Eigentlich ist Vizekanzler Robert Habeck auf dem Weg nach China. Vorher muss er dringend noch so einiges in Südkorea erledigen.
Irgendwo dort hinten im Dunst, hinter Wäldchen und Hügeln liegt angeblich Nordkorea, das Reich des Bösen. Doch trotz all der Checkpoints mit den vielen Soldaten lässt es sich allenfalls erahnen, weil die Pressevertreter, die den Minister begleiten, aus Sicherheitsgründen im etwa 2,5 Kilometer von der Grenze entfernten Besucherzentrum ausharren müssen.
Doch, doch, Robert Habeck hat Zeit. Eigentlich ist die Reisegruppe des Wirtschaftsministers schon seit Mittwoch auf dem Weg nach China, aber vorher ist eben ein ausgiebiger Stopp in Korea geplant.
Also schaut man einen, nun ja, Informationsfilm, überfliegt Schautafeln und Vitrinen, und erfährt hinterher immerhin, dass der Vizekanzler eine jener drei blauen Baracken besichtigt hat, in der Vertreter Nord- und Südkoreas vor nunmehr 71 Jahren den Waffenstillstand vereinbart hatten. Die Baracke steht exakt auf dem 38. Breitengrad, der bis heute die Demarkationslinie bildet – und die als Pinselstrich quer über den Konferenztisch verläuft.
China: Habecks erster Besuch
Die verschärfte Sicherheitslage, gerade nach Putins Besuch drüben bei Diktator Kim, dem ersten seit 24 Jahren – all das habe sich für ihn hier an dieser besonderen Grenze „noch einmal materialisiert“, erklärt Habeck nach seiner Rückkehr von der stillen Front. Die einstmals blutigen Kämpfe, die bis heute schmerzhafte Teilung des Landes, all das habe ihn auch „an die Geschichte unseres Landes erinnert“.
Natürlich seien seine Tage „geprägt eigentlich von wirtschaftspolitischen Gesprächen“, davon „vor allem dem deutschen Mittelstand weitere Zugänge zum südkoreanischen Markt zu organisieren“, sagt Habeck. Und doch lebt diese Reise in gewisser Weise von der Erwartung, wie das wohl so wird mit dem Minister und China.
19: Sechs Probleme die Habeck in China erwarten – ddeebc893149478d
Aber Habeck nimmt sich Zeit. Er besucht den Gyeongbokgung-Palast – zu deutsch „Palast der strahlenden Glückseligkeit“, er begutachtet im Zentrum für Nano-Quantentechnik Raumschiff-artige Rastertunnelmikroskope und führt natürlich wichtige politische Gespräche. Es hatte kurzfristig ein paar Änderungen im Ablauf der Reise gegeben, nun wirkt es gerade so, also wolle der Vizekanzler den Besuch bei Deutschlands größtem Handelspartner auf den letzten Metern immer noch ein bisschen weiter hinauszögern.
Mehr als 2,5 Jahre ist Habeck nun im Amt – kein einziges Mal war er bisher zu Besuch in China. Noch länger zu warten, wäre einem diplomatischen Affront gleichgekommen, aber man darf davon ausgehen, dass die Chinesen die Botschaft auch so verstanden haben. Sie fügt sich ein in das neue Verhältnis dieser Deutschen zu ihnen, so wie diese es in ihrer China-Strategie formuliert haben.
Südkorea gilt als „like-minded“
Sicher, da war zunächst noch die Corona-Pandemie. Und, na klar, immerhin in Singapur ist dieser Robert Habeck schon gewesen auf dem großen deutsch-pazifischen Wirtschaftsforum. Spätestens seit dieser Konferenz im November 2022 ist jedoch auffällig oft vom De-Risking die Rede. Statt sich weiter blind in zu große Abhängigkeit vom attraktiven, aber eben leider auch unberechenbaren Riesen China zu begeben, rief Habeck die deutsche Wirtschaft dazu auf, zu diversifizieren.
Nur wohin? Bei der Suche nach Antworten auf diese Frage fällt immer wieder auch der Name Südkorea. Deutschlands zweitgrößter Handelspartner auf dem asiatischen Kontinent hat einen großen Vorteil, er ist „like-minded“, von einem „Wertepartner“ ist immer wieder die Rede, einem demokratischen Rechtsstaat mit Meinungs- und Pressefreiheit.
Eine Art fernöstliches Deutschland – das leider auch „mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen hat“: eine alternde Gesellschaft mit geringer Geburtenrate und zunehmendem Fachkräftemangel, hinzu kommen vergleichsweise hohe Kosten, weshalb die heimische Industrie Teile ihrer Produktion längst nach Vietnam verlegt hat. Und nicht zuletzt ist Südkoreas Wirtschaft schon aufgrund der räumlichen Nähe noch stärker von China abhängig als die deutsche.
Robert Habeck will nicht als Bittsteller nach China kommen
Habeck wirbt natürlich trotz allem dafür, die Beziehungen weiter auszubauen. Aber er macht schon in Südkorea deutlich, dass er nicht als Bittsteller nach China reisen wird. Ab Samstag wird er nun in Peking politische Gespräche führen mit allem, was Rang und Namen hat, darunter diverse Minister von Industrie bis Handel, womöglich sogar Ministerpräsident Li Qiang.
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Im Fokus der Gespräche, mindestens der Aufmerksamkeit, wird jedoch der eskalierende Handelskonflikt zwischen China und der Europäischen Union stehen. China flutet, sehr zum Ärger heimischer Hersteller, die Märkte Europas mit hochsubventionierten Produkten zu Dumpingpreisen. Im Falle von Elektroautos hat die EU-Kommission darum kürzlich angekündigt, ab Anfang Juli zusätzliche Ausgleichszölle bis zu 38 Prozent zu erheben.
Habeck ist kein Freund solcher Maßnahmen, er sieht die Gefahr einer schädlichen Spirale aus Zöllen und Gegenmaßnahmen, die letztlich in einem für beide Seite schädlichen Handelskrieg enden könnte. China hat bereits angekündigt, auf mögliche Autozölle seinerseits mit Importbeschränkungen für europäisches Schweinefleisch zu reagieren. Und schon zeigt sich, was Habeck meint, wenn er sagt, das Verhältnis zwischen China und der EU habe sich in den letzten Jahren „immer komplexer“ entwickelt – und das sei „noch die höfliche Formulierung“.
Schnelle Lösungen kann auch Habeck nicht versprechen, nur die vage Aussicht, dass es in nächster Zeit „lösungsorientierte Formate“ geben könnte. Die Vorzeichen seien „anspruchsvoll“. Immerhin sei Deutschland als Autoland jedoch in einer besonderen Position, er könne darum die chinesische Seite nur ermutigen, miteinander zu reden, „es nicht eskalieren zu lassen“ und zu sagen „ach, komm, jetzt geht’s den Bach runter, hauen wir uns auf die Mütze“. Viel hoffnungsvoller klingt selbst Habeck an diesem Tag nicht.