Nach dem Achtelfinal-Erfolg gegen Dänemark kann die EM für Deutschland nicht mehr als Frust-Turnier enden. Fans und Team sind wieder vereint. Wer kommt als Nächstes, Spanien oder Georgien?
Als die Fans im EM-Glücksrausch immer wieder aufs Neue die „Völlig losgelöst“-Hymne im brodelnden Dortmunder Stadion anstimmten, verspürten die völlig erschöpften deutschen Spieler, der Trainerstab um Julian Nagelsmann und auch der am Spielfeldrand mitjubelnde Rudi Völler große Genugtuung und pure Erleichterung.
Nach dem schwer erarbeiteten 2:0 (0:0) in einem wilden Regen-Spiel gegen Dänemark und dem Einzug ins EM-Viertelfinale fiel im gesamten DFB-Tross eine Riesenlast ab. Nach dem ersten Sieg in einem K.o.-Spiel seit acht Jahren kann die Heim-EM nicht mehr als Frust-Turnier enden.
Trotz zahlreicher Widerstände und dem Druck der Favoritenrolle das Spiel gewonnen zu haben, „macht mich schon stolz“, verkündete Nagelsmann. Dem jungen Bundestrainer ist es gelungen, aus einer von Misserfolgen gepeinigten Mannschaft wieder ein verschworenes Siegerteam zu formen. Die Spieler würden „langsam die alte Festplatte löschen und verstehen, wie gut sie sind“, sagte Nagelsmann. Vielleicht sogar titeltauglich?
Die Europameister-Prüfungen
Die ganz großen Prüfungen kommen aber noch, die ultimative vielleicht schon am Freitag (18.00 Uhr) in Stuttgart. Alle rechnen mit Spanien als nächstem Gegner. Das Achtelfinale des besten Vorrunden-Teams gegen die EM-Überraschung Georgien werden Nagelsmann und Co. am Sonntagabend aufmerksam im DFB-Camp in Herzogenaurach verfolgen.
In das kehrte der Tross nach dem Rückflug aus Dortmund ganz spät in der Nacht zurück. „Spanien, Georgien, ich hätte Bock auf beide“, sagte Kapitän Ilkay Gündogan. „Wir wissen, dass wir jeden schlagen können. Wir wissen aber auch, dass wir zu schlagen sind“, meinte Joshua Kimmich.
Ein „skurriles K.o.-Spiel“ mit Schlüsselmomenten
Der Sieg gegen hartnäckige Dänen „in einem skurrilen K.o.-Spiel“ (Nagelsmann) mit der Unwetter-Unterbrechung, mehreren Video-Beweisen und nervenaufreibenden Wendungen war verdient, auch wenn viel Matchglück in den Schlüsselmomenten nötig war. Etwa beim aberkannten Tor der Dänen, dem kurz darauf beim nächsten VAR-Einsatz der Handelfmeter folgte, den Kai Havertz nervenstark rechts unten versenkte.
Seit acht Spielen ist das Nationalteam nun ungeschlagen, das Selbstvertrauen wächst und wächst. Dazu kommt ein Teamgeist, wie es ihn lange nicht gab. „Jeder kämpft für den anderen“, betonte Abwehrchef Antonio Rüdiger. Mit Nico Schlotterbeck, der den gesperrten Jonathan Tah ersetzte, bildete Rüdiger als bärenstarkes Abwehrbollwerk das Vorkämpfer-Duo. „Wir haben außergewöhnlich verteidigt“, sagte Schlotterbeck.
Siegertypen und Spielentscheider
Im Offensivspiel mangelte es gegen die Dänen an Effizienz. „Wir hatten Chancen, wo wir das Spiel einfacher machen können. Das Gute ist, dass wir Chancen kreieren. An anderen Tagen gehen die rein“, sagte Jamal Musiala. Der 21-Jährige erzielte bereits sein drittes Turniertor. Havertz verwandelte seinen zweiten Elfmeter. Das Gute ist, es gibt diese und andere Spieler, die Spiele entscheiden können. Ein Joker-Tor von Niclas Füllkrug in letzter Minute brauchte es diesmal nicht. „Die Konkurrenz ist immer da im Fußball, wir sind aber faire Fighter“, sagte Havertz.
Mannschaft und Fans als Einheit
Der Sommermärchen-Effekt ist da. Die Fanfeste sind rappelvoll, die Menschen im Land versammeln sich wieder hinter der Nationalmannschaft. „Die Fans waren extrem da“, sagte Kimmich nach seinem 90. Länderspiel. Er sprach von „der mit Abstand besten Stimmung“, die beim vierten Turnierspiel geherrscht habe. Die Begeisterung und Unterstützung könnte das DFB-Team ganz weit tragen, vielleicht sogar bis zum Finale nach Berlin.