Die Zahl der Extremwetterereignisse nimmt weiter zu. Europas Parteien stellen das selten in den Bezug zum Klimawandel – mit fatalen Folgen.
Klimawandel nervt! Er ist wie eine Pollenallergie, die jedes (Früh-) Jahr aufs Neue unsere Nase, Augen und manchmal auch das Nervenkostüm vernebelt und uns dann das ganze Jahr über begleitet. Aber ebenso wie Heuschnupfen geht auch der Klimawandel nicht weg, auch wenn man ihn noch so tapfer ignoriert.
Ignoriert haben das Thema Klima dieses Mal fast alle Parteien, die für das Europaparlament angetreten sind – auch die deutschen. Und dabei war doch die Ampel-Regierung mit dem klaren Versprechen angetreten, den Klimawandel, wenn schon nicht zu stoppen, doch zu begrenzen. Nicht zuletzt das Eingeständnis von Robert Habeck, er habe mit dem verkorksten Heizungsgesetz nur die Bereitschaft der Bundesbürger zur Veränderung testen wollen, zeigt: Selbst die Grünen haben sich von einem ihrer ureigensten Themen verabschiedet.
Einzig die noch recht junge Partei Volt hat den Klimaschutz weiter deutlich auf ihre Wahlplakate und Werbeballons geschrieben – und damit einen beachtlichen Erfolg vor allem bei jungen Wählern erzielt. Mit 2,6 Prozent der Stimmen ziehen nun drei Volt-Abgeordnete ins EU-Parlament. Ansonsten dominierten Krieg und Frieden, Migration und Wirtschaft die Wahl-Agenden. STERN PAID 44_23 Langeoog16.21
Extremwetterereignisse: keine Partei betont den Zusammenhang mit dem Klimawandel
Dass sich die etablierten Parteien, allen voran die Ampel, vom Klimaschutz verabschiedet haben (oder ihn wie die FDP gezielt torpediert haben) erstaunt. Denn gerade in den vergangenen Jahren gab es viele extreme Wettereignisse in Deutschland und dem übrigen Europa. Auch wenn das einzelne Extremereignis nicht immer dem Wandel in der Atmosphäre zuzuordnen ist, sind die Trends ganz klar: Dürren, Hitzeperioden und Starkregen nehmen zu. Beides zueinander in Kontext zu setzen, vermeiden die meisten Parteien jedoch.
Dies ist kein so neues und auch kein rein deutsches Phänomen, wie eine wissenschaftliche Studie zeigt, die gerade im Fachjournal „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde. Wissenschaftler werteten dafür 260.000 Pressemitteilungen von 68 Parteien in 9 Ländern – darunter auch Deutschland – im Zeitraum von 2010 bis 2020 aus.
Die Analysen zeigten, dass in den Wochen und Monaten nach einem Extremwetterereignis nicht mehr umwelt- und klimarelevante Bezüge in den Pressmitteilungen der Parteien erscheinen als im gleichen Zeitraum vor dem Ereignis. Das Team der Studie schlussfolgert daraus, dass die Folgen des Klimawandels nicht direkt die politische Aufmerksamkeit innerhalb der Parteien erhöhen.
Klimawandel in Deutschland: Betroffenheit und Anpassung 11:12
Der „Green Deal“ kommt nicht bei den EU-Bürgern an
Nur in den Pressemitteilungen der Grünen Parteien war ein leichter Anstieg zu sehen, der allerdings nicht von langer Dauer war – eine Woche danach sank die Mitteilungen mit thematischen Bezügen wieder auf das Vorniveau. Generell thematisieren die Parteien zwar in der Woche nach dem Ereignis die Hilfsmaßnahmen, ohne allerdings den Klimawandel anzusprechen.
Der von Ursula von der Leyen für Europa ausgerufene „Green Deal“ war daher sicherlich in der Sache richtig. Aber wenn schon die Parteien selbst nicht an das Thema Klimaschutz glauben, darf es niemanden wundern, dass auch die Bürger Europas wenig überzeugt sind, dass klimaschonendes Handeln irgendetwas mit Stürmen, Überschwemmungen, Waldbränden und Dürren zu tun hat. Konsequenterweise bestimmten andere Themen die Stimmabgabe bei der Europawahl. Die künftig wohl immer rigidere Abschottung der EU gegenüber Migration wird vielleicht die Zuwanderung bremsen, den Klimawandel ganz sicher nicht.