Die EU-Staats- und Regierungschefs haben Ursula von der Leyen bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel am Donnerstagabend für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin nominiert. Die liberale estnische Kaja Kallas soll zudem neue EU-Außenbeauftragte werden, der frühere portugiesische Regierungschef António Costa von den Sozialdemokraten den Posten des Ratspräsidenten übernehmen. Für ihre Wiederwahl braucht von der Leyen nun eine absolute Mehrheit der Abgeordneten im Europaparlament.
Kallas sprach von einer „enormen Verantwortung in dieser Zeit der geopolitischen Spannungen“. Als größte Herausforderungen in der europäischen Außenpolitik nannte sie den Krieg in der Ukraine sowie die „zunehmende Instabilität in unserer Nachbarschaft und auf der ganzen Welt“.
Der Portugiese Costa gratulierte von der Leyen und Kallas zu ihrer Nominierung. „Ich werde mich voll und ganz für die Einigkeit unter den 27 Mitgliedstaaten einsetzen“, versprach der Sozialdemokrat, der der Einigung zufolge zum 1. Dezember dieses Jahres auf den Belgier Charles Michel folgt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte von der Leyen, Kallas und Costa und bezeichnete ihre Nominierung im Onlinedienst X als „wichtiges Signal“. „Mit ihnen können wir schnell und gut vorangehen“, fuhr Scholz fort.
Auf das Personalpaket hatten sich sechs Vertreter von Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen bereits vorab geeinigt – darunter Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni hatte dieses Vorgehen scharf kritisiert. In Europa herrsche eine „Oligarchie“ sagte sie zu den Absprachen, an denen ihr Rechtsaußen-Lager nicht beteiligt war.
Die italienische Regierungschefin enthielt sich nach Diplomatenangaben in der Abstimmung über von der Leyens Nominierung. Ungarns Regierungschef Viktor Orban hatte im Voraus seine Ablehnung des Personalpakets deutlich gemacht. Beim Gipfel reichte jedoch eine sogenannte qualifizierte Mehrheit von 15 EU-Ländern, die 65 Prozent der europäischen Bevölkerung vertreten.
Die nötige absolute Mehrheit von 361 der 720 Abgeordneten im Europaparlament ist der 65-jährigen von der Leyen allerdings weniger sicher. „Da ist unsere Absicht, dass die politische Plattform, die Frau von der Leyen in der Vergangenheit getragen hat, das auch in Zukunft tun soll“, sagte Kanzler Scholz mit Blick auf die Europäische Volkspartei (EVP), die Sozialdemokraten und Liberalen im Europaparlament.
Die drei Gruppen haben auch im neu gewählten Europaparlament weiter eine Mehrheit. Angesichts des fehlenden Fraktionszwangs sind Abweichler allerdings wahrscheinlich. Die Wahl von der Leyens findet frühestens in der ersten Sitzung Mitte Juli statt.