Mit dem Erstarken der extremen Rechten bei der Europawahl ist der Green Deal der EU praktisch tot. Dabei sollte Klimaschutz doch ein Kernziel von AfD und Co. sein.
Es ist gerade ungemütlich in Deutschland: Die Temperaturen pendeln nass-schaurig um die 10 bis 15 Grad. War der Urlaub an der kalten Nord- oder Ostsee-Küste doch die falsche Entscheidung in diesem Jahr, fragen sich viele Familien. Hoffentlich wird’s ja doch noch was mit dem nächsten sonnigen Fußball-Sommermärchen, wünschen sich viele Gastwirte, die Bierindustrie und Public Viewing-Veranstalter.
Vielleicht legt das hiesige Wetter aber auch nur eine kurze Verschnaufpause ein, bevor der nächste Dauerregen übers Land hereinbricht – einige Regionen hatte es ja in diesem Jahr noch nicht mit Überschwemmungen getroffen. Oder steht nach 2018, 2019 und 2022 die nächste monatelange Dürre ins Haus? Noch kann es keiner sagen – langfristige Wettervorhersagen sind unseriös.
Flughafen Mallorca Unwetter 12.20
Während bei uns der „Wetter-See“ derzeit still vor sich hin ruht, toben sich in unseren klassischen Urlaubsländern am Mittelmeer die Elemente derzeit hingegen wieder mit aller Macht aus. Nach für die Jahreszeit (wir haben meteorologischen Sommer!) viel zu heftigen Regenfällen stand der Flughafen von Mallorca stundenlang unter Wasser. Im Osten des Mittelmeers hingegen ächzen die Menschen unter einer für Anfang Juni enormen Hitzewelle. Für die kommenden Tage erwarten Meteorologen für Teile Griechenlands und der Türkei Temperaturen über 40 Grad.
Nach der Europawahl: Die EU verabschiedet sich vom Klimaschutz
Was hat das alles mit uns zu tun, fragen sich offenbar immer mehr Menschen in Europa. Standen 2019 die Wahlen zum Europaparlament noch ganz unter dem Motto „wie retten wir das Klima“, votierten diesmal eine zunehmende Zahl von Wählern gegen den Klimaschutz. Der mühsam von Ursula von der Leyen verkündete Green Deal ist sturmreif geschossen.
Während Joe Biden mit seinem Programm zur Förderung der Erneuerbaren Energien einen wirtschaftlichen Boom in den USA auslöste, fallen die Europäer zurück in (klimapolitische) Kleinstaaterei. Von einem gemeinsamen Ziel, den Klimawandel zumindest zu begrenzen, ist die EU schon bald wieder ebenso weit entfernt, wie von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei hätte Europa schon unter den bisherigen Mehrheiten im EU-Parlament seine selbstgesteckten Klimaziele kaum erreicht.
Ja, der Klimawandel macht auch mir Angst. Aber es ist so wie bei einem Horrorfilm im Kino. Die Hände vors Gesicht zu halten, ändert nichts daran, dass das, was im Drehbuch steht, trotzdem auf der Leinwand passiert. Aufs aktuelle Wettergeschehen oder den Klimawandel als Ganzes bezogen sehen wir gerade erst den Auftakt zum eigentlichen Horror. Viele Vorhersagen der Klimaexperten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte haben sich leider schon mehr als bewahrheitet. Die Zunahme der Extremereignisse erfolgte sogar schneller als prognostiziert.
Zuwanderung: Im globalen Süden wird es immer ungemütlicher
Davor die Augen zu verschließen hilft uns nicht. Denn mit jeder neuen Dürre und jeder Überschwemmung im globalen Süden steigt der Druck auf die Menschen dort, sich auf den Weg in den vermeintlich (und tatsächlich trotz der hiesigen Katastrophen) klimatisch begünstigten Norden aufzumachen. Wer diese klimabedingte Völkerwanderung begrenzen oder gar verhindern will, muss also nicht für weniger Klimaschutz plädieren, sondern für mehr. Während wir hier noch darüber diskutieren, wie wir unsere Häuser, Infrastruktur und Versicherungen auf Sturzfluten und Hitzewellen vorbereiten und wohin der nächste Urlaub geht, packen Menschen andernorts ihre Koffer, um ihre Heimat zu verlassen.
Denn das ist ja einer der Hauptgründe für viele, die AfD zu wählen. Die Angst vor Zuwanderung. Und es ist geradezu absurd, dass das Programm ihrer Partei, von der sie sich „Rettung“ erhoffen, gegen einen der wichtigsten Auswanderungsgründe, den Klimawandel, eigentlich nichts tun will.