Parlamentswahl in Indien: Dritte Amtszeit für Premier Modi wahrscheinlich

Bei der Parlamentswahl in Indien hat sich ein Sieg für den seit zehn Jahren amtierenden Premierminister Narendra Modi abgezeichnet. Wie die Wahlkommission am Dienstag mitteilte, lag Modis hindu-nationalistischen BJP nach Auszählung von 75 Prozent der Stimmen mit rund 38 Prozent in Führung und wurde damit erneut stärkste politische Kraft. Gegenüber der Wahl 2019 musste das von ihr angeführte Regierungsbündnis allerdings deutliche Verluste hinnehmen.

Modi ist auch nach einem Jahrzehnt an der Macht in weiten Teilen der Bevölkerung populär und steht nun im bevölkerungsreichsten Land der Welt vor einer dritten Amtszeit. Die Gegner des 73-Jährigen sind durch interne Machtkämpfe und politisch motivierte Strafverfahren geschwächt. Modis politische Gegner und internationale Menschenrechtsgruppen beklagen seit Langem einen Demokratieabbau in Indien. 

Nach dem von der Wahlkommission veröffentlichten Teilergebnis kommt die  Koalition unter Führung von Modis Bharatiya Janata Party (BJP) auf mindestens 280 der 543 Sitze im Parlament in Neu Delhi. Die Opposition schnitt deutlich besser ab als 2019, als es 353 Abgeordnete der BJP und ihrer Verbündeten ins Parlament schafften.

Modis wichtiger politischer Rivale, der Regierungschef des Hauptstadt-Bundesstaats Delhi, Arvind Kejriwal, sitzt im Gefängnis. Er war im März, kurz vor Beginn der Parlamentswahl, wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert worden. 

Kejriwal, der jegliches Fehlverhalten bestreitet, wurde zwischenzeitlich aus der Haft entlassen, um an der Wahl teilnehmen zu können. Vor seiner Rückkehr ins Gefängnis sagte er: „Wenn die Macht zur Diktatur wird, dann ist eine Haftstrafe ein Zeichen von Verantwortung.“

Nach Erkenntnissen des US-Think-Tanks Freedom House nutzt die BJP zunehmend Regierungsinstitutionen, um gegen politische Gegner vorzugehen. Die Opposition und Menschenrechtsgruppen werfen Modi zudem vor, die hinduistische Mehrheit im Land zu bevorzugen. So bezeichnete Modi die 210 Millionen Muslime im Land im Wahlkampf als „Eindringlinge“ und „diejenigen mit mehr Kindern“. Beschwerden der Opposition über den Regierungschef blieben folgenlos.

Modi seinerseits hält der wichtigsten Oppositionspartei (INC) vor, eine Umverteilung des Reichtums im Land an muslimische Haushalte vorantreiben zu wollen. Indien ist ein säkularer Staat. Laut Wahlgesetz sind Kampagnen, die auf Stimmungsmache gegen einzelne Bevölkerungsgruppen abzielen, verboten.

In den zehn Jahren der Regierung Modi ist Indien zum wichtigen außenpolitischen Partner geworden. Trotz der Hinweise auf einen zunehmenden Autoritarismus der Regierung wird Indien von westlichen Staaten als wichtiges Gegengewicht zu China in Asien gesehen und ist nicht zuletzt wegen seiner Digitalwirtschaft ein wichtiger Handelspartner 

Modi investierte Milliarden in die Sicherung der Grenze zu China, 2020 gab es im Grenzgebiet eine kurze militärische Auseinandersetzung zwischen den beiden asiatischen Großmächten. Dennoch sind beide Länder wichtige Wirtschaftspartner. Auch zu Russland pflegt Indien gute Beziehungen. Für die Zukunft strebt Modi einen ständigen Sitz Indiens im UN-Sicherheitsrat an.

Die Parlamentswahl in Indien war der größte demokratische Urnengang der Welt. Bis zum Samstag waren sechs Wochen lang mehr als 968 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Auszählung erfolgte durch spezielle Zählcomputer. Die endgültigen Ergebnisse wurden im Laufe des Tages erwartet.

Angesichts des guten Abschneidens der Opposition fiel an der Börse der indische Leitindex Sensex am Dienstag vorübergehend um sieben Prozent. Der Kurs der größten börsennotierten Sparte des Konzerns Adani Enterprises brach um 25 Prozent ein; dessen Eigentümer Gautam Adani ist ein wichtiger Verbündeter Modis.

Die Wahlbeteiligung lag bei 66,3 Prozent, 2019 waren es 67,4 Prozent gewesen. Die etwas niedrigere Beteiligung wurde auch auf die Hitzewelle zurückgeführt, unter der Indien derzeit leidet. Allein im Bundesstaat Uttar Pradesh starben am Samstag, dem letzten Tag der Parlamentswahl, mindestens 33 Wahlhelfer an einem Hitzschlag.