Bei der umstrittenen Freigabe von Cannabis fehlte bisher noch ein wichtiger Teil: Anbaumöglichkeiten in größerem Stil. Dafür können jetzt spezielle Clubs aktiv werden – jedoch nicht einfach so.
Seit drei Monaten ist Kiffen in Deutschland für Volljährige legal – mit zahlreichen Beschränkungen und Vorgaben, die auch den Cannabis-Anbau in einer privaten Wohnung ermöglichen. Aber nur begrenzt auf je drei Pflanzen. Von Montag an können jetzt auch Vereine an den Start gehen, die gemeinsam größere Mengen produzieren wollen. Dafür gelten aber ebenfalls Auflagen, und Interessierte müssen erst einmal Behördenanträge und einige andere Vorbereitungen angehen. Bis zum Pflanzen, Ernten und den ersten Joints dürfte es noch mehrere Wochen dauern.
Das umstrittene Gesetz, das Besitz und Anbau der Droge für Volljährige zum Eigenkonsum erlaubt, gilt inzwischen seit dem 1. April. Und erklärtes Ziel ist, den kriminellen Schwarzmarkt zurückzudrängen, wo Cannabis mit Beimengungen und hohen Konzentrationen gehandelt wird. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) argumentiert, dass es dann aber eine ausreichende Menge an legalem Stoff braucht – kommen kann der künftig auch aus speziellen Anbau-Einrichtungen.
Was genau sind die Anbauvereine?
Erlaubt sind jetzt „Anbauvereinigungen“, wie sie offiziell heißen. Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder Cannabis nicht-kommerziell anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben. Organisiert sein müssen sie als eingetragene Vereine oder Genossenschaften – als Stiftung oder Unternehmen geht es nicht. Zum Zweck gehört es dem Gesetz zufolge auch, Cannabis-Samen und Stecklinge weitergeben zu können und über Suchtvorbeugung zu informieren.
Welche Voraussetzungen gibt es?
Die Mitglieder müssen mindestens sechs Monate in Deutschland wohnen, und für Mitgliedschaften muss eine Mindestzeit von drei Monaten gelten. Das soll laut Ministerium Drogentourismus vermeiden. Die Vorstandsmitglieder dürfen nicht wegen Drogendelikten vorbestraft sein. Das Anbau-Areal darf kein Wohngebäude sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum vor Ort und 100 Meter um den Eingang herum. Zu Schulen, Spielplätzen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen müssen es mindestens 200 Meter Abstand sein.
Was können Vereine jetzt tun?
Loslegen können Anbauvereine nun damit, eine amtliche Erlaubnis zu beantragen. Angeben müssen sie unter anderem die Mitgliederzahl, Standort und Größe der Anbauflächen, voraussichtliche Cannabis-Jahresmengen, Sicherungsmaßnahmen und ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept. Die Erlaubnis gilt dann befristet für sieben Jahre, nach fünf Jahren kann sie verlängert werden. Zu rechnen ist bei den Anträgen mit drei Monaten Bearbeitungszeit, wie es aus mehreren Ländern hieß.
Wo können Vereine Anträge stellen?
Der Deutsche Städtetag beklagte, dass es wenige Tage vor dem Start noch nicht überall abschließend klar war, wer für Genehmigungen und Kontrollen zuständig ist. Festlegen sollen das die Länder, und so gibt es nun verschiedene Stellen für Anträge – von der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen über das Regierungspräsidium in Freiburg für ganz Baden-Württemberg bis zum Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz. Im Land Berlin gibt es noch keine Verordnung. Die „Auffangzuständigkeit“ liegt vorerst bei den Bezirken, wie es aus dem Senat hieß. Welches Fachamt in den Bezirken zuständig sein soll, war zunächst unklar.
Wie viel Cannabis bekommen Mitglieder?
Die Mengen sind begrenzt. Pro Tag sind es höchstens 25 Gramm je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung. Auch anbauen dürfen die Vereine nicht einfach so viel, wie sie wollen. Die Erlaubnis gilt für feste Jahresmengen, die sich am Eigenbedarf der Mitglieder orientieren. Mehr muss vernichtet werden. Nur Mitglieder dürfen Pflanzen anbauen, gießen, düngen, beschneiden – keine bezahlten Beschäftigten. Mitglieder dürfen das Cannabis nicht an andere weitergeben, zulässig ist dies nur für Samen.
Welche Vorgaben gibt es noch?
Um Cannabis zu bekommen, muss man es persönlich vor Ort entgegennehmen, den Mitgliedsausweis und einen amtlichen Ausweis mit Foto vorlegen. Erlaubt ist nur Cannabis in Reinform: als getrocknete Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz (Haschisch). Verboten sind Mischungen mit Tabak, Nikotin oder Lebensmitteln. Die Verpackung muss neutral sein. Auf einem Infozettel müssen unter anderem Gewicht, Sorte, der durchschnittliche THC-Gehalt und Hinweise zu Risiken des Konsums aufgeführt werden. Ein Kaufpreis darf nicht verlangt werden, finanzieren sollen sich die Vereine durch ihre Mitgliedsbeiträge. Geregelt sind auch Dokumentationspflichten für die Vereine und regelmäßige amtliche Kontrollen.
Werden viele Anbauvereine entstehen?
Wie groß der Andrang ist, muss sich jetzt zeigen. Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) sprach von „hohem Interesse“ bei Clubs, die in Gründung seien und sich vorbereiteten. Rückmeldungen bei ihm zufolge könnte mindestens eine hohe dreistellige Zahl an Vereinen entstehen. Das Gesundheitsministerium legte einer Kostenschätzung im Gesetzentwurf zugrunde, dass im ersten Jahr 1000 und im zweiten bis fünften Jahr noch jeweils 500 Vereine entstehen dürften.
Wie geht es weiter?
Auf Wunsch der Länder schärfte der Bund gerade noch einige Vorgaben nach, damit keine größeren Cannabis-Plantagen entstehen. Die Länder können auch jeweils bei sich eine im Gesetz gegebene Möglichkeit anwenden, die Zahl der Anbauvereine in einem Kreis oder einer Stadt auf einen Verein je 6000 Einwohner zu begrenzen. Ein vorerst letztes Gesetz mit Cannabis-Regeln für Autofahrerinnen und Autofahrer soll der Bundesrat am 5. Juli billigen. Für THC am Steuer soll dann künftig ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut gelten – ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. In Kraft treten dürfte das Gesetz samt Bußgeldern bei Verstößen noch im Sommer.