Neuer Bayern-Trainer: Vincent Kompany: Das sagt sein Entdecker über den neuen Bayern-Trainer

Dietmar Beiersdorfer glaubte 18 Jahre früher als der FC Bayern an das Potential des Vincent Kompany – und holte ihn nach Deutschland. Der langjährige Sportchef des HSV sagt im stern, wie er den neuen Bayern-Trainer als Spieler erlebte.

„Der wird jetzt wahrscheinlich zuhause sitzen und noch mehr Deutsch lernen“, sagt Dietmar Beiersdorfer über Vincent Kompany und schmunzelt. Beiersdorfer, 60, war Profifußballer und danach insgesamt fast zehn Jahre lang Vorstand beim Hamburger SV. Er arbeitete als „Head of Global Football“ für den Red-Bull-Konzern, heute ist er Geschäftsführer Sport beim FC Ingolstadt.

Außerdem ist Beiersdorfer der Mann, der den neuen Bayern-Trainer einst als Fußballer nach Deutschland holte.

Im mitunter lauten Fußballbusiness kennt man Dietmar Beiersdorfer als Mann eher leiser Töne. So ist er auch zu erleben, als der stern mit ihm in einem Hotel in der Hamburger Innenstadt über den jungen Innenverteidiger Vincent Kompany spricht. Und doch fallen dabei Worte wie Leadership und Charisma.

Man musste werben, um Vincent Kompany zu verpflichten

Der HSV im Sommer 2006 – ein attraktiver Verein mit guter Perspektive. Als Tabellendritter der Vorsaison spielte der Klub nun in der Champions League. Dem Sportvorstand Beiersdorfer war der Belgier allerdings weitaus früher aufgefallen. Beim Länderspiel im März 2004 in Köln sah er ihn zum ersten Mal auf dem Platz. Kompany, damals 17 Jahre alt, spielte durch.

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Beiersdorfer traf Kompanys Berater, traf Kompany selbst in Anderlecht, wo er spielte, lernte später auch seine Eltern kennen. Der Deutsche warb um den jungen Belgier. Das musste er auch: Kompany erhielt Angebote von Vereinen, die einen größeren Namen als der HSV hatten. Für die Hamburger spielten allerdings bereits einige Holländer und Belgier. Schließlich wechselte Kompany als gerade 20-Jähriger tatsächlich nach Deutschland. Der HSV zahlte Anderlecht eine Ablösesumme von acht Millionen.

Auftritt in Nadelstreifen

Bei seinem ersten Auftritt in Hamburg erschien Vincent Kompany im Nadelstreifenanzug. Dietmar Beiersdorfer erlebte ihn von Beginn an als etwas anderen Profi. „Natürlich zog Vincent auch mal mit den jungen Leuten los“, sagt er, „doch zugleich war er unglaublich weit in seiner Persönlichkeit. Er wirkte älter als Anfang 20 – und reifer.“

Dietmar Beiersdorfer, 60, kennt Kompany seit dessen Teenager-Zeit. Beiersdorfer spielte als Profi beim Hamburger SV und war danach Vorstand des Vereins. Inzwischen ist er Geschäftsführer Sport beim FC Ingolstadt.
© Ulrich Wagner

Auf dem Trainingsgelände sah man Kompany mit einem Buch in der Hand, im Profifußball ein eher seltener Anblick. „Er entstammte einer gebildeten Familie, das merkte man“, sagt Beiersdorfer.

Kompanys Vater war 1975 aus dem Kongo nach Belgien geflohen, später wurde er Bürgermeister und danach Abgeordneter im Regionalparlament. Seine Mutter arbeitete für eine Gewerkschaft. Sie starb früh, 2007, da spielte Kompany noch in Hamburg.

Inmitten einer vielsprachigen Truppe

Beiersdorfer geht die Defensive des HSV-Kaders der Saison 2006/07 durch. Juan Pablo Sorín steht in der Liste, ein Ü-30-Argentinier, Nationalspieler und „ein toller Mensch“, dann der Schweizer Raphael Wicky, der ebenfalls Trainer im Profifußball wurde. Der Tscheche David Jarolim, die Niederländer Joris Matijsen und Nigel De Jong. Und Guy Demel, ein Franzose mit ivorischen Wurzeln. Eine vielsprachige Gruppe war das, und Vincent Kompany, der mit Französisch und Niederländisch aufgewachsen war und in seinem Vorort von Brüssel auch Arabisch aufgeschnappt hatte, passte gut hinein. Englisch konnte er ebenfalls. „Sein Anspruch war dann, schnell Deutsch zu lernen“, erinnert sich Beiersdorfer.

„Vincent kam nicht, um nur mitzuspielen – ein geborener Kapitän“

Der HSV spielte mäßig in jenem Jahr, der Trainer Thomas Doll musste gehen, mit dem Holländer Huub Stevens reichte es im Mai 2007 noch zu einem Qualifikationsplatz für den UEFA-Cup, den Vorgängerwettbewerb der Europa League. Kompany stand wegen Verletzungen über Monate nicht zur Verfügung. In der folgenden Saison lief es besser, er konnte sich durchsetzen.

Beiersdorfer lernte ihn in jenen Jahren als breit interessierten Menschen kennen. „Man konnte davon ausgehen, dass er einmal eine Führungspersönlichkeit werden würde, im Fußball oder auch woanders. Vincent kam nicht, um nur mitzuspielen. Er hat Leadership vorgelebt, aber ohne dass es aufgesetzt gewirkt hätte.“ Ein „geborener Kapitän“ sei er gewesen und in der Premier League bei Manchester City dann ja auch einer geworden. „Er hatte so eine Aura, eine Ausstrahlung. Ich denke, man kann das auch Charisma nennen.“

Vincent Kompany (Mitte) als Spieler des Hamburger SV 2008 im Achtelfinale des Uefa-Pokals gegen Bayer Leverkusen
© Achim Scheidemann/

Empathie, Durchsetzungskraft, Siegermentalität

Der Verteidiger gewann mit dem Starensemble von Manchester City vier englische Meisterschaften und erwarb nebenbei nach einem Studium in Manchester einen Abschluss als Master of Business Administration. Dann, nach Ende seiner aktiven Karriere, machte er umgehend als Trainer weiter, zuerst in Belgien beim RSC Anderlecht, dann beim FC Burnley in der zweiten und ersten englischen Liga.

Der neue Bayern-Trainer stellt sich vor 19:22

Beiersdorfer hat nicht überrascht, dass man Kompany unmittelbar nach seiner Spielerlaufbahn eine Profimannschaft anvertraute. Das Verständnis des Spiels, die Empathie, die Durchsetzungskraft, auch die Siegermentalität, „es gibt ja nicht so viele, die all das vereinen“. Hinzu kämen etliche an der Seite herausragender Trainer. Kompany spielte in Manchester unter dem Italiener Roberto Mancini, dem Chilenen Manuel Pellegrini und dann drei Jahre in engem Austausch mit dem Spanier Pep Guardiola.

Bisher hat Beiersdorfer sich noch nicht bei dem künftigen Bayern-Trainer gemeldet. Der Kontakt zu Kompany sei aber nie abgerissen, man habe einen gemeinsamen Freund und sei deshalb immer über den anderen informiert. Womöglich treffen sich die beiden in nächster Zeit mal. Von Ingolstadt, wo Dietmar Beiersdorfer arbeitet, sind es keine 100 Kilometer nach München.