Mit dem Selbstbewusstsein von zwei Siegen steuert Julian Nagelsmann auf das Gruppenfinale gegen die Schweiz zu. Die Startelf bleibt, wie sie ist. Sorge bereitet nur der Frankfurter Rasen.
Die größte Gefahr vor dem Gruppenfinale um Platz eins gegen die Schweiz ist für Julian Nagelmann nicht gelb, sondern grün. Der schlechte Rasen im Frankfurter EM-Stadion macht dem Bundestrainer größere Sorgen als drohende Sperren. Nagelsmann plant am Sonntag (21.00 Uhr/ARD/Magenta TV) beim Angriff auf den Gruppensieg erneut keine Änderungen in seiner eingespielten Startelf.
„Auf die Gelb-Situation nehme ich keine Rücksicht, weil ich dem Kader vertraue. Die Spieler sollen alles reinwerfen, bis die Regel sie sperrt. Und dann wird ein anderer Spieler reinkommen, der es genauso gut macht“, sagte Nagelsmann. Das heißt: Erstmals seit der WM 2002 unter Teamchef Rudi Völler soll die Fußball-Nationalmannschaft bei einem großen Turnier auch im dritten Turnierspiel mit der gleichen Formation beginnen und den Gruppensieg klarmachen. Und zwar mit einem Sieg.
„Das ist unser Mindset. Wir gehen in jedes Spiel rein und wollen gewinnen. Wir wollen unseren Namen ganz oben sehen“, sagte Jonathan Tah. Der Leverkusener ist einer aus dem mit Gelb vorbelasteten Quartett neben Antonio Rüdiger, Robert Andrich und Maximilian Mittelstädt. Nach zwei Gelben Karten muss ein Akteur bei der EM ein Spiel aussetzen. Im Achtelfinale? Oder in einem möglichen Viertelfinale gegen Spanien? Erst nach der Runde der besten Acht werden einzelne Gelben Karten gestrichen.
10 Geheimnisse Nagelsmann 8.05
Nagelsmann will sich nicht an Spekulationen beteiligen. „Generell ist es auf Nationalmannschafts-Ebene wichtig, dass der Rhythmus beibehalten wird. Wir haben nicht so viel Trainingszeit und Spielzeit gemeinsam“, sagte Nagelsmann. Taktieren will er vor dem Achtelfinale nicht. Den Gegner kennt man spätestens am Dienstag um 23 Uhr nach Abschluss der Gruppenphase. Dann wird man sich auf diesen einstellen, versicherte der 36-Jährige.
Deutschland gegen Schweiz heißt auch: Kroos gegen Xhaka
Ohnehin gilt für Nagelsmann: Erstmal die Schweiz, den aus seiner Sicht schwersten der drei Gruppengegner, der mit einem Überraschungssieg den EM-Gastgeber noch auf Platz zwei stoßen könnte. Die Stimmung bei der Nationalmannschaft passt nicht zu solchen Szenarien. Toni Kroos plauderte auf der Aufwärmrunde ganz entspannt mit Nebenmann Niclas Füllkrug. Und der Sonnenschein beim Abschlusstraining in Franken war Zeichen für die prächtige EM-Laune.
„Zeichen setzen“, nach innen und außen, das ist Nagelsmann Plan auch im dritten Spiel. Und ein Zeichen wird er schon vor dem Anpfiff der Partie auf dem seifigen Rasen im Frankfurter Stadion setzen – mit der Aufstellung.
Deutschland gegen die Schweiz, das ist aber nicht nur ein Spiel um den Gruppensieg, sondern auch eine höchst interessante Kraftprobe der Mittelfeld-Strategen: Toni Kroos (34) kontra Granit Xhaka (31). Beide prägen und lenken das Spiel ihrer Mannschaft. Kein Mitspieler hatte in den ersten beiden Turnierspielen so oft den Ball wie sie. Kroos spielte 233 Pässe, 226 davon kamen an. Xhaka kommt auf 139 Pässe, 123 landeten beim Schweizer Adressaten.
Schottlands Nationaltrainer Steve Clarke bezeichnete beide als „Schlüsselspieler“. Nach der Auftaktniederlage gegen Deutschland haderte er: „Toni Kroos haben wir gar nicht in den Griff bekommen.“ Beim überraschenden 1:1 gegen die Schweiz gelang es seinem Team bei Xhaka etwas besser. Interessant wird auch sein, wie sich Xhaka und DFB-Abräumer Andrich auf dem Platz begegnen. Bei Bayer Leverkusen wurden sie als Mittelfeld-Gespann deutscher Meister und DFB-Pokalsieger. Andrich freilich muss bei Zweikämpfen aufpassen – siehe Gelb-Sperre.
Toni Kroos: „Keiner geht davon aus, dass wir sieben Spiele locker runterspielen“
Kroos ist bislang sehr zufrieden damit, wie seine Abschiedstournee durch Deutschland angefangen hat. Nach der EM beendet der Star von Real Madrid bekanntlich seine Karriere. „Das ist ein Start, wie wir ihn uns erhofft haben. So ging es lange nicht in ein Turnier, dass man nach zwei Spielen sechs Punkte hat“, sagte Kroos. Er will mehr: „Wir sind happy damit, dass wir im Achtelfinale sind. Dennoch wird es darum gehen, Gruppenerster zu werden.“
STERN EM Fußball und Rituale 13.18
Frankfurt, Dortmund, Stuttgart, München, Berlin – das ist die Reiseroute, die sich Kroos für die möglichst noch fünf großen Fußball-Abende in seiner Laufbahn wünscht. Er erwartet dabei weitere Widerstände, auch gegen die Schweiz. „Keiner geht davon aus, dass wir sieben Spiele locker runterspielen“, sagte Kroos. Als Gruppenerster wäre der Zweite der Gruppe C der Gegner im Achtelfinale, also England (4 Punkte), Dänemark (2), Slowenien (2) oder Serbien (1). Darüber will Nagelsmann jetzt noch nicht nachdenken.