Nach den Niederlanden, Irland und Tschechien haben am Samstag die Menschen in Italien, der Slowakei, Lettland, Malta und den französischen Überseegebieten über die Zusammensetzung des Europaparlaments abgestimmt. In Italien hofft Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf deutliche Zugewinne für ihre postfaschistische Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens). Die Abstimmung in der Slowakei stand unter dem Eindruck des Attentats auf Regierungschef Robert Fico.
Fico war Mitte Mai von einem 71-jährigen Attentäter niedergeschossen und schwer verletzt worden. Er gab seine Stimme am Samstag im Krankenhaus ab. Ein Foto auf Facebook zeigt, wie er seinen Stimmzettel auf eine Krücke gestützt in eine Wahlurne wirft.
Fico hatte der Opposition und ihrer „aggressiven und hasserfüllten Politik“ eine Mitverantwortung für das Attentat gegeben. Beobachter rechnen bei der Europawahl nun mit Zugewinnen für seine linkspopulistische Regierungspartei Smer-SD.
Der designierte slowakische Präsident Peter Pellegrini, der Ficos EU-skeptischen und russlandfreundlichen Kurs unterstützt, sagte am Samstag, die EU stehe an einem „Scheideweg“ und brauche eine „neue Verteidigungspolitik“ und eine Alternative zur „restriktiven“ Energiewende, die der Industrie und dem Wettbewerb schade.
Solche EU-kritischen Positionen werden auch von vielen Rechtsaußenparteien vertreten, die den Umfragen zufolge bei der Europawahl vielerorts Erfolge verzeichnen könnten. In Italien, wo die Wahllokale am Samstagnachmittag öffneten, hofft etwa Melonis ultrarechte Regierungspartei auf Stimmenzuwächse.
Meloni, die als Spitzenkandidatin ihrer Partei antritt, obwohl sie gar nicht ins Europaparlament wechseln will, sagte am Samstag in einer Videobotschaft, ihre wichtigsten Ziele seien die „Verteidigung der Grenzen Europas gegen illegale Einwanderung“ und „der Schutz von Realwirtschaft und Arbeitsplätzen“.
Die Italienerinnen und Italiener wählen bis Sonntagabend. In Tschechien hatten die Wahlberechtigten von Freitag bis Samstagmittag Zeit, ihre Stimme abzugeben. Umfragen sehen die populistische Oppositionspartei ANO des ehemaligen Regierungschefs Andrej Babis in Führung vor einem Mitte-Rechts-Bündnis. In Deutschland wie in den meisten anderen EU-Ländern ist der Sonntag der einzige Wahltag.
Als erstes Land hatten am Donnerstag die Niederlande ihre Europawahl abgehalten, am Freitag folgten Irland und Tschechien. Umfragen deuten auf einen Rechtsruck im Europäischen Parlament hin. In den Niederlanden lag das rot-grüne Bündnis ersten Prognosen zufolge jedoch knapp vor der Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders.
Ergebnisse für die gesamte EU sind erst am Sonntagabend zu erwarten, wenn in Deutschland und den anderen EU-Staaten die Wahllokale geschlossen sind.
Das Europaparlament hat seit dem EU-Austritt Großbritanniens 705 Abgeordnete. Nach den Wahlen in den 27 Mitgliedstaaten soll das Parlament auf 720 Sitze wachsen. Gewählt wird über nationale Listen. Für jedes Land ist im Parlament dabei eine feste Zahl von Abgeordneten vorgegeben, die von der Bevölkerungszahl abhängt.
Deutschland hat mit 96 Sitzen die meisten Mandate. Europaweit sind laut dem Statistikamt Eurostat gut 360 Millionen Menschen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.