Wenn das (letzte) Kind das Elternhaus verlässt, beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Um das Empty-Nest-Syndrom gar nicht erst aufkommen zu lassen, hilft es, sich rechtzeitig auf diese Zeit vorzubereiten.
Täglich große Mengen frischer Lebensmittel nach Hause zu schaffen, diese immer gleiche Last, um das immer hungrige Kind und oft auch einen Haufen seiner Freunde satt zu kriegen, gehört zu den unangenehmen Pflichten des Elterndaseins. Dann kündigt sich irgendwann ein neuer Abschnitt an: Das Kind plant seinen Auszug. Zu der Freude darüber, dass es nun sein eigenes Leben selbstständig in die Hand nehmen wird, gesellen sich aber auch andere Gedanken: Was mache ich denn dann mit all meiner Freizeit, die dadurch entsteht? Für mich allein muss ich ja noch nicht mal kochen. Wie wird sich das überhaupt anfühlen, plötzlich kinderlos zu sein? Ohne das Kind zu leben, das einen so viele Jahre lang auf Trab gehalten hat. Ohne all die Inspirationen, die eine jüngere Generation nach Hause bringt?
Empty-Nest-Syndrom – ein neues „Hobby“ muss her
Dem britischen „Guardian“ hat Kitty Johnson erzählt, wie sie vorgegangen ist. Sie war über 60, als sich 2023 der Auszug ihres einzigen Sohnes ankündigte. Im Freundeskreis hatte sie bereits mitbekommen, wie sehr manchen Eltern dieses Thema zu schaffen macht. Das Kind zieht aus, das Empty-Nest-Syndrom zieht ein. Doch neben der Freude über ein gewonnenes Zimmer tauchen auch andere Emotionen auf: Traurigkeit, Angst und Verlustgefühle. Johnson wollte sich daher wappnen und gut vorbereitet in diesen Lebensabschnitt gehen.
Die Autorin und Lehrerin aus Norfolk erinnerte sich, dass einige Mitglieder des britischen Women’s Institutes, einer gemeindebasierten Organisation für Frauen, in ihrer Region in der Igelrettung aktiv waren. Die Idee erschien ihr sinnvoll, sie schloss sich ihnen an und startete damit, die telefonische Igel-Hotline zu besetzen. Doch das Warten auf einen Notfall erfüllte nicht den von ihr erhofften Zweck – Leben in ihren Alltag zu bringen. „Ich musste unterwegs sein, an der frischen Luft und Menschen begegnen“, erklärt sie im „Guardian“. Also begann sie, neben ihrem Telefondienst unter der Woche am Wochenende selbst loszuziehen und im Raum Norfolk nach hilfsbedürftigen Igeln Ausschau zu halten – in Kompostbehältern, auf Friedhöfen und in kleinen Gassen. Sie machte es sich zur Aufgabe, verletzte, auf Privatgrundstücken gefundene Igel und ausgesetzte Babys zu retten.
„Seit über 80 Jahren steht der Igel unter Naturschutz. Wer eines der Tiere verletzt, tötet oder gar einfängt und behält, macht sich strafbar. Es ist aber erlaubt – und sogar geboten – ein krankes, verletztes, unterernährtes oder verwaistes Tier aufzunehmen. Ist der Igel wieder gesund, muss er zurück in die Natur“, erklärt aware, der Engagement-Dienst von Malteser.
© Ksenia Shestakova
Die Igel wurden zu einer Inspirationsquelle für ihren nächsten Roman
Nach einem Jahr ist Johnsons eigener Garten inzwischen zu einem Zufluchtsort für die Tiere geworden, ausgestattet mit einem Igel-Futterhäuschen, Löchern in den Zäunen, um eine „Igel-Autobahn“ zu schaffen, und einer Wildkamera, um ihr Kommen und Gehen zu beobachten. Die Tiere dienten auch als Inspiration für Johnsons nächsten Roman „Prickly Company“, in dem es um die Geschichte einer Witwe geht, die sich leidenschaftlich für den Bau einer Igel-Autobahn durch die Gärten ihrer Nachbarn einsetzt und dabei deren Geheimnisse entdeckt.
Nur Johnsons Sohn könnte manchmal die Nase voll haben, dass seine Mutter, wenn er sie besucht, nur noch über Igel redet, sagt sie. Er unterstütze sie aber trotzdem bei ihrer neuen Tätigkeit. Wer in Deutschland ein soziales Hobby sucht, hat eine gute Chance, bei dem Malteser-Dienst aware fündig zu werden.
Der Begriff Empty-Nest-Syndrom wurde erstmals 1914 verwendet. In den 1950er Jahren ging man davon aus, dass das Empty-Nest-Syndrom durch den Verlust der Elternrolle ausgelöst wird. Erwiesen ist, dass Eltern, die viele verschiedene Rollen in ihrem Leben bekleiden, einfacher zurück in einen erfüllenden Alltag finden können, wenn sie diese Rollen zum Beispiel durch den Beruf, ehrenamtliches Engagement und Hobbys ausfüllen.
Quelle: „The Guardian“