Leitzinssenkung: Wie sich Sparer jetzt noch hohe Erträge sichern

Die EZB senkt erstmals seit Jahren die Leitzinsen. Es gibt verschiedene Varianten, wie sich Sparer jetzt noch hohe Erträge sichern können. Unser Autor gibt einen Überblick.

Notenbanker sind Zahlenmenschen. Sie sprechen bevorzugt über Inflationsraten, Wirtschaftswachstum und Zinsen. Alles in Prozent, in der Regel mit Nachkommastellen. In ihr Seelenleben lassen sie nur selten schauen. Daher war es erstaunlich, dass Christine Lagarde bei ihrer jüngsten Pressekonferenz zur Geldpolitik von schlaflosen Nächten im Oktober 2022 berichtete.

Um die Unruhe der Französin zu verstehen, muss man wissen, was die Hauptaufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) ist: stabile Preise. Doch die Inflation war in diesen Tagen vor anderthalb Jahren vollkommen aus dem Ruder gelaufen und lag in der Eurozone bei über zehn Prozent. Die EZB strebt einen Wert von zwei Prozent an und reagierte deshalb mit starken Zinserhöhungen. Wenn die Preise zu stark steigen, bekämpft die Notenbank das meist mit steigenden Zinsen.

Die Erhöhungen wirkten, die Inflationsrate für die gesamte Währungsunion lag im Mai nur noch bei 2,6 Prozent. Für Lagarde schien der Zeitpunkt für eine Senkung gekommen. Künftig wird der für die Sparer wichtige Einlagenzins statt bei 4,0 bei 3,75 Prozent liegen.

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Doch während die hohen Leitzinsen für Investitionen hinderlich waren, konnten Sparer sie gut gebrauchen. Es gab wieder Zinsen auf Tages- und Festgeld, am Kapitalmarkt erzielen Zinspapiere (Anleihen) wieder eine Rendite. Dabei wird es trotz des gesunkenen Zinses bleiben. „Wir glauben nicht, dass die EZB umfangreiche und zügige Zinssenkungen vornehmen wird“, sagt Ann-Katrin Petersen, Kapitalmarktstrategin beim Blackrock Investment Institute. Es wird keine Rückkehr zur Zins-Magerkost geben, die Geldanlegen in den Zehnerjahren so schwierig gemacht hat.

Grund für den Zins-Optimismus von Ökonomen und Fondsmanagern sind der große Finanzierungsbedarf für die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität sowie steigende Ausgaben für militärische Sicherheit. Auch dürfte die Inflationsrate dauerhaft hoch bleiben, besonders wegen der Alterung der Bevölkerung, des Arbeitskräftemangels und deshalb stärker steigenden Löhnen.

Sparerinnen und Sparer sollten sich fragen: Für welchen Zeitraum und für welchen Zweck soll das Geld angelegt werden? Daraus ergibt sich das geeignete Zinsprodukt. Das kann ein Sparkonto, Festgeld oder auch eine Investition am Anleihemarkt in Form eines Fonds beziehungsweise ETF sein. Ein Überblick.

Der Vergleich lohnt sich: Bei welchem Kreditinstitut gibt es die meisten Zinsen?
© Tim Möller-Kaya

Tagesgeld

Die Basis für das Sparen ist ein Tagesgeldkonto. Das Geld darauf ist, wie der Name sagt, täglich verfügbar. Deshalb wird es von Verbraucherschützern als Polster für Liquidität empfohlen. Hier sollten zwischen drei und sechs Netto-Monatseinkommen geparkt sein, um unerwartete Ausgaben tragen zu können. Die tägliche Verfügbarkeit hat aber ihren Preis: Die Zinsen sind bei vielen Kreditinstituten immer noch recht niedrig. Es lohnt deshalb zu vergleichen. Wer 10.000 Euro parkt und einen Prozentpunkt Zinsen mehr einheimsen kann, hat – vor Steuern, wie alle Renditeangaben in diesem Text – 100 Euro mehr im Jahr. Dafür kann man schon mal mit der Familie essen gehen.

Wichtig ist: Tagesgeld unterliegt wie alle Bankeinlagen der gesetzlichen Einlagensicherung von bis zu 100.000 Euro je Kunde und Institut. Diese Regel gilt in der ganzen Europäischen Union, sodass auch Einlagen in anderen Ländern abgesichert sind für den Fall, dass eine Bank zusammenbricht. Teils gibt es im Ausland höhere Zinsen, doch Sparer sollten sich fragen, ob sie sich im Notfall mit einer Behörde in Bulgarien oder Malta auseinandersetzen möchten. Wer lieber unter dem Schirm der deutschen Einlagensicherung bleibt, findet hier auch attraktive Tagesgeldangebote. Viel Aufmerksamkeit erhielt das 4,0-Prozent-Zinsangebot des Neobrokers Trade Republic, der sein Angebot nach der EZB-Zinssenkung allerdings auch auf 3,75 Prozent reduziert.

Ähnliche Angebote machen die Bank11, Santander und Comdirect. Im Detail kommt es aber immer auf die geplante Anlagedauer und den Anlagebetrag an. Vergleichen lohnt.

Dass der Maximalwert dem Einlagenzins der EZB entspricht, ist kein Zufall. Denn zu diesem Satz können Banken über Nacht Geld bei der Notenbank parken. Würden die Institute ihren Sparkunden mehr als 3,75 Prozent bieten, müssten sie draufzahlen. Deshalb werden die Zinsen für Tagesgeldkonten nach weiteren Zinssenkungen der EZB voraussichtlich weiter sinken.

Nicht nur die Höhe des Zinssatzes ist wichtig, bei der Auswahl eines Festgeldangebots
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Festgeld

Wer sich also die aktuellen Zinsen für eine längere Zeit sichern will, sollte in Festgeld oder Kapitalmarktanlagen umschichten. „Für kurzfristige Anlagen bis zu einem Jahr bieten sich am besten Festgelder an“, sagt Reinhard Pfingsten, Chefanlagestratege der Deutschen Ärzte- und Apothekerbank. Das sind Sparprodukte mit fixer Laufzeit mit zwei Vorteilen: Zum Ablaufdatum steht das Geld plus Zinsen zur Verfügung. Das erhöht die Planbarkeit einer großen Anschaffung, Reise oder der Tilgung einer Hypothek. Wer heute 5000 Euro für drei Jahre zu 3,5 Prozent Zinsen anlegt, weiß, dass er 5543 Euro zurückgezahlt bekommt.

Außerdem fallen, anders als bei Kapitalmarktprodukten, in der Regel keine Gebühren und Handelskosten an.

Wer sein Geld aktuell für ein Jahr mit deutscher Einlagensicherung festlegt, erhält laut dem Vergleichsportal Biallo bis zu 3,8 Prozent Zinsen. Die gibt es bei der SBI Frankfurt, der deutschen Niederlassung der indischen Staatsbank. Die Volkswagen Bank zahlt 3,3 Prozent und die Cronbank 3,25 Prozent. Sparerinnen und Sparer sollten aber nicht nur auf die Höhe des Zinssatzes achten, sondern auch darauf, wie leicht ein Konto zu eröffnen ist und welche Kreditwürdigkeit ein Institut hat. Wer sich darauf einlässt, mit dem Geld über die Grenze zu gehen, kann für ein Jahr bei Klarna in Schweden 3,51 Prozent oder bei der Stellantis Direktbank in Frankreich 3,5 Prozent kassieren. Die Bigbank in Estland bietet sogar 3,55 Prozent.

Für Anleihen gilt: Hohe Rendite gibt es nicht ohne Risiko
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Anleihen

Wegen sinkender Leitzinsen werden diese Festgeld-Sätze bald schon nicht mehr gezahlt werden. „Da allerdings die EZB in der zweiten Jahreshälfte höchstwahrscheinlich die Zinsen weiter leicht senken wird, bekommt der Anleger bei der Wiederanlage ein Problem“, sagt Reinhard Pfingsten von der Deutschen Ärzte- und Apothekerbank dazu.

Wer Geld nicht für einen bestimmten Termin benötigt und stattdessen für mindestens drei bis fünf Jahre anlegen will, der kommt am Kapitalmarkt nicht vorbei. Zinsprodukte heißen hier Anleihen (Bonds). Sie haben eine feste Laufzeit und zahlen regelmäßig Zinsen, Kupon genannt. Die Emittenten sind der Staat oder Unternehmen.

„Der Anleihemarkt ist zurück, weil die Zinsen zurück sind“, sagt Smadar Shulman, Anleiheexpertin bei S&P Dow Jones Indices. Für Anleihen des deutschen Staates mit zehn Jahren Laufzeit gibt es derzeit rund 2,5 Prozent Rendite, Frankreich zahlt rund 3,0 Prozent, und die USA zahlen sogar 4,3 Prozent. US-Bonds, Treasuries genannt, haben allerdings ein Währungsrisiko, weil sie in Dollar begeben sind.

„Wir sehen Renditen wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr“, sagt Philippe Berthelot, Leiter Rentenmärkte bei der Fondsgesellschaft Ostrum Asset Management. „Das macht den Rentenmarkt für Menschen mit Ersparnissen sehr attraktiv. Sie erhalten ein regelmäßiges Einkommen und, wenn sie die Anleihen bis zur Fälligkeit halten, sogar ohne Kursrisiken wie bei Aktien.“

Vor Ende der Laufzeit können die Kurse von Anleihen allerdings schwanken, womit sie sich von Festgeld unterscheiden. Das liegt daran, dass sich die Rendite der Wertpapiere ständig an den aktuellen Marktzins anpasst. Weil aber der Kupon fix ist – man spricht auch von Fixed Income –, erfolgt die Anpassung über den Kurs. Fallen die Marktzinsen, steigt der Kurs – und umgekehrt. Das eröffnet zusätzliche Renditechancen, bringt auf der Gegenseite aber auch mehr Risiko mit sich.

Pfingsten empfiehlt „länger laufende Unternehmensanleihen guter Bonität“. Hier sind gut vier Prozent Rendite im Schnitt drin: „Für risikofreudigere Anleger können als Beimischung Anleihen aus Schwellenländern sowie hochverzinsliche Anleihen dienen.“ Hochzinsanleihen sind Unternehmensanleihen von Firmen mit schwacher Bonität, die das höhere Risiko mit höheren Renditen abgelten. Ähnliches gilt für Bonds aus Schwellenländern, die obendrein dem Risiko von Währungsschwankungen unterliegen. Ein Korb von Euro-Hochzinsanleihen wie auch von Schwellenländer-Bonds (in Euro gerechnet) hat vergangenes Jahr eine zweistellige Rendite geschafft – nachdem sie 2022 deutlich eingebüßt haben.

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Bei Anleihen sind, wie bei allen Kapitalmarktanlagen, Wertschwankungen möglich, weshalb sie sich nur für die langfristige Anlage empfehlen. Um das Risiko zu verteilen, sollten Anlegerinnen und Anleger auch keine einzelnen Bonds kaufen, sondern einen Fonds erwerben. Dieser investiert in Dutzende oder sogar mehr als 100 verschiedene Wertpapiere. Solche Fonds sind entweder aktiv verwaltet oder folgen passiv einem Index wie dem Bloomberg Barclays Global Aggregate, der als Basisanlage in ein globales Anleiheportfolio empfohlen wird. Indexfonds werden auch Exchange Traded Fonds (ETF) genannt, weil sie in der Regel börsengehandelte Produkte sind. Die ETF sind günstiger, es gibt aber auch kein Management, das bei problematischen Emittenten die Notbremse ziehen kann.

Anleihefonds sind folglich für die langfristige Anlage und den Vermögensaufbau geeignet. Für kürzere Laufzeiten und insbesondere für feste Zahlungsverpflichtungen empfehlen sich Tages- und Festgeld. Eine Mischung aus beiden Anlageformen hat Blackrock mit ihren iBonds auf den Markt gebracht. Das Besondere an diesen ETF ist, dass sie ein fixes Laufzeitende haben und nur Unternehmensanleihen mit ähnlichem Rückzahlungszeitpunkt enthalten. Die Rendite der iBonds ähnelt der von Festgeld, aber ihr großer Vorteil ist: Als ETF sind sie täglich an der Börse handelbar. Weil die Anleihekurse schwanken, kann der Verkauf einen Verlust bringen, aber man kommt eben jederzeit an sein Geld.

„Ein iBonds-ETF hält einen diversifizierten Korb von Anleihen mit ähnlichen Fälligkeitsterminen und schüttet bei Fälligkeit eine Endauszahlung aus“, sagt Verena Heming, die im Vertrieb von Blackrock in Deutschland arbeitet. Die iBonds gibt es, wie viele Fonds, in zwei Varianten, ausschüttend und thesaurierend. Bei Ersteren wird der jährliche Zinsertrag ausgeschüttet, bei den zweiten angesammelt, was aufgrund des Zinseszinseffekts die Rendite erhöht.

Egal für welches Zinsprodukt sich Sparerinnen und Sparer entscheiden: Am Ende zählt für den Zins, was der EZB-Rat um Christine Lagarde beschließt.