analyse Erster Wahldurchgang Frankreich 23.09
„La Stampa“ (Italien): „Mit seiner Entscheidung, die Abgeordnetenkammer aufzulösen, wollte Präsident Emmanuel Macron eine Front von Republikanern um sich scharen, um sich als einziges echtes Bollwerk gegen die extreme Rechte zu positionieren und wie 2017 und 2022 seine politische Wette erneut gewinnen. Aufgrund der zahlreichen Spaltungen zwischen der gemäßigten Linken und der radikalen Linken von Jean-Luc Mélenchon rechnete er nicht damit, dass sich diese Kräfte für die Wahl in Form einer neuen Volksfront zusammenschließen. Emmanuel Macron hat dieses Spiel verloren. Der Präsident sieht sich mit einem Land konfrontiert, das in drei Lager gespalten ist, mit der sehr realen Möglichkeit, dass die republikanische Rechte und die Linke zum ersten Mal nicht in der Lage sein werden, sich zu verbünden, um die extreme Rechte an der Macht zu hindern.“
„Aftonbladet“ (Schweden): „Weder die Franzosen noch Macrons eigene Regierungsmannschaft waren bereit für die Neuwahl. Der Präsident hat beschlossen, sie nach einem schlechten Ergebnis bei der EU-Wahl eigenhändig auszurufen. Die Wahl ist dabei eine Angelegenheit für ganz Europa. Frankreich ist eine tragende Säule nicht nur in der Nato, sondern auch in der EU. Mit Blick auf die Spannungen – und die Spaltung – im Land kann das Ergebnis der zweiten Wahlrunde am 7. Juli nicht nur zu parlamentarischem Chaos, sondern auch zu großen Demonstrationen führen. Bis zu diesem nächsten Wahlgang haben wir nun noch eine Woche. Da Macrons Lager so weit zurückliegt, dürfte sich ein Teil seiner Wähler am 7. Juli umentscheiden. Hoffentlich retten die Franzosen ihr Land am kommenden Sonntag erneut aus den Klauen des Rechtsextremismus. Bis dahin halten sie und der Rest Europas den Atem an.“