Hitze-Hadsch: Warum dieses Jahr hunderte Menschen während der Pilgerreise starben

Das ist selbst Saudi-Arabien nicht gewohnt: Hunderte Menschen starben innerhalb weniger Tage durch die Hitze in dem Wüstenstaat. Die Nachrichten sind schockierend, aber wenig überraschend.

In Saudi-Arabien jagt ein Ausnahmezustand den nächsten. Noch im April versank der Wüstenstaat auf der arabischen Halbinsel in Wassermassen, wie man sie dort lange nicht mehr gesehen hatte. Auf den den Starkregen folgt nun eine erdrückende Hitze. Natürlich ist es in den Sommermonaten in Saudi Arabien immer heiß, liegen die Temperaturen zwischen 25 und 35 Grad. Doch in diesem Jahr gerät das durchschnittliche Maximum zum Minimum. Das Land dörrt unter Rekordtemperaturen von über 50 Grad Celsius vor sich hin.

Das wäre wahrscheinlich weniger dramatisch, wären nicht gleichzeitig Millionen Menschen für ihre traditionelle Pilgerreise nach Mekka geströmt: 1,8 Millionen gläubige Muslime nahmen offiziellen Angaben zufolge an der Wallfahrt Hadsch teil. 1,6 Millionen kamen aus dem Ausland. Das fünftägige Großereignis in Saudi-Arabien gehört zu den fünf Säulen des Islam. Jeder gesunde Muslim, der es sich leisten kann, soll mindestens einmal im Leben nach Mekka pilgern. Der Zeitraum der Reise ist durch den islamischen Kalender festgelegt und fiel in den vergangenen Jahren immer wieder in Hitzeperioden.PAID Tödliche Hitzewellen 16.24

Tödliche Hitze in Mekka deutlich früher als erwartet

Das Jahr 2024 zählt schon jetzt zu den heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Klimaforscher sind sich längst einig: Im Zuge des menschengemachten Klimawandels steigt die Wahrscheinlichkeit für tödliche Hitzewellen weltweit. Griechenland verzeichnet die bisher früheste Hitzewelle, auch die Türkei, Indien und Teile Asiens ächzen unter erbarmungslosen Temperaturen. Mexiko meldete zuletzt über hundert Hitzetote, in den USA beginnt die Waldbrandsaison. Die Wahrscheinlichkeit für extreme Temperaturen ist heute vier Mal höher als noch vor 25 Jahren, heißt es von der Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA). „Wir kennen wahrscheinlich nicht das ganze Ausmaß hitzebedingter Todesfälle, da sie normalerweise nur Monate später bestätigt und gemeldet werden, wenn überhaupt“, teilt die Organisation mit. Dass die Zahl steigt, zeigen erschütternde Beispiele wie der Hadsch.

Innerhalb eines Tages starben Schätzungen zufolge über 500 Menschen in der sengenden Sonne. Die Nachrichtenagentur AFP rechnet nach dem Ende der Hadsch mit mehr als 1000 Toten. Tausende weitere litten unter hitzebedingter Erschöpfung, meldeten die saudi-arabischen Behörden. Für ihre Rituale legen die Pilger zu Fuß weite Strecken unter freiem Himmel zurück. Trinkwasserstationen, Sonnenschirme und Kühlräume konnten die Todesfälle kaum verhindern. Besonders betroffen waren Gläubige, die ohne offizielle Pilgerlizenz am Hadsch teilnahmen. Ohne Registrierung haben sie keinen Zugang zu den gekühlten Erholungsräumen und sind deshalb dauerhaft der Hitze ausgesetzt. 

Rekordtemperaturen gehören traditionell zu der muslimischen Pilgerreise. Laut einer aktuellen saudi-arabischen Studie steigen die Werte jedes Jahrzehnt um 0,4 Grad an. Im Worst-Case-Szenario bedeutet das ein Plus von fünf Grad zum Ende des Jahrhunderts. Manche Regionen der Arabischen Halbinsel könnten dann unbewohnbar sein. In diesem Jahr dürften die Temperaturen in Mekka und Medina rund 1,5 bis zwei Grad über dem Normalwert liegen, rechnete der Leiter des saudischen Meteorologie-Zentrums im Vorfeld der muslimischen Wallfahrt aus. Der geschätzte Wert von 44 Grad Celsius wurde allerdings mancherorts weit übertroffen.Alarmierender Klimabericht für Europa: Rekord bei extremem Hitzestress 16:40

Damit wurden auch die Befürchtungen mancher Klimawissenschaftler übertroffen. In einer Studie aus dem Jahr 2016 schätzten Forscher, dass das Risiko für extrem gefährliche Hitze zwischen 2045 und 2052 um 20 Prozent und zwischen 2079 und 2086 um 40 Prozent steigen könnte. Weit früher könnten die Temperaturen zumindest gesundheitsgefährdend sein, mahnten die Forscher. Das Jahr 2024 zeigt aber: Die Temperaturen sind bereits jetzt tödlich.

Saudi-Arabiens widersprüchliche Klimapolitik

Um Schlimmeres zu verhindern, muss die grüne Wende schleunigst umgesetzt werden, mahnen Klimawissenschaftler seit Jahren. Solange weiterhin fossile Energieträger verbrannt und klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt werden, steigt auch das Risiko für Hitzetote wie beim Hadsch weiter an. Emissionen müssen deshalb verringert werden.

Saudi-Arabien plant, bis 2060 klimaneutral zu sein. Schon jetzt setzt das Land, das zu den wichtigsten Öl-Exporteuren weltweit gehört, stärker auf erneuerbare Energien. Bestimmte Regionen sollen begrünt und Energie aus Wasserstoff gewonnen werden. Für die Maßnahmen werden jedoch Unmengen an Wasser benötigt – eine Ressource, die in dem Wüstenstaat ohnehin knapp ist.

Allerdings sind einige Folgen des menschengemachten Klimawandels schon jetzt unumkehrbar. Den Staaten bleibt deshalb kaum etwas anderes übrig, als sich an Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen anzupassen. Was das für die muslimischen Pilger bedeutet, bleibt allerdings abzuwarten.

Quellen: Journal of Travel Medicine„, Springer Link, Kaust Report on Climate Change in Saudi Arabia, Hajj & Umrah Planner, Nachrichtenagenturen DPA und AFP