Bei der Aufarbeitung des Cum-Ex-Steuerskandals ist der Hamburger Bankier Christian Olearius einer der bekanntesten Angeklagten. Der Prozess gegen ihn steht nun vor dem vorzeitigen Ende.
Der Cum-Ex-Strafprozess gegen den Hamburger Bankier Christian Olearius (82) soll wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten eingestellt werden. Das habe die Staatsanwaltschaft beantragt, wie das Bonner Landgericht am Freitag mitteilte. Hintergrund hierfür ist ein vom Gericht eingeholtes medizinisches Gutachten, dem zufolge der Angeklagte einen so schlechten Gesundheitszustand hat, dass die Verhandlungstage künftig maximal 45 Minuten dauern dürften. Bei so einem Zeitpensum würde die noch ausstehende Beweisaufnahme nach Schätzung der Ankläger bis zu 120 Verhandlungstage dauern – dies wäre dem Angeklagten auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft angesichts der gesundheitlichen Risiken nicht zuzumuten.
Olearius hat unter anderem Blutdruckprobleme, bei den vergangenen Verhandlungstagen war auf Anordnung des Gerichts stets ein Notarzt im Saal anwesend. Laut Mitteilung des Gerichts vom Freitag hat die Staatsanwaltschaft zudem beantragt, das Strafverfahren in ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten und die Einziehung von Erträgen aus Straftaten in Höhe von rund 43 Millionen Euro anzuordnen. Die Verteidigung habe sich dem entgegengestellt. Sie fordere einen Freispruch und nur hilfsweise eine Einstellung des Prozesses. Der Prozess soll am kommenden Mittwoch fortgesetzt werden.
Olearius ist angeklagt wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung. Er hatte im Prozess seine Unschuld beteuert und sich auf seine Unwissenheit berufen. „Ich habe weder wissentlich noch willentlich an strafbaren Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt“, hatte er in Bonn ausgesagt. Er sei vielmehr von legalen Aktienkaufverträgen ausgegangen. „Eine Schädigung des Staates lag mir fern.“
Der Cum-Ex-Betrug mit illegalen Aktiendeals gilt als größter Steuerskandal der Bundesrepublik. Dabei wurden Papiere mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenansprüche in kurzer Zeit zwischen Finanzakteuren hin- und hergeschoben. Am Ende erstattete der Fiskus Banken, Aktienhändlern und Beratern unwissentlich Kapitalertragssteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem deutschen Staat soll durch die Geschäfte von insgesamt rund 1700 Beschuldigten ein Schaden geschätzten zehn Milliarden Euro entstanden sein.
Aus Tagebucheinträgen von Olearius ging hervor, dass er sich dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser noch Bürgermeister von Hamburg war. Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar. Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Forderung fallenließ und die Ansprüche daraufhin nach damaliger Rechtslage verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang bestand zwischen den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine politische Einflussnahme aus, beruft sich bei der Frage nach dem genauen Inhalt der Gespräche aber auf Erinnerungslücken.