Im Brandenburger Wahlrecht ist die Landtagsgröße gedeckelt. Das kann nach der Landtagswahl eine große Rolle spielen, wenn die AfD mehr Direktmandate erhält als ihr nach Zweitstimmenanteil zustehen.
Der Politikforscher Robert Vehrkamp hat vor einer verfassungswidrigen Verteilung der Mandate nach der Landtagswahl in Brandenburg gewarnt. Der Experte der Bertelsmann Stiftung skizziert den Fall, dass die AfD mit einem angenommenen Ergebnis von gut einem Viertel (26,5 Prozent) der Zweitstimmen mehr als ein Drittel der Sitze im Landtag erlangen könnte. Sie hätte dann eine sogenannte Sperrminorität, sodass die Verfassung ohne sie nicht mehr geändert werden könnte. Das könnte zustande kommen, wenn die AfD deutlich mehr Direktmandate holt, als ihr nach Zweitstimmenanteil an Mandaten insgesamt zustehen würde. Und weil in Brandenburg die Größe des Landtags bei 110 Mandaten gedeckelt ist, könnten die übrigen Parteien nicht mehr genug Ausgleichsmandate erhalten, um die Verzerrung des Ergebnisses durch den AfD-Überhang wieder mit dem Zweitstimmenergebnis aller Wähler in Einklang zu bringen.
„Würde das Wahlergebnis bei der Landtagswahl am 22. September in Brandenburg dem derzeitigen Umfragetrend entsprechen, könnte nach Zweitstimmenergebnis die amtierende Regierungskoalition ihre Mehrheit zwar verteidigen, durch die hohe Anzahl anfallender Überhangmandate aber wieder verlieren“, schreibt der Politikexperte in einem „Policy Brief“ der Bertelsmann Stiftung. „Gleichzeitig könnte die AfD durch zahlreiche Überhangmandate eine verfassungsändernde Sperrminorität erreichen, die ihr nach Zweitstimmenergebnis nicht zusteht.“ Das könne Verfassungsklagen nach sich ziehen, weil gegen die Gleichheit der Wahl und die Grundsätze der Verhältniswahl verstoßen würde.
„Wenn die Konstellation auftritt, hat Brandenburg ein echtes Problem“, sagte der Professor. „Überhangmandate würden in Brandenburg dann über die Machtverteilung bestimmen.“ Ein paar hundert Wähler in einem Wahlkreis könnten das Wahlergebnis stark verzerren. „Auch die AfD hat bisher immer sehr vehement gegen die Verzerrung von Wahlergebnissen durch Überhangmandate gekämpft und in Sachsen sogar schon einmal selber dagegen geklagt.“
Der Wissenschaftler schlägt als einmalige Notlösung für die Wahl eine Anhebung der Landtagsgröße vor. „Die wahrscheinlich einzige so kurzfristig vor der Wahl noch realisierbare wahlrechtliche Lösung wäre eine einmalige Anhebung der maximalen Landtagsgröße von derzeit 110 auf beispielsweise 140 Abgeordnete“, heißt es im Policy Brief. Er hoffe auf die „Vernunft und Einsicht“ aller Landtagsparteien. CDU-Landeschef Jan Redmann hatte vor dem Hintergrund des Szenarios eine Erststimmenkampagne seiner Partei angekündigt.
Für sein Beispiel legt der Experte einen Durchschnitt von Wahlumfragen zugrunde. Danach läge die AfD mit 26,5 Prozent der Stimmen vorn, vor der SPD mit 19,8 Prozent und der CDU mit 18,5 Prozent. Die Grünen erreichten 7 Prozent. Die rot-schwarz-grüne Koalition hätte nach Zweitstimmen weiter eine Mehrheit. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) landete nach dem Szenario bei 11,5 Prozent. „Es geht dabei aber nicht um die AfD, sondern um ein Problem des brandenburgischen Wahlrechts“, sagte Vehrkamp. „Entsprechende Überhangeffekte der SPD oder der CDU wären verfassungsrechtlich genauso bedenklich.“
Drei Wochen vor der Brandenburger Wahl finden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen statt. Eine möglicherweise verfassungswidrige Verteilung der Mandate ist nach Ansicht des Politikforschers der Bertelsmann Stiftung für die beiden Länder deutlich unwahrscheinlicher: „Thüringen hat einen vollen Ausgleich der Mandate“, sagte Vehrkamp. „Und in Sachsen ist die Umfragelage im Moment ziemlich anders als in Brandenburg.“
Brandenburger Wahlrecht