Bier ist ein problematisches Getränk. Es ist unverschämt süffig, aber lässt uns auch dauernd aufs Klo rennen. Warum ist das so? Und lässt sich der Harndrang steuern?
Es ist Feierabendeinläuter, loyaler Festivalbegleiter und Jubelunterstützer – das Bier. Und es hat die Angewohnheit, selten allein zu kommen. Zum ersten Gläschen gesellt sich gern ein zweites, ein drittes, manchmal ein viertes und dann, meist zum allerungünstigsten Zeitpunkt, wenn das Entscheidungstor quasi in der Luft liegt, klopft die Blase an. Ganz schnell kann es dann ganz dringend werden. Denn Bier ist eben auch ein Auf-den-Pott-Treiber. Trinken wir Bier, müssen wir öfter Urinieren. Das ist so. Gerüchteweise gibt es aber einen Trick, der gegen den nervigen Harndrang hilft. Wahrheit oder Humbug?
Bier ist harntreibend, das liegt unter anderem an den alkoholischen Bestandteilen des Biers. So ist der Körper motiviert, Alkohol, dass ein Nervengift ist, schnell wieder loszuwerden. Durch den Alkohol ist außerdem die Ausschüttung des Hormons ADH kurzzeitig gehemmt. Das Hormon ist eigentlich dafür zuständig, dass die Nieren Flüssigkeiten länger im Körper halten. Die Unterdrückung des Hormons sorgt im Umkehrschluss dafür, dass mehr Urin produziert wird als bei nicht-alkoholischen Getränken. Die Kohlensäure im Bier verstärkt den Druck auf die Blase zudem.STERN PAID 46_23 Apothekerin_Inkontinenz 19.30
Bier sorgt dafür, dass wir öfter aufs Klo müssen
Je mehr Flüssigkeit in der Blase ist, desto weiter dehnt sie sich, die Blasenwand wird dünner. Wie schnell sich die Blase füllt, ist unter anderem von den individuellen Trinkgewohnheiten, von der Tüchtigkeit der Nieren, aber auch dem Geschlecht abhängig. Bei Frauen ist das Fassungsvermögen der Blase geringer, was erklärt, weshalb sie in der Regel häufig urinieren müssen als Männer.
Wird die Blase zu voll, senden Mechanorezeptoren, die sich in der Blasenwand befinden, das Signal an das Gehirn, dass ein Klogang in absehbarer Zeit notwendig wird. Der sogenannte „Don’t break the seal“-Trick (etwa: Brich das Siegel nicht) soll dabei helfen, dem Harndrang möglichst lange zu widerstehen. Die Theorie dahinter: Wer einmal aufs Klo gegangen ist, muss danach immer wieder gehen. Demnach werde das Gehirn dadurch sozusagen an die Blase erinnert, sodass diese in Folge mehr „Aufmerksamkeit“ von ihm bekommt. Daher sei es besser, das Wasserlassen möglichst lange aufzuschieben. Was passiert, wenn: urin zu lange halten 20.06
Mehr Kontrolle über den Harndrang bekommen?
Tatsache ist, dass sich die Blase nur bedingt trainieren lässt. Ist ein gewisser Füllstand erreicht, lässt sich das Urinieren nicht weiter hinauszögern. Der vermeintliche Trick kann sogar kontraproduktiv sein. Denn auf Dauer bewirkt das ständige Hinauszögern des Wasserlassens im Zweifel genau das, was man zu vermeiden sucht: den Kontrollverlust über den Harndrang. Auch der Urologe Holger Uhthoff rät im Gespräch mit der „SZ“ davon ab, zu lange mit dem Wasserlassen zu warten. Bei Männern könne das im schlimmsten Fall sogar zu einer Harnsperre führen.
Was wirklich hilft? Die Antwort ist einfach: das Getränk wechseln. Bei alkoholfreiem Bier ist der Effekt geringer. Die noch bessere Wahl sind allerdings Getränke, die außer Alkohol auch keine Kohlensäure oder Koffein beinhalten. Kaffee, Softdrinks, Energydrinks und viele Fruchtsäfte sind ebenso harntreibend. Die langweilige, aber beste Wahl für unterwegs: stilles Wasser.
Quellen: Spektrum, Deutsche Kontinenz Gesellschaft, Funk, SZ