Bei der Europawahl in Österreich ist die rechtspopulistische FPÖ stärkste Kraft geworden – zum ersten Mal bei einer landesweiten Wahl. Laut in der Nacht zum Montag veröffentlichten vorläufigen Ergebnissen kam die FPÖ auf 25,7 Prozent und landete damit knapp vor der konservativen Regierungspartei ÖVP mit 24,7 Prozent. Auf den dritten Platz kam die sozialdemokratische SPÖ mit 23,2 Prozent der Stimmen. Die österreichischen Grünen, die in Wien mit der ÖVP regieren, kamen auf 10,7 Prozent.
Die ÖVP erlitt damit deutliche Einbußen – vor fünf Jahren war sie bei der Europawahl noch auf fast 35 Prozent gekommen. Kanzler Karl Nehammer sagte in der Wahlnacht, er habe die „Botschaft“ der Wähler verstanden. Die ÖVP werde auf die „große Unzufriedenheit“ der Bevölkerung hören und beispielsweise härter gegen irreguläre Einwanderung vorgehen.
Die FPÖ feierten dagegen ihr gegen 2019 um fast acht Prozentpunkte verbessertes Wahlergebnis. Parteichef Herbert Kickl sprach von einem „historischen“ Erfolg und dem Beginn einer „neuen Ära der Politik in Österreich und Europa“. Das nächste Ziel sei nun das Kanzleramt in Wien.
In Österreich findet im September die Parlamentswahl statt. Umfragen sehen auch dort die FPÖ in Führung. Allerdings ist fraglich, ob sie die nötigen Koalitionspartner finden würde, um künftig die Regierung anzuführen.
Die Europawahl 2019 hatte in Österreich unter dem Eindruck des Ibiza-Skandals gestanden, die FPÖ erlitt damals allerdings nur leichte Verluste. Ein heimlich auf der spanischen Insel Ibiza gedrehtes Video hatte gezeigt, wie der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der FPÖ vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellte. Es folgten Ermittlungen gegen mehrere Politiker und der Sturz der Regierung des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP).
Der seit 2021 amtierende FPÖ-Chef Kickl schaffte es jedoch, viele neue Wähler für seine Partei zu gewinnen, indem er sich bei besonders kontroversen Themen profilierte. So machte er sich während der von strikten Eindämmungsmaßnahmen begleiteten Corona-Pandemie zum Sprachrohr der Impfskeptiker.
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg präsentiert sich der 55-jährige FPÖ-Chef als vehementer Verteidiger der Neutralität seines Landes. Er kritisiert die Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes durch die Regierung in Wien sowie die gegen Russland verhängten EU-Sanktionen.
FPÖ-Plakate zur Europawahl hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in enger Umarmung mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj dargestellt, um sie herum Panzer und anderes Kriegsgerät, begleitet von dem Slogan „EU-Wahnsinn stoppen!“.
Gegründet wurde die einwanderungsfeindliche FPÖ in den 50er Jahren von früheren Nazis. Seit den 80er Jahren war sie wiederholt an Regierungen in Wien beteiligt, zuletzt von 2017 bis 2019 mit der ÖVP.