Grob fehlerhafte Grundsteuer-Ermittlung: Eigentümer müssen widersprechen können

Bei der Neuberechnung der Grundsteuer müssen Eigentümer in Extremfällen die Möglichkeit haben, dem festgestellten Grundstückswert zu widersprechen und einen niedrigeren Wert nachzuweisen. Das entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in zwei am Donnerstag veröffentlichten Eilbeschlüssen. Ob das Bewertungsverfahren insgesamt verfassungsgemäß ist, blieb vorerst offen. (Az. II B 78/23 (AdV) und II B 79/23 (AdV))

Die Neuberechnung der Grundsteuer war 2018 vom Bundesverfassungsgericht gefordert worden. Die bislang herangezogenen Einheitswerte spiegelten nicht mehr den tatsächlichen Wert der Grundstücke wider, was zu einer ungerechten Verteilung der Steuerlast führe.

Für die Neuberechnung der Steuer wurden daher zunächst neue Grundstückswerte ermittelt. Multipliziert mit einer sogenannten Steuermesszahl ergibt sich der Grundsteuermessbetrag. Darauf wenden dann künftig die Kommunen ihren jeweiligen Hebesatz an, wodurch sich für die Eigentümer die endgültige Steuerhöhe ergibt. Eigentümer, die eine zu hohe Grundsteuer befürchten, können wegen rechtlicher Fristen aber darauf nicht warten, sondern müssen schon jetzt gegen die ermittelten Grundstückswerte vorgehen.

Betroffen sind bundesweit über 36 Millionen Grundstücke. Um die Neubewertung zu bewältigen, waren zahlreiche Pauschalierungen und Typisierungen notwendig. Zudem gibt es für die Ermittlung der Grundstückswerte verschiedene Verfahren. Die meisten Bundesländer wenden das sogenannte Bundesmodell an.

Die beiden Antragsteller aus Rheinland-Pfalz hatten beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz zunächst im Eilverfahren erfolgreich beantragt, die ermittelten Grundstückswerte vorerst nicht anzuwenden. Das Finanzgericht entschied, die Bewertungsregeln seien „verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass Steuerpflichtige einen unter dem typisierten Grundsteuerwert liegenden niedrigeren Grundstückswert nachweisen können“.

Dem folgte nun der BFH. Eigentümer müssten die Möglichkeit haben, „bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen“. Das gelte auch dann, wenn der Gesetzgeber dies nicht ausdrücklich vorgehen habe. Konkret ist demnach das Übermaßverbot verletzt, wenn der ermittelte Wert den tatsächlichen Wert „um 40 Prozent oder mehr übersteigt“. In den Streitfällen sei es möglich, dass diese Schwelle überschritten ist, so das Gericht. Daher müssten die Antragsteller die Möglichkeit entsprechender Nachweise haben.

„Eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsrechts ist damit nicht verbunden“, betonte der BFH. Dies wird sich wohl erst im Hauptverfahren und dann zuletzt vor dem Bundesverfassungsgericht ergeben. Der Bund der Steuerzahler und der Eigentümerverband Haus & Grund bekräftigten in Berlin ihre „erheblichen Zweifel“ an der neuen Grundsteuer.

xmw/ilo