Ralf König machte vor mehr als 30 Jahren aus Konrad und Paul ein Paar – obwohl die beiden unterschiedlicher kaum sein könnten. Im neuesten Band der Reihe muss Paul sich damit auseinandersetzen, dass sein runder Geburtstag ansteht. Das ist nicht komisch!
Rosa von Praunheim verlieh Ralf König in seinem Dokumentarfilm schon 2012 den Titel „König des Comics“. Bei all den Preisen, mit denen der Kölner Autor und Illustrator in mehr als 40 Jahren ausgezeichnet worden ist, müsste er inzwischen wohl Kaiser sein. Nun erscheint mit „Konrad und Paul – Harter Psücharter“ der neunte Band über das ungleiche schwule Paar, dessen Leben er seit 1993 zeichnet. Voller Witz, Selbstironie, Liebe und Peinlichkeiten geht es dieses Mal unter anderem darum, dass Paul auszusprechen lernt, wie alt er in diesem Jahr wird: 60. Dafür braucht er allerdings gleich zwei Therapeuten.
Herr König, mit dem „Bewegten Mann“ haben Sie Ende der 80er Jahre Deutschland mit dem schwulen Leben vertraut gemacht. Sehen Sie sich als Aufklärer?
Nein. Ich habe mich auch nie als Aktivisten gesehen. Ich will eigentlich nur coole Comics zeichnen, aber natürlich bin ich damals aus einer unerwarteten Ecke gekommen, als Schwulsein noch ein Tabu war und man nicht drüber sprach. Da hat es natürlich einen aufklärerischen Effekt gehabt, den ich beim „Bewegten Mann“ auch durchaus angestrebt habe: Ich habe mit dem Plot auch Heteros abgeholt und mitgenommen, sonst wäre das wahrscheinlich ein Flop geworden. Es war mein erstes Buch bei Rowohlt damals, ich wollte alle ansprechen und das war sicherlich richtig.
Das Buch ist dann verfilmt worden und 1994 zu einem der erfolgreichsten deutschen Kinofilme geworden. Lag das Thema damals in der Luft?
Ich glaube, die Geschichte lag in der Luft, die Leute wollten was über Schwule wissen, deswegen war der Comic ja vorher schon ein großer Erfolg. Sonst hätte Bernd Eichinger das gar nicht verfilmt, er hat ja immer das verfilmt, was schon erfolgreich im Buchmarkt war. Mir ist die Verfilmung ein bisschen zu brav geworden, aber Sönke Wortmann hat sicherlich alles richtig gemacht, immerhin waren 6,5 Millionen Menschen im Kino! Klar habe ich dem Film viel zu verdanken, durch ihn wurden viele Leute aufmerksam auf meine Comics, das war so eine Wechselwirkung. Aber das ist jetzt 30 Jahre her. Danach hab ich noch ein ganzes Regal voll Bücher gezeichnet.
„Harter Psücharter“ von Ralf König, 288 Seiten, gebunden, 29 Euro. Erhältlich u.a. bei Thalia, Amazon & buecher.de.
© Egmont Comic Collection
Ralf König und das Altern
Kommen wir also zu „Konrad und Paul“. Mit den beiden haben Sie ein schwules Paar geschaffen, das mit Ihnen altert. Ein kluger Schachzug, denn Sie wissen, welche Themen in Ihrem Alter pressieren. War Ihnen das von vornherein bewusst?
Nein, eigentlich erst seit 2017. Das Buch „Herbst in der Hose“ war eine Art Comeback für mich, aus der Reihe war 2004 der letzte Band erschienen. Weil die ganzen Jungs, die „Konrad und Paul“ damals gelesen haben, ja auch älter werden, musste ich mir etwas überlegen. Zum ersten Mal sind sie 1989 im damals neuen Schwulenmagazin „Magnus“ erschienen, da waren wir alle noch jung und knackig. Ich wollte daher das Älterwerden thematisieren, das ist aber ein sehr unerfreuliches Thema und ich war mir ziemlich sicher, dass ich da etwas zeichne, das vielleicht ein Flop wird. Die Männer wollen das vielleicht gar nicht so genau wissen. Ich bin richtig ans Eingemachte gegangen und habe gegoogelt, was alles auf einen zukommt.
Was denn?
„Verringerung des Hodenvolumens“ klingt für Männer nicht wirklich lustig. Frauen haben ja bereits ihre viel beklagte Menopause. Aber die Andropause war damals noch ein Fremdwort. Und zu meiner großen Überraschung war das Buch ein schöner Erfolg, das hat mich sehr gefreut. Und seitdem habe ich mich entschlossen, die beiden tatsächlich älter werden zu lassen, was in der Comic-Welt sehr, sehr selten ist. Lucky Luke ist immer so um die 30 rum, die Peanuts sind nie in die Pubertät gekommen. Donald Duck wird in diesem Jahr 90 Jahre alt, aber sieht immer noch nach frischer Ente aus. Aber Paul wird grau und dick und kriegt schlechte Cholesterinwerte. Da sag noch einer, Comics sind weltfremd!
Sind die beiden eigentlich verheiratet?
Nein. Sie haben es versucht in dem Buch „Sie dürfen sich jetzt küssen“. Das ist entstanden als Rot-Grün damals die „Vorstufe“ zur Ehe für alle eingeführt haben, weshalb ja damals schon der Untergang des Abendlandes beschworen wurde. In dem Band stehen sie vorm Traualtar, dann geht aber doch im letzten Moment etwas schief. Ich habe das danach nie wieder aufgegriffen, ob sie inzwischen wirklich geheiratet haben oder nicht.
Vielleicht, wenn sie in Rente gehen?
Ja, da muss ich mir noch einiges einfallen lassen. Die Nummer, dass Paul sabbernd hinter irgendwelchen behaarten Kerlen herläuft, habe ich ja oft bedient, sie ist vielleicht langsam auserzählt. Vielleicht. Es macht immer wieder Spaß zu zeichnen, wie er testosteronbesoffen in die Fettnäpfe stapft!
Apropos Rente, wie verdienen die beiden eigentlich ihr Geld? Daran scheint es nie zu mangeln.
Konrad ist der Sohn eines Industriellen oder so was, er hat gut geerbt und damit hat sich das bei ihm erledigt. Paul ist Schriftsteller, er schreibt mittel erfolgreich Science-Fiction- und Fantasy-Romane. Konrad behauptet, das sei alles nur Porno, aber Paul weist das von sich. Er hat offenbar seine Leserschaft, daher kommt auch er irgendwie über die Runden. Aber das stimmt ein bisschen, ich hätte Paul vielleicht auch mal einen Job verpassen können, dass er kellnert oder so. Andererseits, ist es doch auch bei Heteropaaren oft so, dass der eine finanziell für den anderen sorgt, dafür putzt der dann die Wohnung oder so.
Sie könnten sie heiraten lassen, damit Paul, falls Konrad zuerst stirbt, nicht in Altersarmut endet.
Ja, sowas, das ist auch ein Thema in diesem Buch. Ich kann das noch mal aufgreifen. Ich selbst habe gerade mein Testament gemacht, das ist auch seltsam. In dem neuen Buch kommt vor, dass Konrad fast einen Unfall gehabt hätte: Paul telefoniert mit ihm, Konrad läuft gerade über die Straße und dann macht es plötzlich Krach während des Gesprächs! Es gab einen Autounfall, den Konrad nur ganz knapp überlebt hat. Und das ist mir tatsächlich selbst passiert, im letzten Sommer, vor der Haustür. Das war ein Schock und sowas fließt dann in die Comics ein. Sie sind zuerst online erschienen, ich habe sie täglich bei Instagram gepostet.
Mit dieser Art der Vorab-Veröffentlichung haben Sie in der Pandemie begonnen.
Ja, und das hat so einen Spaß gemacht, dass ich das auch nach Corona weitermache. Was mir so im Leben passiert, taucht dann bei Konrad und Paul auf. Ich habe keinen Plot, ich habe keine Geschichte im Kopf, die ich verfolge, ich lasse einfach jeden Tag etwas passieren. Konrad kriegt gegen seinen Willen ein neues iPhone, Paul ist beim schwulen Bärentreffen in Köln, Konrad entdeckt im iPhone den Jazz, das spiegelt schon ziemlich das, was mir so täglich passiert.
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