Kaufkraftbereinigt ist Chinas Wirtschaft ein Viertel größer als die der USA. Die „Asia Times“ sagt, in Wirklichkeit sei Chinas Vorsprung viel größer. Im Westen wird das Bruttosozialprodukt systematisch sehr großzügig und in China sehr konservativ berechnet.
Beim nominellen Bruttoinlandsprodukt liegen die USA vor China. Berücksichtigt man jedoch das unterschiedliche Preisniveau der Länder, sieht es anders aus: Beim kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt hat China die USA überholt – es ist etwa 25 Prozent größer. Allerdings bei etwa fünfmal so großer Bevölkerung. Aber stimmen die Zahlen überhaupt? Die „Asia Times“ fragt: Wie groß ist Chinas Wirtschaft tatsächlich?
Die 25 Prozent plus gegenüber den USA sind ein deutlicher Anstieg. Zuvor lag der Wert bei etwa sechs Prozent. Für das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt muss das Preisniveau in einem Land ermittelt werden. Das geschieht nicht jedes Jahr; der Prozess ist sehr aufwändig. Die nun verwendeten Daten stammen aus dem Jahr 2021 – dafür wurden von der Weltbank die Preise in 16.000 chinesischen Geschäften erhoben. Das chinesische Statistikamt hat das Plus eher heruntergespielt, aber gleichzeitig patriotisch die neue Stärke gefeiert.
China in Kennzahlen weit vor den USA
Die „Asia Times“ hat keine eigene Untersuchung gestartet. Sie weist allerdings auf Punkte hin, die die offiziellen Zahlen in Frage stellen. Diese deuten darauf hin, dass die chinesische Volkswirtschaft weit stärker als angenommen ist. In China wurden 2023 26 Millionen Fahrzeuge verkauft, in den USA 15,5 Millionen – das sind 68 Prozent mehr. Bei Smartphones waren es 300 Prozent. Die Chinesen verzehrten doppelt so viel Rindfleisch und achtmal so viel Fisch und Meeresfrüchte. Für Luxusgüter gaben sie das Doppelte aus. Die Liste ließe sich endlos verlängern. China erzeugte doppelt so viel Strom wie die USA, produzierte fast 13-mal so viel Stahl und 22-mal so viel Zement.
Bei Flugreisen liegen die USA knapp vorn – aber nicht mehr, wenn man die drei Milliarden Reisen der Chinesen mit ihren Hochgeschwindigkeitszügen in die Waagschale wirft. Die Folgerung des Blattes: „Es wirkt schon auf den ersten Blick absurd, dass Chinas Produktion und Konsum, die ein Vielfaches des US-Niveaus betragen, auf nur 125 Prozent des US-amerikanischen BIP nach Kaufkraftparität heruntergerechnet werden.“
Der chinesische Riese erscheint kleiner, als er ist
Die „Asia Times“ nimmt an, dass die Diskrepanz in der Erhebung der Daten liegt. Das chinesische Amt für Statistik arbeitet sehr konservativ. Hier wird vor allem die Produktion von Gütern erfasst („Material Product System“, MPS) und die von Dienstleistungen vernachlässigt. Das führt zu dem politisch erwünschten Effekt, dass der chinesische Riese kleiner erscheint, als er wirklich ist. Im Grunde beruht diese Wertung auf einer grundlegend anderen Einschätzung wirtschaftlicher Prozesse. Die leninistische Führung betrachtete Dienstleistungen als notwendige Kosten und Begleitumstand der Produktion von Gütern, nicht jedoch als eigene Wertschöpfung.
Verboten ist das nicht. Länder haben einen großen Spielraum in diesen Berechnungen. Das macht nur den Vergleich zwischen Ländern schwierig. Während Peking sich runterrechnet, gibt es im Westen den gegenteiligen Effekt. Großbritannien lässt sogar illegale Drogen und Prostitution einfließen. In China denkt dagegen niemand daran, die dortige Mode, sich einen Partner zum Ausgehen zu mieten, in die Berechnung des BIP einfließen zu lassen.
Folgt man der „Asia Times“ hat der unterschiedliche Ansatz zwei Folgen: Dienstleistungen, ob nun anrüchig oder bieder, existieren in China genauso wie in anderen Ländern. Nur bleibt der Dienstleistungsanteil der chinesischen Wirtschaft in der Statistik unsichtbar. Das ist aber nur der primäre Effekt, viel explosiver könnte ein zweiter Effekt sein.
Wachstum nur mit Güterproduktion
Die „Asia Times“ weist darauf hin, dass Industriegüter nicht der Hauptpreistreiber der letzten Jahre gewesen sind. Im Gegenteil. In China, aber auch im Westen sinken die Preise für zahlreiche Güter – etwa von Elektroautos, sowie von Heim- und Unterhaltungselektronik. Aber auch Solaranlagen und Heimspeichersysteme werden billiger. Im Westen hingegen steigen die Kosten für zentrale Dienstleistungen wie Mieten, Gesundheitsvorsorge, Pflege und je nach Land auch für Ausbildung und Kinderbetreuung.
Wieder zeigt sich, dass ein Wachstum des BIP nicht unbedingt zur Lebensqualität beiträgt. Hohe Mieten und Unikosten erhöhen das volkswirtschaftliche Volumen, aber machen Studenten und Mieter nicht glücklicher. „Während die notwendigen Dienstleistungen einen immer größeren Anteil westlicher Volkswirtschaften einnehmen, scheint ihr Wachstum nicht zu einer spürbaren Verbesserung des Lebensstandards zu führen“, schreibt die „Asia Times“.
Das Kernproblem: Chinas Wirtschaftswachstum basiert auf der Güterproduktion, das Wachstum des Westens auf der Preisentwicklung im Dienstleistungssektor. Der Autor, Han Feizi, schätzt, dass Chinas Volkswirtschaft etwa 25 bis 40 Prozent größer anzusetzen wäre, wenn man die gleichen Berechnungsmethoden wie im Westen verwendet.
Quelle: Asia Times