BVB im Champions League-Finale: Wie zum Teufel sind wir hier eigentlich hingekommen?

Der BVB steht zum ersten Mal seit elf Jahren wieder im Finale der Champions League – und manch ein Fan fragt sich selbst, wie das passieren konnte. Gegen Real hat man eigentlich keine Chance, und genau deshalb ist die Vorfreude so groß.

Eigentlich war die Saison schon durch am 19. September 2023. 58. Minute im Parc des Princes in Paris. Erstes Gruppenspiel der neuen Champions League-Saison. Achraf Hakimi streichelte den Ball mit dem Außenrist an BVB-Keeper Gregor Kobel vorbei. K.o. schon im ersten Spiel, so viel war klar.

Mein Bruder hätte an diesem September-Abend vermutlich auch nicht gedacht, dass er ein Dreivierteljahr später auf seiner Geburtstagsfeier den Fernseher laufen lassen muss, weil unser Verein im Finale steht. Am Samstag aber wird es so sein. Claudia Neumann statt Stevie Wonder aus den Boxen. Happy Birthday to you! Dieses Spiel, ein Geschenk als Risiko-Anlage.

Micky Beisenherz BVB 12.30

Der BVB im Finale: Das kann doch nur ein Irrtum des Schicksals sein, oder?

Auch wenn wir uns schon einige Wochen nicht gesehen haben, viel reden werden wir vermutlich nicht. Dafür werden wir gemeinsam in Richtung Fernseher schauen. Wir werden mit Bier anstoßen ohne Blickkontakt, man könnte in dieser halben Sekunde ja etwas verpassen. Ein Pass, eine Grätsche, eine Aufnahme der schwarz-gelben Invasion in London. 

Trainingslagerfeuer-Momente für die hoffentlich noch großen Spiele der EM in ein paar Wochen. Nur meine Mutter wird Wasser in den Wein kippen. „Die verlieren ja sowieso.“ Das sagt sie immer, wenn sie uns ärgern will. Und auch wenn diese Frau überhaupt keinen Fußball-Sachverstand hat, sie müsste damit eigentlich Recht haben. Plötzlich Finale. Plötzlich Wembley. Wie zum Teufel sind wir hier eigentlich hingekommen? Das kann doch nur ein Irrtum des Schicksals sein. 

Schon mit dem Achtelfinale hatte keiner gerechnet. Spätestens im Viertelfinale hätte dann aber wirklich Schluss sein müssen. Man kann ja nicht immer Glück haben, hörte man damals. Ja, der BVB hatte Glück. Pfosten und Latte wurden unsere besten Freunde. Schon gegen Newcastle, später auch gegen Atletico und Paris. Wenn alles zu spät war, wenn auch Kobel das Tor nicht mehr verhindern konnte, stand da dieser Kamerad aus Metall und zwinkerte allen Fußballsachverständigen zu. torfall-madrid_8.10

„Glück ist mit die Doofen!“, lachte man sich als BVB-Fan zu und stieß wieder und wieder auf den Sieg an. Wie die Hummel, die eigentlich zu schwer ist, um zu fliegen – das aber nicht weiß und es deshalb trotzdem einfach macht – stürmte die Borussia durch Europa. Den Frust der enttäuschenden Bundesliga-Saison ertränkten wir in rauschenden Europapokal-Abenden.

Der BVB ist wie die Hummel, die nicht weiß, dass sie eigentlich nicht fliegen kann

Wenn das Flutlicht anging und die Champions League-Hymne ertönte, stand da eine andere Mannschaft auf dem Platz. Eine Mannschaft, die offenbar über ihren Verhältnissen spielt, die eigentlich gar nicht da stehen dürfte, wo sie steht: im größten Spiel des europäischen Vereinsfußball. Gegen Real werden wir keine Chance haben. Also wirklich nicht. Wie die Hummel ist die Mannschaft höher geflogen, als es eigentlich möglich ist. Und wie die Hummel weiß die Mannschaft nicht, dass sie eigentlich nicht gut genug ist für das Finale in Wembley. Sie wird keine Chance haben. Und genau die kann sie nutzen. 

Ich werde am Samstag neben meinem Bruder auf dem Sofa sitzen. Und auch wenn das sein Ehrentag sein soll, ich würde mich nicht beschweren, wenn er ihn dieses Jahr mit dem BVB teilen muss. Sein Geburtstag jedenfalls wäre dann auf Ewigkeiten in schwarz-gelb im Terminkalender eingetragen.