Energiewende: Tennet-Deal geplatzt – danke dafür, Christian Lindner!

Der Deal mit Tennet ist gescheitert: In letzter Minute verhindert die FDP in der Koalition, dass der Bund wichtige Stromübertragungsnetze zurückkaufen kann. Das schadet Stromkunden – und vor allem dem Klima. 

Man ist manch überflüssigen Streit gewohnt von der Ampel. Viele Zankereien nerven, lassen sich aber als einfache Politik-Spielchen verbuchen. Etwas anders gilt für den jüngsten Zwist: Die FDP verhinderte in letzter Minute, dass der Bund das deutsche Stromübertragungsnetz vom niederländischen Anbieter Tennet kauft. Nach zwei Jahren Verhandlung! Mit diesem Veto gefährden die Liberalen langfristig sowohl die deutsche Energieversorgung als auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes. Ihr Nein, verordnet von Finanzminister Christian Lindner, dürfte die Nation bei der Energiewende heftig ausbremsen.

Worum geht es? Tennet betreibt einen Großteil des deutschen Höchstspannungsnetzes, rund 14.000 Kilometer Leitungen, vor allem im Norden, dort, wo sich im Meer und an den Küsten immer mehr Windräder drehen. Weil in dieser Region viel mehr Strom produziert als verbraucht wird, muss die Energie dorthin abfließen, wo sie gefragt ist. Dafür werden Stromautobahnen gebraucht. Tennet ist deshalb auch am Bau von „Suedlink“ beteiligt, einer der großen Stromtrassen, über die der Windstrom in die südlichen Wirtschaftsräume transportiert werden soll, wo grüner Strom noch Mangelware ist.

Die Finanzierung des Netzausbaus steht auf dem Spiel

Das Problem: Tennet, zu 100 Prozent niederländischer Staatskonzern, zeigt immer weniger Lust, neue Milliarden Euro in sein Nachbarland zu investieren; rund 100 Milliarden Euro würde es das Unternehmen kosten, die Energiewende zu schaffen. Deswegen war geplant, dass der Bund das Netz für rund 20 bis 25 Milliarden Euro übernimmt, später größtenteils an einen Infrastrukturfonds weiterverkauft, aber stets eine Sperrminorität behält. Auf diese Weise sollte die Finanzierung des Netzausbaus gesichert werden.STERN PAID 13_24 Energiewende 12:59

Die Idee war goldrichtig. Stromnetze gehören zur Daseinsversorgung eines Staates. Sie sollten deshalb dem Staat gehören oder zumindest unter seiner Kontrolle stehen. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Infrastruktur mit höchster finanzieller Effizienz funktionstüchtig gehalten wird. Für dieses Ziel hat sich neulich Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, die die Versorgung sicherstellen muss, deutlich ausgesprochen. 

Höchstspannungsnetze gehören in Staatshand

In anderen Ländern wie Frankreich ist das selbstverständlich. Hier betreibt der Staat die Netze selbst, und zwar mit Erfolg. Diese Vorbilder vor Augen, plante die vorherige Bundesregierung die Gründung einer „Deutsche Netz-AG“, die sämtliche Stromübertragungsnetze unter staatliche Kontrolle stellen sollte. Dafür sollten Beteiligungen an den vier Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW erworben werden. Diese Idee kann die Ampel nach dem FDP-Veto nun erst einmal begraben. 

Lindner hat die Staatsräson einer aufgesetzten Sparpolitik geopfert, die nur darauf abzielt, seine FDP als Supersparer und ordnungspolitischen Wächter zu positionieren, um sie so bei den nächsten Wahlen aus dem Prozente-Sumpf zu ziehen. Klug geht anders. Lindner hätte nicht einmal die Schuldenbremse für den Tennet-Kauf lockern müssen. Die staatliche Förderbank KfW hätte das nötige Geld an internationalen Finanzmärkten über Anleihen aufgenommen und die Netze im Auftrag des Staates erworben. Man könnte monieren, dass auf diese Weise versteckt neue Staatsschulden verursacht werden, weil der Bund diesen KfW-Deal finanzieren und dafür bürgen würde. Aber das wäre angesichts der dringenden Aufgabe des Netzausbaus zu verkraften gewesen.

Gescheiterter Tennet-Deal: Verbrauchern und Unternehmen drohen höhere Stromkosten

Jetzt soll das Tennet-Netz ganz oder teilweise an Privatinvestoren fallen bzw. an die Börse gehen. Das ist vor allem für Verbraucher eine schlechte Nachricht. Investoren steigen nur ein, wenn sie hohe Gewinne erwarten können. Diese erzielen sie über die sogenannten „Netzentgelte“, die sich im Strompreis verstecken. Die Netzentgelte treiben schon heute die Stromtarife auch über die Maßen in die Höhe, weil die Betreiber hohe Renditen erwirtschaften dürfen. Dieser Trend dürfte sich unter neuen Privatinvestoren noch verschärfen. Folge: Der ökologische Umbau durch E-Autos, Wärmepumpen und grüne Industrieanlagen wird sich weiter verzögern. Stromkunden werden also leiden – und noch mehr das Klima. Danke dafür, FDP!