Statt um riesige Kreuzfahrtschiffe geht es in der Diskussion um die Meyer Werft im Moment um riesige Kredite: Muss die Politik den Schiffbauer von Weltrang retten?
Die um ihre Existenz kämpfende Meyer Werft kann auf Unterstützung aus Niedersachsens Landespolitik hoffen. Parteiübergreifend sagten Minister und Landtagsabgeordnete von SPD, CDU und Grünen am Mittwochabend bei einem Krisentreffen mit der Gewerkschaft IG Metall, dem Betriebsrat und der Geschäftsführung der Meyer Werft zu, sich um eine Rettung zu bemühen.
„Wir kämpfen jetzt zusammen um einen Neustart für die Werft„, sagte Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Allerdings werde Niedersachsen die Probleme alleine nicht lösen könne, betonte Finanzminister Gerald Heere (Grüne). Er appellierte an die Bundesregierung und das Unternehmen: „Für eine echte Zukunftsperspektive der Meyer Werft brauchen wir dringend die Unterstützung des Bundes und eine zukunftsfähige Konzernstruktur.“
CDU-Fraktionsvize Ulf Thiele sagte, ohne eine zeitweise staatliche Unterstützung werde es nicht möglich sein, der Werft eine dauerhafte und sichere Zukunft zu geben. „Davon hängt die Zukunft des deutschen Schiffbaus ab. Davon hängt die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Emsregion ab. Und davon hängt die Existenz Tausender Familien ab“, sagte Thiele.
Meyer Werft muss Lücke von 2,7 Milliarden Euro füllen
Die Meyer Werft ist einer der weltweit führenden Hersteller von Kreuzfahrtschiffen und damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Niedersachsen. Die Auftragsbücher des Unternehmens sind voll – allerdings muss die Werft wegen Nachwirkungen der Corona-Pandemie und Preissteigerungen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine bis 2027 eine große Finanzierungslücke von 2,7 Milliarden Euro schließen.
Die Verträge für die Kreuzfahrtschiffe waren zum Teil vor der Pandemie abgeschlossen worden und sehen keine Anpassung an die drastisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise vor. Die Werft bekommt rund 80 Prozent des Kaufpreises zudem erst bei der Ablieferung und muss den Bau mit Krediten zwischenfinanzieren.
Nach Informationen der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ soll für die Rettung nur noch nur drei Monate Zeit bleiben, da Mitte September eine Umfinanzierung von Krediten anstehe. Wirtschaftsminister Lies zufolge geht es in der Diskussion um eine Erhöhung des Eigenkapitals sowie die Absicherung von Krediten mit Bürgschaften.
Sanierungsexperte will 440 Stellen streichen
Der Betriebsratschef der Meyer Werft, Andreas Hensen, forderte nach dem Krisentreffen mit der Landespolitik und der Geschäftsführung, es dürfe jetzt keinen monatelangen Verhandlungspoker geben. „Die Beschäftigten erwarten möglichst schnell positive Entscheidungen für eine sichere Zukunft“, sagte er. Für die Meyer Gruppe arbeiten insgesamt rund 7000 Menschen, davon sind etwa 3000 Stellen in Papenburg. Weitere Werften stehen in Rostock und im finnischen Turku.
Der Sanierungsexperte Ralf Schmitz, den die Werft im Frühjahr in die Geschäftsführung geholt hatte, lobte laut Gewerkschaft ein konstruktives Miteinander bei dem Treffen, „auch wenn wir wissen, dass noch ein Weg zu gehen ist, bis mittel- und langfristige Lösungen gefunden sind“. Anfang Juni hatte Schmitz seine Absicht bekanntgegeben, 440 Stellen in Papenburg zu streichen. Das stieß auf den Widerstand von Betriebsrat, IG Metall und Landesregierung.
Kritik am Unternehmenssitz in Luxemburg
In den Tagen vor dem Krisengipfel hatte die Landesregierung bereits Erwartungen formuliert, was die Werft für eine Unterstützung zu tun habe. So sagte Wirtschaftsminister Lies im Landtag, als international tätiger Konzern müsse Meyer auch entsprechende Strukturen haben: „Es braucht einen mitbestimmenden Aufsichtsrat, es braucht eine Konzernstruktur.“ Was nicht gehe, sei eine pauschale Botschaft des Unternehmens, dass sich die Zukunft nur mit dem Abbau von Stellen sichern lasse.
Für Diskussionen sorgte in dem Zusammenhang auch der Sitz der Meyer-Holding in Luxemburg. Man erwarte, dass das Unternehmen seinen Sitz nach Deutschland zurückverlege, hatte Lies gesagt. Die Entscheidung für Luxemburg hatte die Meyer Werft 2015 getroffen, um keinen Aufsichtsrat einrichten zu müssen – denn mit einem Aufsichtsrat könne er nicht so schnell und flexibel über neue Aufträge verhandeln wie bisher, so die Argumentation des damaligen Firmenchefs Bernard Meyer.
In Papenburg ist die Sorge um das wirtschaftliche Aushängeschild derweil groß. Bürgermeisterin Vanessa Gattung von der SPD erklärte auf Anfrage der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ schriftlich, wie groß die Bedeutung der Werft für viele Menschen in der Region sei. „Insofern ist auch insgesamt eine Verunsicherung wahrzunehmen“, schrieb sie.
„HAZ“-Bericht „NOZ“-Bericht