Der neue „Mad Max“-Film ist nicht ganz so furios, wie sein Titel klingt. Unbedingt sehenswert aber ist sein Hauptdarsteller Chris Hemsworth.
Für einen Schauspieler ist es hilfreich, ein Markenzeichen zu haben, einen Wiedererkennungswert. Chris Hemsworth sieht oft so aus, als hätte er gerade zu lange auf einem Surfboard gestanden. Als würde er am liebsten so schnell wie möglich zurück auf dieses Brett, das ebenfalls die Welt bedeuten kann für einen wie ihn. Australier, zwei ebenfalls berühmte Brüder – Luke (älter) und Liam (jünger) – und ein Grinsen hinterm Dreitagebart, das von einer Lebensfreude kündet, die tiefer reicht als das Brandungswasser. Zu Premieren erschien er schon mal in Flip-Flops.
„Furiosa: A Mad Max Saga“ ist ein Action- und Überlebensthriller
Auftritt Chris Hemsworth in „Furiosa: A Mad Max Saga“. Sein sonst so beseeltes Gesicht verschwindet hinter einem Zottelbart, der auch Gandalf gut stünde. In langen Make-up-Sitzungen wurden ihm zudem eine Nasenprothese verpasst, verfärbte Zähne, Kontaktlinsen und Wunden wie nach einem üblen Autounfall. All das soll seine Wut über die Welt zeigen und das, was sie ihm genommen hat. Den Stoffteddy seiner verstorbenen Tochter hat er sich um die Lenden gekettet, damit dieser nicht verloren geht bei einem seiner Ausflüge auf dem Motorrad. Und solche Trips gibt es viele in diesem Action- und Überlebensthriller.
Der Hüne Hemsworth – oft spielt er so hemdsärmelig, wie sein Familienname klingt – ist inzwischen 40 und seit 14 Jahren verheiratet mit der spanischen Schauspielerin Elsa Pataky. Sie haben eine Tochter sowie Zwillingssöhne. Bekannt wurde Hemsworth durch eine Seifenoper, danach schlüpfte er für insgesamt neun Marvel-Filme in die Rolle des Donnergottes Thor.
Seiner Heiligsprechung in Australien kommt er mit „Furiosa“ nun noch näher. Sonst fast nur als Held oder Sympathieträger gebucht, spielt Hemsworth einen der Schurken im bereits fünften Film aus der Welt von „Mad Max“, erneut inszeniert vom Regisseur George Miller, 79. Was Batman und Superman für Amerika bedeuteten und Harry Potter für Großbritannien, sei „Mad Max“ für seine Landsleute, fasste es Hemsworth kürzlich zusammen. Sein Vater Craig wirkte bereits im allerersten Teil mit: als Statist auf einem Motorrad.
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Ein Film wie „eine philosophische Rockoper“
Richtig viel spielen müssen auch diesmal weder er noch sein Co-Star Anya Taylor-Joy („Das Damengambit“), deren Augen mit jedem Film größer zu werden scheinen. Hemsworth sagt Sätze auf wie „Gentlemen, lassen Sie Ihre Maschinen an!“, und er darf ein paar Motivationsreden schwingen für seine Horde von Bikern, gegen die die Bandidos wirken wie Senioren auf Butterfahrt.
Motorräder und andere Vehikel sind die eigentlichen Hauptdarsteller. Liebevoller zusammengelötet als jeder Dialog, verziert mit Tierschädeln und anderen Abfällen, brettern sie über gigantische Dünen und Sandklippen. Nach „Dune“ ist „Furiosa“ schon der zweite große Wüstenfilm des Jahres, nur dass sich hier statt Sandwürmern eher Maden tummeln. Gegessen wird Kebab aus Hundefleisch, und Brände werden mit Eigenurin gelöscht.
Die ersten „Mad Max“-Filme aus den 1980er-Jahren wurden gern als Samuraigeschichten beschrieben oder als „Western auf Rädern“, wie der Mythenschöpfer Miller bei der Vorstellung seines Films beim Festival von Cannes sagt. „Für mich ist unser Film eine philosophische Rockoper“, ergänzt die Hauptdarstellerin Taylor-Joy.
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Hemsworth dagegen freut sich am meisten, als seine Figur namens Dementus von einem Journalisten als Mischung aus Darth Vader und den „Looney Tunes“ charakterisiert wird. „Ich mag diese Beschreibung sehr“, sagt er. Zwar quält und foltert er im Film Frauen wie Männer, lässt sie langsam zu Tode schleifen. Gleichzeitig umweht ihn nicht nur ein Thor-ähnliches Cape, sondern eine Aura von Größenwahn und Verletzlichkeit.
Sein Dementus ist traumatisiert von den apokalyptischen Umständen, dem Verlust aller Werte. „Ich hatte die große Freiheit, widersprüchlich spielen zu dürfen“, sagt Hemsworth.
Mehr PS hätten auch der Handlung gutgetan
Die Welt von „Mad Max“ regieren allerdings nicht diejenigen, die Charakter haben, sondern mehr Benzin, Munition und besser gepimpte Karossen.
Der Handlung hätten ein paar PS mehr ebenfalls gutgetan. Im Mittelpunkt steht das Erwachsenwerden einer Kriegerin namens Furiosa, im vierten Teil der Reihe noch kurz geschoren gespielt von Charlize Theron. Als Mädchen entführt, beißt sie sich nun wortwörtlich zurück in die Freiheit, verkleidet sich als Junge und gerät zwischen die Fronten von gleich drei Siedlungen und deren Anführern.
Frau schlägt sich so durch: Anya Taylor-Joy hat ihre Rolle als Kriegerin Furiosa von Charlize Theron übernommen
© Warner Bros.
Bis zum Finale passiert außer einer halbherzigen Romanze mit einem besonders versierten Lasterfahrer inhaltlich recht wenig, dafür sind die Verfolgungsjagden so virtuos inszeniert, dass der Zuschauer selbst in einen Geschwindigkeitsrausch gerät. In Sachen Action ist „Furiosa“ tatsächlich oft furios.
Hemsworth hat sich derweil für öffentliche Termine ein neues Markenzeichen zugelegt. Egal ob Schaulaufen bei der Met Gala in New York oder gerade auf dem roten Teppich und der Pressekonferenz in Cannes: Er trägt zum hellen Anzug ein sehr weit aufgeknöpftes Hemd. Seinem Ruf als Brad Pitt der Generation Z erweist er damit Ehre. Und der ewige Surfer ihn ihm dürfte ebenfalls ein wenig grinsen.