EU-Sondergipfel: Von der Leyen muss sich weiter gedulden

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss sich weiter gedulden: Der Brüsseler Sondergipfel zu den europäischen Spitzenposten endete in der Nacht zu Dienstag ohne Einigung auf eine zweite Amtszeit für die 65-Jährige. Klarheit wird erst beim regulären EU-Gipfel ab nächste Woche Donnerstag erwartet. Die Konservativen setzen nun auf klärende Gespräche mit Sozialdemokraten und Liberalen. Die Grünen im Europaparlament kritisierten das „Postengeschachere“.

Die Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Terry Reintke, äußerte sich im Deutschlandfunk „enttäuscht“ über das Treffen der Staats- und Regierungschefs. Wenn nun wieder das „Postengeschachere“ losgehe, gefährde dies die Handlungsfähigkeit der EU.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), äußerte sich dagegen positiv über den Gipfel: „Unsere Spitzenkandidatin, mit der wir transparent in die Wahl gegangen sind, hat da viel Unterstützung bekommen“, sagte er im Deutschlandfunk.

Mit von der Leyen als europaweite Spitzenkandidatin war die EVP um CDU und CSU bei den Europawahlen vor gut einer Woche mit Abstand stärkste Kraft geworden. Die EVP beansprucht deshalb für weitere fünf Jahre die EU-Kommissionsspitze für die frühere Bundesverteidigungsministerin. 

Die Sozialdemokraten kamen bei den Wahlen mit leichten Verlusten auf den zweiten Platz und wollen den Posten des EU-Ratspräsidenten neu besetzen, den derzeit der Belgier Charles Michel innehat. Sie haben dafür den früheren portugiesischen Regierungschef António Costa vorgeschlagen.

Die Liberalen wurden mit deutlichen Verlusten drittstärkste Kraft und hoffen auf das Amt des EU-Außenbeauftragten, den mancher Diplomat als „Trostpreis“ sieht. Dafür ist die estnische Regierungschefin Kaja Kallas im Gespräch.

Weber sagte, Costa und Kallas seien „in der EVP positiv aufgenommen“ worden. Sie stünden „für Kontinuität, für Substanz“. Zudem gebe es mit den Kandidaten aus Süd- und Osteuropa eine gute regionale Balance. Das Wichtigste sei nun, „dass wir nicht im Personalchaos enden, sondern uns jetzt um die Inhalte kümmern“, betonte er.

Bei dem Gipfel gab es viel Zuspruch für von der Leyen: Eine Reihe von Staats- und Regierungschefs bescheinigten der CDU-Politikerin öffentlich, in den vergangenen fünf Jahren einen „sehr guten Job“ gemacht zu haben – darunter auch solche, die nicht dem bürgerlichen Lager angehören.

Während die 65-Jährige damit auf grünes Licht der Mitgliedsländer für eine zweite Amtszeit hoffen kann, wurde überraschend um den Posten des EU-Ratspräsidenten gefeilscht. Nach Angaben aus mehreren Delegationen erhoben die konservativen Staats- und Regierungschefs ebenfalls Anspruch auf das Amt – zumindest für die Hälfte der fünfjährigen Legislatur. Offenbar hat der kroatische Regierungschef Andrej Plenkovic Interesse an dem Posten. 

Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola wurde beim Gipfel als mögliche Ratspräsidentin genannt. Zunächst will die 45-jährige Malteserin allerdings weitere zweieinhalb Jahre an der Spitze des Europaparlaments bleiben. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vor dem Gipfel Hoffnung auf eine Einigung „in kürzester Zeit“ geäußert. Für seine Rückendeckung für von der Leyen stellte er erneut eine Bedingung: „Im Parlament darf es keine Unterstützung der Kommissionspräsidentschaft geben, die sich auf rechte und rechtspopulistische Parteien stützt“, sagte er.

Denn selbst wenn es kommende Woche beim EU-Gipfel eine schnelle Einigung auf von der Leyen geben sollte, ist dies noch kein Selbstläufer: Im Europaparlament benötigt sie die Unterstützung von 361 der 720 Abgeordneten. Frühestmöglicher Termin für ihre Wahl ist die konstituierende Sitzung des EU-Parlaments Mitte Juli in Straßburg.