Vor allem unweit des Bodensees steigen die Pegelstände der Flüsse nach starkem Dauerregen in der Nacht an. Viele Gemeinden sprechen Warnungen aus. Richtig gefährlich könnte heute werden.
In vielen Gemeinden entlang der von Dauerregen belasteten Flüsse in Süddeutschland könnte es heute zu heftigen Überschwemmungen kommen. Auch wenn es in der Nacht zunächst keine großflächigen Überflutungen gab, wird vielerorts ein Jahrhunderthochwasser befürchtet.
Vor allem große Teile Baden-Württembergs und Bayerns erwartet ein brenzliges Wochenende. Besonders im Fokus steht dabei die Bodensee-Region: Wegen akuter Überflutungsgefahr wurde rund 1300 Menschen im baden-württembergischen Meckenbeuren geraten, ihr Zuhause zu verlassen. Andere Gemeinden forderten Anwohner vorsichtshalber auf, Kellerräume zu meiden und nötigenfalls für ein paar Tage woanders zu schlafen.
Bei der Sicherheitsmaßnahme in Meckenbeuren handele sich nicht um eine Evakuierung, sondern um eine Empfehlung wegen des erwarteten extremen Hochwassers am Fluss Schussen, teilte die Gemeinde in Oberschwaben mit. Eine Evakuierung sei aktuell auch nicht geplant. „Wir hoffen immer noch, dass sich die Wetterlage etwas entspannt und die Hochwasserpegel weniger dramatisch ausfallen als vorhergesagt“, hatte Bürgermeister Georg Schellinger am Freitagabend gesagt.
Untergeschosse meiden
Nicht weit entfernt in Weingarten bei Ravensburg sollen Bewohner großer Teile der Stadt die Untergeschosse meiden und auf keinen Fall im Keller schlafen. Diese Empfehlung gab die Feuerwehr heraus. Auch ihnen wurde geraten, bestenfalls bei Verwandten und Freunden außerhalb der von steigenden Pegelständen gefährdeten Gebiete zu übernachten.
„Es ist leider zur Zeit unklar, wie schnell die Pegel im weiteren Verlauf steigen werden. Daher gilt besondere Vorsicht!“, hieß es auf der Seite der Feuerwehr. Laut dem Landkreis Ravensburg war nicht auszuschließen, dass einzelne Städte oder Gemeinden Evakuierungsentscheidungen treffen könnten.
In Lindau am Bodensee wurden bereits erste Straßen und Unterführungen überflutet und der Stadtbus-Verkehr musste eingestellt werden. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk waren im Dauereinsatz. Aus einem Mehrfamilienhaus mussten Bewohner evakuiert werden, da durch eingedrungenes Wasser die Möglichkeit eines Kurzschlusses bestand.
128 Liter Regen pro Quadratmeter binnen 24 Stunden
In Teilen Baden-Württembergs und Bayerns gilt laut Deutschem Wetterdienst (DWD) vielerorts die höchste Warnstufe. Die Niederschlagsmengen der vergangenen Nacht entsprachen weitgehend den Prognosen. Im schwäbischen Sigmarszell im Landkreis Lindau fielen innerhalb eines Tages rund 128 Liter Regen pro Quadratmeter. In Ottobeuren im Landkreis Unterallgäu sowie in Wangen im Allgäu (Landkreis Ravensburg) waren es rund 108 Liter. In Kißlegg fielen rund 105 Liter, in Weiler-Simmerberg im Landkreis Lindau circa 104 Liter.
Keller unter Wasser, Katastrophenfall in Günzburg
Die dadurch anschwellenden Wasserstände der Flüsse lösen auch Sorgen weiter nördlich aus, etwa an der Donau sowie an deren weiterer Zuflüsse. Hier wird teils mit Überflutungen gerechnet, wie sie statistisch nur alle 50 bis 100 Jahre vorkommen.
Der Fluss Zusam im Landkreis Augsburg trat bereits über die Ufer, überspülte in der Marktgemeinde Fischach Straßen und flutete einige Keller. Es habe aber weder große Schäden noch Verletzte gegeben, teilte die Polizei mit. Die Zusam erreichte laut dem Hochwassernachrichtendienst Bayern am Pegel Fleinhausen in der Nacht die Meldestufe drei von vier.
„Wir nehmen die Situation sehr ernst“
Unweit davon rief der Landkreis Günzburg den Katastrophenfall aus – vorbeugend. In der Region gehe es darum, die potenziell betroffenen Städte und Gemeinden besser unterstützen zu können, teilte das Landratsamt mit. Dafür seien Einsatzkräfte aus dem gesamten Landkreis nötig.
Camping- und Freizeitplätze an den Flüssen Günz, Kammel und Mindel sollten geräumt werden – hier dürften während der Pfingstferien viele Gäste des Freizeitparks Legoland verweilen. „Wir nehmen die Situation sehr ernst“, sagte Landrat Hans Reichhart (CSU). „Wir wollen, die Zeit, die wir jetzt noch haben, bis das Hochwasser den Landkreis Günzburg erreicht, optimal nutzen.“
Im Landkreis Biberach wurden Menschen in betroffenen Gebieten dazu aufgerufen, auf ihre Sicherheit zu achten. Dort bestehe potenziell Lebensgefahr. Sie sollten Notfallgepäck vorbereiten und die NINA-Warnapp auf das Smartphone laden, um zeitnahe Informationen zu erhalten – so eingestellt, dass bei einer Evakuierungsmeldung ein Alarm ertönt. „Dazu muss das Handy angeschaltet sein und darf sich nicht im Flugmodus befinden“, hieß es aus dem Landratsamt der besonders betroffenen Region Ravensburg.
Hochwasserrisiko auch in Hessen, Gefahr in Ostdeutschland
Auch in anderen Regionen haben die Niederschläge die Wasserstände in Flüssen ansteigen lassen – und weitere Zuwächse werden erwartet. In Hessen ist laut dem regionalen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie ein statistisch nur alle 20 Jahre auftretendes Hochwasser an Rhein und Neckar möglich.
Im Osten Deutschlands müssen sich die Menschen laut DWD auf viel Regen, teils auch auf Gewitter einstellen. Allerdings treffe das Unwetter Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt voraussichtlich weniger stark als zunächst befürchtet.