War das der Start in ein neues Sommermärchen? Das 5:1 gegen Schottland löst in Deutschland EM-Euphorie aus, auch wenn es nur ein „erster Schritt“ war. Aber einer, der allen guttut.
Das tat allen gut. Den Nationalspielern, dem Bundestrainer und natürlich auch den Millionen Fußball-Fans im ganzen Land.
Die erste große EM-Party beim 5:1 (3:0) gegen Schottland weckt nach den drei Murks-Turnieren 2018, 2021 und 2022 Hoffnungen und Träume – von einem wunderschönen Fußball-Sommer mit dem DFB-Team, der im Idealfall bis zum 14. Juli dauert, dem Tag des Endspiels in Berlin.
„Das ist ein überragender Auftakt zu dem, was wir am Ende haben wollen – ein Sommermärchen“, sagte Torschütze Niclas Füllkrug in der Münchner Arena in Erinnerung an das Original bei der Heim-Weltmeisterschaft vor 18 Jahren. Bundestrainer Julian Nagelsmann sprach von „einem guten und wichtigen Schritt“. Aber wie seine Spieler auch machte er einen bedeutsamen Zusatz: Es sei halt nur „der erste Schritt“ gewesen.
„Das ist ein Fundament, auf dem wir aufbauen können“, sagte Nagelsmann mit Blick auf die zunächst folgenden weiteren Gruppenspiele gegen Ungarn und die Schweiz. Der torreiche Auftakt gegen Schottland hatte viele Sieger – und einige besonders große Gewinner.
Der Bundestrainer
Julian Nagelsmanns radikale Neuausrichtung im EM-Jahr ist beim Eröffnungsspiel voll aufgegangen. Der Kaderumbau, die klare Rollenverteilung, die frühzeitige Festlegung auf eine Wunschelf und nicht zuletzt die Rückholaktion von Toni Kroos haben etwas bewegt in einer Mannschaft, die notorisch erfolglos war und die Fans zeitweise verloren hatte.
Team und Trainer finden zu einer verschworenen Einheit zusammen. „Als Cheftrainer musst du Energie geben. Und die Mannschaft gibt mir viel Energie zurück“, sagte Nagelsmann glücklich und stolz nach seinem bislang wichtigsten Sieg. Der war für ihn, wie er betonte, ein Produkt der Gemeinschaft und nicht vor allem einiger herausragender Einzelkönner.
„Die Gemeinschaft soll die Massen emotionalisieren. Und die Gemeinschaft hat das Spiel gewonnen. Und die Gemeinschaft hat dafür gesorgt, dass Fußball-Deutschland noch ein Stück mehr an uns glaubt, als das vor dem Spiel der Fall war“, sagte er. Auch an ihn glauben nach diesem Knallstart ins Turnier sicherlich noch mehr.
Die Offensive
Die Effektivität vor dem gegnerischen Tor war in jüngerer Vergangenheit oft ein Makel des DFB-Teams. Ein Dauerthema. Gegen Schottland waren gerade die Offensivspieler richtig scharf. „Es war wichtig, dass wir viele Tore geschossen haben, auch verteilt“, sagte Nagelsmann nach den Treffern der Offensivkräfte Florian Wirtz, Jamal Musiala, Kai Havertz (Foulelfmeter) und Niclas Füllkrug sowie von Mittelfeldspieler Emre Can. „Den Flow wollen wir mit ins nächste Spiel nehmen“, sagte der herausragende Musiala.
Der Kapitän
Viel war in der Turniervorbereitung über Ilkay Gündogan geredet und geschrieben worden. Die Rolle des 33-Jährigen wurde hinterfragt, sogar seine Position auf Dauer in der Startelf. Der Kapitän gab die Antwort gegen Schottland auf dem Platz mit vielen starken Aktionen.
Er leitete unter anderem das 2:0 mit einem tollen Pass auf Kai Havertz ein. Vor dessen Tor zum 3:0 holte er den Foulelfmeter und die Rote Karte heraus. „Ich bin froh, dass ich heute der Bessermacher sein durfte für die Nebenleute“, sagte Gündogan nach seinem 78. Länderspiel, das auch ein Statement in eigener Sache war. „Ich freue mich extrem über Ilkays Leistung“, bemerkte Nagelsmann. Ihm bleibt eine lästige Debatte erspart.
Die Fans
Es waren gerade 21 Minuten gespielt und Deutschland führte 2:0, da stimmten die deutschen Anhänger erstmals „Oh, wie ist das schön“ an. Nach drei vermurksten Turnieren seit 2018 herrschte lange keine EM-Vorfreude im Land des viermaligen Weltmeisters und dreimaligen Europameisters. Zeitweise gab es gar eine Entfremdung zwischen Fans und Nationalelf.
Dabei will das Publikum seine neuen Lieblinge wie Musiala und Wirtz nur zu gerne feiern. Und die Spieler wollen gemeinsam mit den Zuschauern dieses Heimturnier genießen. „Es war eine geile Nummer mit den Fans im Rücken“, sagte der Dortmunder Can. In den Fanzonen, vor den Fernsehern, überall wurde dieser EM-Auftakt gefeiert. In der Münchner Arena waren die Menschen nach dem Schlusspfiff „völlig losgelöst“, als Major Tom aus den Lautsprechern dröhnte. „Es macht super viel Spaß mit der Truppe“, sagte Nagelsmann. Den Fans auch.