600 AfD-Delegierte wollen sich in zwei Wochen zum Bundesparteitag in Essen treffen. Doch die Messe hat den Mietvertrag gekündigt. War das rechtens? Und was machen die Anti-AfD-Demonstranten?
Ende Juni will die AfD bei einem Bundesparteitag mit 600 Delegierten in der Essener Grugahalle einen neuen Vorstand wählen. Doch die städtische Messetochter hat den Mietvertrag gekündigt. Dagegen klagt die AfD beim Land- und parallel beim Verwaltungsgericht.
Zugleich machen sich Zehntausende AfD-Gegner bereit zu Demonstrationen. Am Montag berät das Essener Landgericht über eine der Klagen. Wird die Kündigung der Halle juristisch halten und was ist zu erwarten, wenn der Parteitag doch wie geplant stattfinden sollte?
Mit welcher Begründung wurde der Mietvertrag gekündigt?
Der Mietvertrag mit der AfD für die Grugahalle ist fast eineinhalb Jahre alt. Aus Sicht der Stadt hat die Partei sich aber seit der Vertragsunterzeichnung deutlich radikalisiert. Die Stadt verweist unter anderem auf die Verurteilung des AfD-Landtagsfraktionschefs Björn Höcke in Thüringen zu einer Geldstrafe wegen der Verwendung der verbotenen SA-Losung „Alles für Deutschland„.
Um solche Äußerungen beim Parteitag zu verhindern, hat der Stadtrat eine Selbstverpflichtung der AfD verlangt. Die Partei hat sich geweigert. Daraufhin wurde der Vertrag gekündigt.
Wie argumentiert die AfD beim Landgericht?
Die AfD hält die Vertragskündigung für rechtswidrig und pocht auf die Einhaltung ihres Mietvertrages. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei eine bestimmte Klausel des Vertrages, wie das Landgericht mitteilte. Laut der ist eine Kündigung möglich, wenn „Tatsachen vorliegen, die eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch (die) Veranstaltung befürchten lassen“. Doch trifft das hier zu? Die AfD will bei der mündlichen Verhandlung beim Landgericht das Gegenteil beweisen. Außerdem hält sie die Formel für viel zu vage und unbestimmt, um eine Kündigung zu rechtfertigen.
Worum geht es bei der zweiten Klage beim Verwaltungsgericht?
Hier attackieren die AfD als Partei und die Essener AfD-Ratsfraktion in zwei umfangreichen Anträgen den Essener Ratsbeschluss und die daraus abgeleitete Vertragskündigung. Eine Vorab-Zusicherung, strafbare Parolen zu verhindern, lasse sich in der Praxis bei mehreren Hundert Delegierten plus Gästen nicht umsetzen, sagt etwa AfD-Vize Peter Boehringer.
Außerdem sei die Beratung über den Stadtratsbeschluss kurzfristig unter Missachtung der Ladungsfristen auf die Tagesordnung des Stadtrates gesetzt worden sei. Der Beschluss sei damit schon aus formalen Gründen nichtig.
Wie groß sind die Chancen der AfD?
Beide Gerichte halten sich mit Einschätzungen zu den Chancen der AfD-Klagen zurück. Für den Parteitag in Essen spricht allerdings der sogenannte Kontrahierungszwang, der sich aus der Gemeindeordnung ergibt: Wenn andere Parteien die Halle nutzen durften – was etwa bei einem CDU-Bundesparteitag 2016 der Fall war – darf ein kommunaler Eigentümer sie nicht ohne weiteres einer einzelnen Partei verweigern. Dabei sind natürlich Ausnahmefälle möglich.
Die AfD geht davon aus, dass der Parteitag wie geplant stattfindet. Falls sie vor einem der beiden Gerichte verlieren sollte, werde sie in jedem Fall die nächsthöhere Instanz anrufen, hieß es aus der Partei. Es gebe „keinen Plan B“ für einen anderen Standort.
Wann gibt es eine Entscheidung?
Für die Klagen vor dem Verwaltungsgericht, über die im schriftlichen Verfahren verhandelt wird, könnte im Laufe dieses Freitags eine Entscheidung fallen. Über die Zivilklage beim Landgericht von Montag möchte die Kammer, wenn möglich, noch am Tag selbst entscheiden. Rechtskräftig wären die Entscheidung damit aber noch nicht. Es gilt eine 14-Tage-Frist für Berufung beziehungsweise Beschwerde zum Oberlandesgericht Hamm oder Oberverwaltungsgericht in Münster.
Wie bereiten sich AfD-Gegner auf den Parteitag vor?
Ungeachtet des juristischen Tauziehens organisiert ein breites Bündnis von Stadt, Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen und Initiativen den Protest gegen den AfD-Parteitag. Zehntausende Demonstranten werden erwartet. Es könnte die größte Kundgebung werden, die Essen seit vielen Jahren erlebt hat.
Die Hauptveranstaltung ist auf einem Messeparkplatz direkt an der Grugahalle geplant, wo die AfD ihren Parteitag abhalten will. Busse sollen Demonstranten aus ganz Deutschland nach Essen bringen. An der Ruhr soll es Zeltmöglichkeiten für bis zu 6000 auswärtige Demo-Teilnehmer geben. Auch Musik- und Kleinkunstveranstaltungen sind im Rahmen der Anti-AfD-Proteste geplant.
Wo gibt es Konfliktpotenzial mit der Polizei?
Die Sicherheitskräfte sind während des gesamten Wochenendes im Großeinsatz. In der linken Szene gibt es Aufrufe zum „zivilen Ungehorsam“. Unter anderem wollen Aktivisten mit Blockaden verhindern, dass die AfD-Delegierten überhaupt zum Parteitag in die Grugahalle kommen können. Die Polizei teilte mit, sie sei auch auf solche Formen des Protestes eingestellt.
Die Einsatzkräfte müssten gewährleisten, dass sowohl der Parteitag als auch die angemeldeten Gegenveranstaltungen stattfinden könnten, betonte ein Polizeisprecher. Personell ist das für die Polizei in NRW ein Kraftakt – zumal zeitgleich zum Parteitag Achtelfinal-Partien der Fußball-EM in Dortmund, Gelsenkirchen und Köln stattfinden.