Wie viel Schweiß ist normal?: Sie schwitzen extrem viel? Das kann auf eine Erkrankung hinweisen

Schweiß unter den Achseln, die Hände so schwitzig, dass jedes Händeschütteln zur Qual wird. Schweiß bei Hitze ist ganz normal, doch extremes Schwitzen, auch an kühlen Tagen, kann auf eine Hyperhidrose hinweisen.

Menschen schwitzen. Mal vor Anstrengung oder Hitze, mal vor Aufregung. Eine normale Sache, und doch ist sie uns unangenehm. Man schaut eben schon, wenn jemand mit Schweißflecken auf der Kleidung vor einem steht oder einem eine verschwitzte Hand gereicht wird. „Die Hitze“ oder „ich musste hierher rennen“ wird als Entschuldigung vorgebracht. Glücklicherweise sind solche Situationen selten. Leider jedoch nicht für rund eine Million Menschen hierzulande. Sie schwitzen fortwährend. Unabhängig von Außentemperatur, Anstrengung und Emotionen rinnt ihnen der Schweiß unkontrolliert, meist an den Achseln, den Füßen oder Händen. Jeden Tag. Sie leiden an Hyperhidrose.

Es gibt zwei Arten des krankhaften Schwitzens. Bei der primären Hyperhidrose lässt sich die Ursache nicht genau ermitteln. Bei der sekundären Hyperhidrose ist das vermehrte Schwitzen Begleiterscheinung zum Beispiel einer Krankheit wie Grippe oder einer Hormonumstellung wie bei den Wechseljahren. Die dritte Form ist die Bromhidrose: Bei ihr riecht der Schweiß ungewöhnlich stark. 

Die Grenze zwischen Schwitzen und Hyperhidrose 

Tipps gegen Schweiß und Schwitzen

Ab wann normales Schwitzen endet und eine Hyperhidrose beginnt, ist keine Frage der Schweißmenge. Bei großer Hitze oder Anstrengung kann jeder gesunde Mensch mehrere Liter über den Tag verlieren. Hyperhidrose ist vielmehr eine Frage des Zeitpunktes. In der Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften heißt es: „Auftreten des Schwitzens temperaturunabhängig, unvorhersehbar und nicht willentlich kontrollierbar“. In der Medizin wird das Leiden in drei Schweregrade unterteilt. Beim schwersten Grad erreichen die Schwitzflecken einen Durchmesser von mehr als 20 Zentimetern und der „Schweiß tropft ab“. Die Sprache der Medizin ist hier wenig umschreibend.  

Für die Betroffenen ist es in erster Linie eine soziale Herausforderung. Hyperhidrose belastet den Umgang mit anderen Menschen und insbesondere dem Partner. Die unablässige Schweißproduktion reizt die Haut unter den Achseln und führt dort zu Rötungen, Ausschlägen bis zu Fremdkörpergefühlen. Manchen rutschen Tassen aus den verschwitzen Händen oder der Touchscreen des Smartphones reagiert auf die nassen Finger nicht mehr. An den Füßen weicht der permanente Schweiß die Hornhaut auf. Manche müssen sich Schuhe in Übergrößen kaufen, um den zusätzlichen Platz mit saugenden Einlagen oder Papier auszufüllen. Andere lagern im Büro reichlich Wechselwäsche. Ist die Haut ständig übermäßig durchfeuchtet, wird das mit der Zeit Folgeerkrankungen nach sich ziehen: Bakterielle Erkrankungen der Hornhaut, Fußpilz, Warzenbildung.

Die Ursachen? Noch immer ein Rätsel.

Wer derart betroffen ist, erfährt leider oft Ausgrenzungen und macht früh die Erfahrung, dass Hausmittel bei der Schweißbekämpfung nicht ausreichen. Die Symptome rühren nicht etwa von zu vielen oder zu großen Drüsen her, sondern von einer Überaktivität der Nerven, die sie steuern. Die genaue Ursache der primären Hyperhidrose, die nicht auf organische, hormonelle oder psychische Faktoren zurückgeführt wird, ist noch nicht restlos erforscht. Manchmal stecken medizinische Ursachen wie eine Fehlfunktion der Schilddrüse oder Hormonstörungen hinter der Krankheit, manchmal sind psychische Ursachen wie Nervosität oder Stress der Auslöser. Viele Universitätskliniken bieten spezielle Sprechstunden für die Betroffenen an. In München ist das Deutsche Hyperhidrose Zentrum beheimatet. Über die Zahl der Betroffenen gibt es nur Schätzungen, die von einem bis zu fünf Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung reichen. 

Von Salben bis Nerv-Durchtrennung: Die Therapien sind vielfältig 

Die Injektion des Nervengifts Botulinum-Toxin, kurz Botox, unter die Haut lähmt die Muskeln und damit die Schweißdrüsen. Diese Technik ist auch für Hände und Füße geeignet. Botox-Spritzen bei Achselschwitzen zahlt mittlerweile die Krankenkasse bei entsprechender Indikation.

Medizinische Antitranspirantien

Die meisten Antitranspirantien enthalten Aluminiumsalze in unterschiedlicher Konzentration. Das Aluminiumsalz dringt in die Poren ein, verbindet sich mit Keratin und verschließt oder verengt so die Schweißdrüsen. Je höher die Aluminiumsalz-Konzentration ist, desto tiefer dringt es in die Haut. Die Lösung kann im Achselbereich, auf Hand- und Fußflächen angewendet werden. Medizinische Antitranspirantien mit hoher Aluminiumsalz-Konzentration sind frei verkäuflich in Apotheken, können aber zu Hautreizungen und allergischen Reaktionen führen. Sie sind nur bei leichter Hyperhidrose geeignet. 

Behandlung mit Botox

Die Injektion des Nervengifts Botulinum-Toxin mit der Spritze unter die Haut lähmt die Muskeln und damit die Schweißdrüsen. Diese Technik ist auch für Hände und Füße geeignet. Botox-Spritzen bei Achselschwitzen zahlt mittlerweile die Krankenkasse bei entsprechender Indikation. Jede Behandlung kostet 500 bis 1000 Euro und muss alle sechs Monate wiederholt werden.

Creme mit Glycopyrroniumbromid, GPB

Zumindest für Hyperhidrose an den Achseln gibt es seit einem Jahr eine einfache Erleichterung: eine Creme. Die Wirkung des rezeptpflichtigen Axhidrox vom deutschen Pharma-Mittelständler Dr. Wolff beruht auf Glycopyrroniumbromid, kurz GPB. Das Medikament hemmt die Signalübertragung zwischen Nerv und Schweißdrüse. GPB gehört zu den in der Medizin vielfach verwendeten Anticholinergika, die bisher als Tabletten gegen unkontrolliertes Schwitzen verschrieben wurden. Die Nebenwirkungen der Tabletten können heftig sein: Mundtrockenheit, Müdigkeit, Sehstörungen bis zur Übelkeit. Verpackt in einer Salbe wirkt das Medikament nur dort, wo es auch wirken soll. Laut der Forschungsstudien soll die Creme schnell wirken und die Nebenwirkungen nur „mild bis moderat“ sein. Mundtrockenheit trete im Vergleich zur Tablette sehr viel seltener auf.

Strom-Therapie / Iontophorese

Eine weitere Methode, vermutlich frei von Nebenwirkungen, ist die sogenannte Iontophorese. Bei dieser Reizstrom-Therapie werden Hände oder Füße in ein Wasserbad gehalten oder eine Art Schwamm unter die Arme geklemmt. Durch das Wasser wird ein schwacher elektrischer Strom geleitet, dabei ist der Wirkungsmechanismus unbekannt. Vermutet wird, dass die Reizschwelle, bei der Schwitzen ausgelöst wird, sich durch die elektrische Stimulation erhöht. Der Hautarzt kann dieses Gerät für die Selbstbehandlung zu Hause verschreiben. Die Therapie ist jedoch mühsam, da sie täglich durchgeführt werden muss. Die Therapie trocknet zudem die betroffenen Hautareale aus.

Absaugen von Schweißdrüsen

Diese Methode ist geeignet für Menschen, die besonders stark unter den Achseln schwitzen. Betäubt wird nur lokal. Zunächst wird Flüssigkeit in den betroffenen Bereich gepumpt. Mit einem Metallstab lockert der Arzt das Gewebe. Dann wird das entsprechende Gewebe abgesaugt, die Schweißdrüsen inklusive. Etwa 80 Prozent der Drüsen werden hierbei entfernt. Ein leichtes Schwitzen ist also noch möglich, das aber gut mit Deo behandelt werden kann. Das Schwitzen hört sofort nach der Operation auf. Das bleibt auch so, denn Schweißdrüsen können sich nicht erneuern. Auch an anderen Stellen schwitzt man deshalb nicht stärker. Diese Schweißdrüsenentfernung wird nur an wenigen Kliniken praktiziert und von den Krankenkassen in der Regel nicht bezahlt. 

Operative Entfernung der Schweißdrüsen

Die operative Entfernung der Schweißdrüsen ist veraltete Methode, wurde aber meist von der Krankenkasse bezahlt. Hierbei wird das Schweißdrüsenareal unter den Achseln komplett entfernt. Zurück bleibt eine 10 bis 20 Zentimeter lange Narbe, die oft zu Hautspannen und Schmerzen im Schulterbereich führen kann. Hierbei werden zwar etwa 90 Prozent der Schweißdrüsen entfernt, der Eingriff ist aber größer und die Narbe hinterher oft eine Behinderung.

Effektiv aber nicht ungefährlich: Sympathektomie

Bei der Sympathektomie wird über einen endoskopischen Eingriff rechts und links der Wirbelsäule ein Teil des Sympathikus-Nervs entfernt. Der Sympathikus ist Teil des vegetativen Nervensystems. Von ihm aus gehen kleine Nervenäste bis unter die Haut. Sie steuern die Schweißproduktion. Um das Schwitzen an der Hand auszuschalten, wird ein halber Zentimeter zwischen dritter und vierter Rippe entfernt. Die Nervenäste, die von hier zu den Händen führen, sind damit lahmgelegt. Um das Schwitzen an der Stirn zu beenden, wird der Nerv zwischen erster und zweiter Rippe durchtrennt. Nebenwirkung dieser Operation ist das eingeschränkte kompensatorische Schwitzen: Von der Hand oder Stirn verlagert sich die Schweißproduktion auf Rücken oder Bauch. In der Regel ist das für die Betroffenen aber viel weniger störend. 

Die Sympatikus-Nerv-Durchtrennung birgt jedoch zahlreiche körperliche und zum Teile schwere psychische Risiken. Sie sollte die aller letzte Maßnahme sein, wenn alle anderen Therapien nicht anschlugen.