CDU-Chef: Nein zu Wagenknecht: Friedrich Merz riskiert die Kanzlerkandidatur

CDU-Chef Friedrich Merz lehnt Koalitionen seiner Partei mit dem BSW ab. Das ist ein Fehler – und der wird ihn verfolgen.

Am Tag, nachdem das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) seinen formidablen Wahl-Einstand gegeben hatte, musste Friedrich Merz eine naheliegende Frage beantworten: Ob eine Kooperation mit der neuen Partei denkbar sei?

Seine Antwort war ein deutliches Nein. Die Sache sei doch „völlig klar“, sagte der CDU-Vorsitzende in der ARD: „Wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Wagenknecht sei bei „einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem“. Abgesehen davon gelte für die Union: „Wir wollen Mehrheiten gewinnen!“

Nun ist es mit den Mehrheiten insbesondere im Osten der Bundesrepublik schon seit einer Weile eher schwierig. Und es wird wohl noch schwieriger. 

Wenige Machtoptionen im September

Im September, wenn in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt werden, könnte die AfD mit etwa 30 Prozent die stärkste Kraft werden. Allein das wird die Machtoptionen der CDU, die zu Recht nicht mit der teils extremistischen Partei redet, zusätzlich reduzieren. 

Hinzu kommt der Abgrenzungsbeschluss gegenüber der Linke, die trotz ihrer existenziellen Krise in Ostdeutschland in den Parlamenten vertreten bleiben dürfte. In Thüringen, wo sie mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, konkurriert sie sogar weiter um Platz zwei. 

STERN PAID 25_24 Europawahl BSW

Dass Merz nun auch das BSW zum Tabu erklärt hat, engt den Handlungsspielraum seiner Partei weiter ein. Inhaltlich lässt es sich halbwegs begründen: Wagenknecht war Kommunistin und gehörte – wie ein großer Teil des restlichen Führungspersonals – bis vor kurzem der Linken an. Gleichzeitig vertritt sie Positionen, die denen der AfD sehr ähneln. 

Die Rechenaufgabe vor der Regierungsbildung

Strategisch jedoch wirkt die Ansage von Merz mindestens grob fahrlässig. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, genügt eine kleine Rechenaufgabe.

Die geht so: Nach dem erfolgreichen Europawahl-Test der Wagenknecht-Partei spricht einiges dafür, dass sie auch bei den Landtagswahlen bei 15 Prozent oder mehr landen kann. Addiert man dazu die aktuellen Ergebnisse und Umfragewerte von AfD und Linke, ist das Ergebnis eindeutig: Zumindest in Thüringen, aber vielleicht auch in Sachsen und Brandenburg könnten die drei Parteien gemeinsam die Mehrheit der Mandate besetzen. 

Damit stünde die CDU wieder vor dem alten Dilemma, das sie aus leidvoller thüringischer Erfahrung kennt: Als nach der Landtagswahl 2019 die AfD gemeinsam mit der Linke die Mehrheit der Sitze blockierte, kam es zur Wahl eines Ministerpräsidenten durch AfD, CDU und FDP, die direkt ins Chaos führte. 

Es waren die Ereignisse in Thüringen, die damals Annegret Kramp-Karrenbauer den CDU-Vorsitz kosteten und Merz nach dem Armin-Laschet-Interregnum zum Comeback verhalf. Und es sind die fragilen Verhältnisse in Thüringen, die ihn im Herbst die Kanzlerkandidatur kosten könnte. 

Lehren aus Thüringen 12.34

Friedrich Merz macht einen strategischen Fehler

Denn aus jetziger Sicht werden sich die ostdeutschen CDU-Verbände, wenn sie regieren wollen, zwischen Linke und BSW entscheiden müssen – und sei es auf Basis eines Tolerierungmodells. Daher sind der Thüringer Unionschef Mario Voigt und der sächsische CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer so peinlich darauf bedacht, nicht eine dritte Mauer gegenüber dem BSW zu errichten.

Aus all dem folgt: Merz‘ Aussage zum BSW ist ein schwerer strategischer Fehler, der ihn, wenn er ihn nicht rasch repariert, im September einholen dürfte. Entweder widersetzen sich dann die Landesverbände seinem Dekret und schwächen damit die Autorität des Vorsitzenden dramatisch. Oder sie scheitern bei der Regierungsbildung, was ihm ebenso angelastet würde. 

In beiden Fällen hätte sich die Kanzlerkandidatur für Merz erledigt.