Dänemark, Finnland, Schweden: Links vor Rechts: Warum der Norden bei den Europawahlen gegen den Trend wählte

Während in vielen Staaten die rechten Parteien als klare Gewinner der Europawahl hervorgehen, sind es in Dänemark, Schweden und Finnland die linken und grünen Parteien. Das sind die Gründe.

Ein rechter Ruck schüttelt Europa: In Frankreich, Österreich und Italien sind die Rechtspopulisten die stärkste Kraft. In Deutschland gewinnt die AfD Prozente dazu, wird im Osten der Republik sogar stärkste Partei.

Doch nicht alle EU-Länder folgen diesem Trend. Besonders die nordischen Länder stechen dabei heraus: In Dänemark werden die Sozialisten stärkste Partei, in Schweden gewinnen Linke und Grüne, in Finnland prescht die Linke nach vorn und die Rechte muss Federn lassen.EU-Wahl Wählerwanderung 09.19

Warum haben die Dänen, Finnen und Schweden gegen den EU-Trend gewählt? Ein Blick in ihre Länder.

Finnland

Die sozialistische Linksallianz erreichte 17,3 Prozent der Stimmen und legte damit im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren um 10,4 Prozentpunkte zu. Das ist der größte Zuwachs aller Parteien. Die konservative Sammlungspartei von Ministerpräsident Petteri Orpo blieb mit 24,8 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Die mit Orpo regierenden Rechtspopulisten, denen Umfragen gute Chancen eingeräumt hatten, rutschten mit 7,6 Prozent auf den sechsten Platz hinter den Grünen.Die Parteivorsitzende und Wahlkandidatin der Linksallianz, Li Andersson, feiert das Ergebnis der Partei
© Roni Rekomaa/LEHTIKUVA

Die Gründe für das schlechte Abschneiden der rechtspopulistischen Partei der Finnen und das historische Ergebnis der Linken dürften vielfältig sein. Ein drohender Rechtsruck in Europa, soziale Einschnitte unter der jetzigen Regierung habenwohl eine Rolle gespielt. Die finnischen Grünen haben jedoch verloren, so dass der Klimawandel wahrscheinlich weniger Bedeutung für die Wähler hatte.STERN PAID Wie die rechten „Finnen“ zum PR-Problem für die neue Regierung werden, 19.15

Viel wichtiger dürfte der Ärger der Wähler über die Politik der Finnenpartei sein, die zu ihrer Abstrafung geführt hat. Die Rechtspopulisten befinden sich seit Monaten auf dem absteigenden Ast und das jetzige Wahlergebnis ist eine erste Quittung. Sie haben stark auf eine einwanderungskritische Politik gesetzt und auch einen entsprechenden Wahlkampf geführt. Zwar kommen viele Migranten und Asylsuchende nach Europa – aber Finnland erlebt keine große Flüchtlingswelle. Die einwanderungsfeindliche Rhetorik hat nicht geholfen, die Partei offenbar das Thema verfehlt.

Dänemark

Paukenschlag bei unseren nördlichen Nachbarn: Dort sicherte sich die Sozialistische Volkspartei (SF) nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten den Sieg. Sie kam nach vorläufigen Auszählungen in der Nacht zum Dienstag auf 17,4 Prozent. Die Sozialdemokraten, denen auch die vor wenigen Tagen angegriffene dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen angehört, landeten auf Platz zwei. Frederiksen war auf einer Straße in Kopenhagen von einem Mann geschlagen worden, aber nahezu unverletzt geblieben.

Die an der Regierung beteiligte liberale Venstre verlor dagegen deutlich an Stimmen und landete bei 14,7 Prozent der Stimmen, ein Minus von neun Prozent. Dennoch bleibt sie stärkste bürgerliche Partei und schneidet besser ab als in den Umfragen – Rückenwind für die Liberalen also.

Die 2022 neu gegründete rechtspopulistische Partei Dänemarks Demokraten errang mit 7,4 Prozent der Stimmen ihr erstes Mandat im Europaparlament. Sie lag damit vor der EU-feindlichen rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, die mehr als vier Prozentpunkte verlor, aber einen Sitz behielt.PAID Inger Støjberg Dänemark neue Partei 16.26

Die Ergebnisse in Dänemark sind vor allem als Abstrafung der Regierungsparteien, insbesondere der Sozialdemokraten, zu werten. Die Koalition aus Sozialdemokraten, Venstre und Moderaten hat auch auf nationaler Ebene an Zustimmung verloren. Entscheidungen wie die Abschaffung eines Feiertages kamen bei den Dänen nicht gut an. Die SF ähnelt zudem den Sozialdemokraten thematisch und programmatisch, legt aber einen stärkeren Fokus auf den Klimawandel. Dass die Sozialisten die Sozialdemokraten, mit denen sie in direkter Konkurrenz stehen, nun überholt haben, ist also als Denkzettel zu verstehen. Lange Zeit haben die Sozialdemokraten enttäuschte Wähler ignoriert, die zur SF wechselten. Doch die aktuellen Ergebnisse verändern das Parteiengefüge in Kopenhagen. Ein harter Kampf zwischen den beiden Parteien zeichnet sich ab.Jubel bei den Mitgliedern der Grünen Partei in Schweden, als die Ergebnisse der Wahllokalbefragung eintreffen
© Nicklas Thegerström/TT News Agency/AP

Schweden

Die schwedischen Sozialdemokraten sind bei den Europawahlen erneut als stärkste Kraft hervorgegangen. Mit 24,9 Prozent der Stimmen sicherte sich die Partei den ersten Platz, nachdem mehr als 90 Prozent der Stimmen ausgezählt worden waren. Die Grünen legten um mehr als zwei Prozentpunkte zu und kamen auf 13,8 Prozent, womit sie die drittstärkste Kraft wurden. Die regierenden konservativen Moderaten von Ministerpräsident Ulf Kristersson landeten auf Platz zwei.STERN PAID Brandmauer gegen Rechts in Schweden 17.02

Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten kamen mit 13,2 Prozent auf Platz vier und verloren mehr als zwei Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl vor fünf Jahren. Es ist das erste Mal seit 14 Jahren, dass die Rechtspopulisten bei einer Wahl Stimmen verloren haben.

Für das schlechte Abschneiden der Schwedendemokraten (SD) gibt es mehrere Gründe. Zum einen dürften die Enthüllungen über Angriffe parteiinterner Internet-Trolle auf andere Parteien und der Umgang damit (der stern berichtete) dem Ansehen der Rechtspopulisten geschadet haben. Ähnlich wie in Finnland spielte das Thema Zuwanderung, das die SD seit jeher auf ihre Fahnen geschrieben hat, bei dieser Wahl keine große Rolle, ebenso wenig das Thema Kriminalität. Stattdessen war die Klimafrage für die schwedischen Wähler von größerer Bedeutung, was die Zugewinne der Grünen und der Linken erklärt.

Quellen: Nachrichtenagenturen AFP, DPA und Ritzau, Yle, „Helsingin Sanomat“, Danmarks Radio, „Berlingske“, „Dagens Nyheter“, „Politiken“