Passionsspiele: Oberammergau sucht Passionsspiel-Leiter für 2030

In sechs Jahren wird in Oberammergau wieder gekreuzigt: Dann führt der kleine Ort die berühmte Passion auf. Nun gibt es Gerangel: Wird der renommierte Spielleiter Christian Stückl abgelöst?

Sechs Jahre vor den nächsten Passionsspielen 2030 will der oberbayerische Ort Oberammergau den Spielleiter erstmals über einen schriftlichen Bewerbungsweg finden. Der Gemeinderat hatte kürzlich mit deutlicher Mehrheit entschieden, die Oberammergauer für die nächste Passion 2030 zur schriftlichen Bewerbung um die Spielleitung aufzurufen – ein Novum in der jahrhundertelangen Geschichte. Auch früher wählte in der Regel der Gemeinderat zwischen Interessenten – jedoch ohne ein solches Verfahren. 

Der bisherige Spielleiter Christian Stückl hat die weltberühmte Passion vier Mal inszeniert – und schon vor einem Jahr klargemacht: Er steht auch ein fünftes Mal bereit. Nun muss er sich dennoch bewerben. „Es geht nicht darum, dass man ihm nicht mehr haben will“, betont Bürgermeister Andreas Rödl mit Blick auf Stückl. Vielmehr gehe es darum, mehr Transparenz zu schaffen und zu sehen, ob es Bewerber gebe, an die man bisher nicht gedacht habe. Dem Vernehmen hat mindestens ein Interessent schon den Finger gehoben.

Stückl, Ehrenbürger des Ortes und für seine Arbeit für die Passionsspiele vielfach – unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz – ausgezeichnet, ist enttäuscht. Dem Intendanten des Münchner Volkstheaters mangelt es keineswegs an Arbeit. Aber die Passion ist mehr. „Da hängt mein Herz dran.“ Er könne sich freilich auch schriftlich bewerben, sagt Stückl. „Das ist schnell runtergeschrieben.“ Auch wenn nicht ganz klar, ist, was die Bewerbung eigentlich enthalten soll – denn dazu hat der Gemeinderat keine Vorgaben gemacht. 

Die letzte Passion 2022 unter Stückls Spielleitung war ein enormer Erfolg – auch finanziell. Fast eine halbe Million Menschen sahen das „Spiel vom Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus“, das Stück spielte 48 Millionen Euro ein. Die Passionsspiele sind ein riesiger Wirtschaftsfaktor für den kleinen Ort. 

Stückl, bei seiner ersten Passion 1990 jüngster Spielleiter aller Zeiten, hatte die Passionsspiele grundlegend reformiert und modernisiert. Er stärkte Frauenfiguren – und befreite das Stück von christlichen Anti-Judaismen. 

Bis Jahresende sollen Interessenten für die Spielleitung – Oberammergauer, die das Spielrecht haben, haben werden oder hatten – dem Gemeinderatsbeschluss zufolge ihre Unterlagen einreichen. Der Gemeinderat wird eine Vorauswahl treffen, die verbleibenden Kandidaten sollen ihre Ideen und Konzepte bei einer Bürgerversammlung 31. März nächsten Jahres vorstellen. Bis 31. Mai wollen die Räte entscheiden, wer Spielleiter oder Spielleiterin der Passion 2030 wird.