Alice Weidel streichelt die nach mehreren Skandalen wunde Seele ihrer Partei. Beim Bundesparteitag in Essen zeigt sich wieder einmal, wie Druck von außen die innere Geschlossenheit der AfD befördert.
Mit einer Schimpfkanonade hat die AfD-Vorsitzende Alice Weidel den von massiven Protestaktionen begleiteten Bundesparteitag der AfD in Essen eröffnet. Deutschland sei „zu einem Ponyhof verkommen“, sagte die Co-Vorsitzende am Samstag in ihrer Begrüßungsrede vor mehr als 550 Delegierten. An die Adresse der Ampel-Regierung sagte sie: „Liebe Regierung, haut endlich ab, macht den Weg frei für Neuwahlen!“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall – eine Einschätzung, die das Oberverwaltungsgericht in Münster im Mai bestätigt hat. Unter dem Applaus ihrer Parteifreunde schimpfte Weidel: „Der Verfassungsschutz ist selbst zum Verfassungsfeind geworden, und er gehört in dieser Form abgeschafft.“
Das gerade in Kraft getretene neue Staatsbürgerschaftsgesetz mit verkürzten Fristen für die Einbürgerung werde die AfD im Falle einer Regierungsbeteiligung wieder einkassieren, sagte Weidel. Das hat auch die Union angekündigt. Die AfD-Vorsitzende sagte: „Deutschland schafft sich ab, wenn wir nicht in die Speichen greifen und diesem woken Hippie-Wahn endlich ein Ende bereiten.“
Co-Vorsitzende spricht von „Trainer-Gespann“
Weidel wählte in ihrer Rede eine Fußball-Metapher und sprach von einem „Trainer-Gespann“ in der Parteiführung. Vielleicht wollte sie damit Parteifreunden den Wind aus den Segeln nehmen, die vermuten, sie wolle den Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla zur Seite schieben und sich jetzt schon als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl in Stellung bringen.
Für einige Delegierte wird Weg zur Halle zum Spießrutenlauf
Linke Gruppen hatten angekündigt, den Delegierten die Zugänge zum Parteitagsgelände versperren zu wollen. Tatsächlich hatten einige von ihnen wegen der massiven Proteste und Blockaden Schwierigkeiten, pünktlich zur Grugahalle zu gelangen. Die Polizei hatte betont, dass sie eine Blockade des Parteitags nicht dulden werde und einen ungestörten Verlauf der AfD-Veranstaltung ermöglichen will. Sie berichtete am Samstag von teils gewalttätigen Aktionen von Gegendemonstranten und mehreren Festnahmen.
Zu Demonstrationen und Veranstaltungen werden am gesamten Wochenende bis zu 100.000 Menschen aus ganz Deutschland und dem Ausland erwartet, darunter rund 1000 Linksextremisten. Die Polizei hat mehrere tausend Beamte im Einsatz.
Der Ampel-Koalition warf Weidel mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine Eskalationsrhetorik vor. „Diese Herren Ampel-Minister sollten endlich Verantwortung übernehmen und selbst an die Front gehen, aber Hände weg von unseren Söhnen und Vätern“, sagte sie. Lauten Beifall erntete Weidel, als sie sagte, zu den Interessen Deutschlands und Europas gehöre, „dass die Ukraine nicht zur Europäischen Union gehört und zu Europa“.
Die AfD will bei ihrem zweitägigen Parteitag am Samstag und Sonntag den Vorstand neu wählen. Sowohl Weidel als auch Chrupalla haben angekündigt, wieder anzutreten. Weidel sagte, die AfD wolle „endlich mehr direkte Demokratie“ und Volksabstimmungen in Deutschland.
Bei der Europawahl am 9. Juni hatte die AfD zwar auf 15,9 Prozent der Stimmen zugelegt, war damit aber hinter ihren eigenen Erwartungen zurückgeblieben. Geschadet haben dürften ihr Berichte über das Potsdamer Treffen radikaler Rechter zur sogenannten Remigration, die neue Konkurrenz durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie die Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten, Maximilian Krah, der unter anderem wegen mutmaßlicher Russland- und China-Verbindungen wochenlang für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Am ersten Tag diskutierten die Delegierten außerdem über die Zukunft ihrer Abgeordneten in Brüssel, nachdem die dortige rechte ID-Fraktion die Zusammenarbeit mit der AfD aufgekündigt hatte. Weidel teilte in ihrer Rede auch gegen die designierte neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und gegen die rechte italienische Regierungschefin Giorgia Meloni aus.