Biden zeigt sich nach schwachem Auftritt bei TV-Debatte kämpferisch

Nach seinem schwachen Auftritt bei der ersten TV-Debatte vor der US-Präsidentschaftswahl steht Amtsinhaber Joe Biden weiter massiv unter Druck. In ihrem am Freitag (Ortszeit) erschienenen Leitartikel forderte die einflussreiche Zeitung „New York Times“ Biden zum Verzicht auf seine Kandidatur auf. Dieser präsentierte sich bei einem Wahlkampfauftritt in North Carolina dagegen kämpferisch.

Biden – mit seinen 81 Jahren der älteste Präsident der US-Geschichte – hatte bei der TV-Debatte mit seinem Herausforderer Donald Trump im Sender CNN am Donnerstagabend mit heiserer Stimme gesprochen und sich wiederholt in seinen Formulierungen verheddert. Zudem ließ er Sätze unbeendet und kam ins Stottern.

Bei einem Auftritt in North Carolina versuchte der US-Präsident nun, die Kritik zu entkräften. „Ich gehe nicht mehr so locker wie früher, ich spreche nicht mehr so flüssig wie früher, ich debattiere nicht mehr so gut wie früher, aber ich weiß, wie man die Wahrheit sagt“, sagte er vor Anhängern der Demokraten in der Stadt Raleigh. 

„Ich gebe Ihnen mein Wort. Ich würde nicht noch einmal kandidieren, wenn ich nicht mit ganzem Herzen und ganzer Seele daran glauben würde, dass ich diesen Job machen kann“, versicherte Biden.

Mit Blick auf seinen Rivalen Trump verwies Biden auf die zahlreichen Falschbehauptungen, die dieser während der TV-Debatte geäußert hatte. „Ich schätze, dass er einen neuen Rekord für die meisten Lügen in einer einzigen Debatte aufgestellt hat“, sagte der 81-Jährige und nannte seinen Herausforderer „buchstäblich eine Bedrohung für alles, wofür Amerika steht“. 

Die „New York Times“ forderte den US-Präsidenten nach dessen schwachem Auftritt zu einem Rückzug seiner Kandidatur auf. Der größte Dienst, den Biden dem Land nun erweisen könne, „wäre die Ankündigung, dass er bei der Wahl nicht mehr antreten wird“, schrieb das sogenannte Editorial Board, eine Gruppe von Meinungsjournalisten, die von der Redaktion getrennt arbeitet, in einem Leitartikel.

Unterstützung bekam Biden dagegen von Ex-Präsident Obama. „Schlechte Debattenabende kommen vor“, schrieb Bidens ehemaliger Chef im Onlinedienst X. Die Wahl sei aber „immer noch eine Wahl zwischen jemandem, der sein ganzes Leben lang für die einfachen Leute gekämpft hat, und jemandem, der sich nur um sich selbst kümmert“.

Eine weitere Debatte der beiden Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 5. November ist für den 20. September geplant.

Trump, der sehr viel energischer und konzentrierter bei dem Duell gewirkt hatte, setzte bei einem Wahlkampfauftritt in Virginia noch einmal gegen Biden nach: „Es ist nicht sein Alter, es ist seine Kompetenz“, sagte der 78-jährige Ex-Präsident. Die Frage solle nicht lauten, ob Biden eine 90-minütige TV-Debatte überstehe, sondern ob Amerika eine weitere vierjährige Amtszeit überlebe.

Ein Aufgeben Bidens hielt Trump eigenen Angaben zufolge jedoch für unwahrscheinlich: „Ich glaube das nicht, weil er in den Umfragen besser abschneidet als jeder der Demokraten, über die sie reden“, sagte er.

Eine CNN-Umfrage nach der Debatte ergab, dass 67 Prozent der Zuschauer in Trump den Gewinner des Duells sahen, was für Unruhe in den Reihen der Demokraten sorgte. Laut einem Bericht der „New York Times“ wird innerhalb der Partei sogar diskutiert, ob es vier Monate vor der Präsidentenwahl zu spät sei, Biden durch einen jüngeren Kandidaten oder eine Kandidatin zu ersetzen.

Bislang fordert kein führender Parteivertreter Biden öffentlich zum Rückzug auf. „Ich werde Präsident Biden niemals den Rücken kehren“, versicherte der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, der auf der Liste der möglichen Ersatzkandidaten ganz oben steht. Auch Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris hatte sich nach der Debatte hinter ihn gestellt.

Ein Wechsel des demokratischen Präsidentschaftskandidaten wäre politisch heikel. Biden selbst müsste sich zum Rückzug entschließen, um vor dem Parteitag im kommenden Monat Platz für einen anderen Kandidaten zu machen. Der Amtsinhaber hatte die demokratischen Vorwahlen mit überwältigender Mehrheit gewonnen, die insgesamt 3.900 Delegierten sind ihm verpflichtet. Sollte Biden ausscheiden, müssten sie einen Ersatz bestimmen.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich derweil besorgt angesichts einer möglichen Rückkehr von Trump ins Weiße Haus. „Wenn man jetzt an die letzte Amtszeit des Kandidaten Trump denkt, dann war eine der größten Herausforderungen die Unberechenbarkeit“, sagte sie am Freitag auf einem Podium des Redaktionsnetzwerks Deutschland, des NDR und der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. In diesen Zeiten seien jedoch Vertrauen und Verlässlichkeit „wichtiger denn je zuvor“.