Der Schweigegeldprozess endet für Donald Trump mit einem Schuldspruch. Doch was folgt daraus? Muss der Ex-Präsident nun ins Gefängnis? Und könnte er trotzdem wiedergewählt werden? Alle Fragen im Überblick.
Das Urteil lautet: schuldig. In allen 34 Anklagepunkten. Im historischen Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin haben die Geschworenen Donald Trump schuldig gesprochen. Damit ist er der erste ehemalige Präsident in der Geschichte der USA, der wegen einer Straftat verurteilt worden ist.
Es ist das Ende eines Prozesses, wie ihn die Vereinigten Staaten noch nicht gesehen haben. Das Urteil, das am Donnerstag kurz nach 17 Uhr New Yorker Zeit verlesen wurde, beendete monatelange juristische Manöver, wochenlange Zeugenaussagen und tagelange Beratungen. Doch angesichts der Tatsache, dass Trump erneut für das Präsidentenamt kandidiert, ist selbst nach der Urteilsverkündung noch vieles unklar. Denn noch nie hatte ein verurteilter Straftäter bessere Chancen auf den Sieg.
Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Analyse zum Urteil im Schweigegeldprozess 2.16
Wie lautet das Urteil gegen Donald Trump?
Als die Anwesenden im Gerichtssaal 1530 am Donnerstag gegen 16.30 Uhr New Yorker Zeit schon davon ausgingen, dass die Jury-Beratungen sich in den Freitag ziehen würden, wirkte der Ex-Präsident nach außen hin so entspannt wie an kaum einem anderen der Verhandlungstage. Doch als Richter Merchan in den Saal kam und verkündete, dass die Jury ein Urteil gefällt habe, änderte sich die Stimmung schlagartig. Trump, der gerade noch mit seinem Anwalt Blanche angeregt geplaudert und sogar geschmunzelt hatte, wurde still und starrte mit versteinerter Miene geradeaus. So nahm der 77-Jährige dann auch eine halbe Stunde später das Urteil hin.
Der Vorsitzende der Jury stand auf und bekam nacheinander alle Anklagepunkte bezüglich der Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin vorgelesen. Seine Antwort 34 Mal in Folge: „Schuldig.“
In den sechs Prozesswochen hatte die Staatsanwaltschaft ausführlich dargelegt, wie Trump eine Schweigegeldzahlung in Höhe von 130.000 Dollar an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Wahl 2016 per Fälschung von Geschäftsdokumenten vertuscht hatte. Daniels war durch die Zahlung dazu gebracht worden, eine angebliche Sexaffäre zu verschweigen, die sie mit Trump gehabt haben will und die von ihm bestritten wird. Mit ihrem erkauften Schweigen habe Trump seine Aussichten auf einen Wahlerfolg beeinflusst und den Geldfluss anschließend unrechtmäßig verbucht, so die Staatsanwaltschaft. Eine Argumentation, der sich die Jury anschloss.
Staatsanwalt Alvin Bragg sagte, es gebe „viele Stimmen da draußen“, die einzige Stimme, die zähle, sei jedoch die der Jury – und die habe nun gesprochen.
Muss er jetzt ins Gefängnis?
Nach dem Urteil der Jury liegt der Spielball nun bei Richter Merchan, der das Strafmaß am 11. Juli verkünden will. Das Timing ist pikant: Vier Tage später beginnt der Nominierungsparteitag der Republikaner, bei dem Trump offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden soll. In New York gilt der Vorwurf der Fälschung von Geschäftsunterlagen als Straftat der Klasse E, der niedrigsten Stufe von Vergehen in dem Bundesstaat. Mit dem vollen Schuldspruch in allen 34 Anklagepunkten, droht Trump eine Strafe, die von Bewährung über Geldstrafe bis zu theoretisch vier Jahren Gefängnis reichen könnte.
In der Praxis halten es Rechtsexperten jedoch für eher unwahrscheinlich, dass Trump am Ende hinter Gitter kommen könnte. Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg hielt sich bisher bedeckt, ob die Anklage wirklich eine Gefängnisstrafe beantragt. Die Tatsache, dass Trump noch nie zuvor in einem Strafverfahren verurteilt wurde, ist ein begünstigender Faktor für den Republikaner. Es gilt daher als wahrscheinlicher, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt, in Hausarrest umgewandelt, als Geldstrafe verhängt oder Trump zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet wird.
Sollte sich der Richter tatsächlich für eine Haftstrafe entscheiden, hieße das nicht, dass Trump bald im orangenen Overall neben anderen Häftlingen in einer Zelle sitzt. Experten zufolge würde er höchstwahrscheinlich in einer separaten Einrichtung inhaftiert werden, rund um die Uhr bewacht von Secret-Service-Agenten.
Kann Trump trotzdem noch Präsident werden?
Die kurze Antwort lautet Ja. Denn die Verurteilung hält Trump rechtlich nicht davon ab, wie geplant bei den Präsidentschaftswahlen im November anzutreten. Laut Verfassung gibt es für Kandidaten nur drei Anforderungen: Anwärter müssen qua Geburt US-Bürger und mindestens 35 Jahre alt sein sowie seit mindestens 14 Jahren in den Vereinigten Staaten leben.
Selbst im unwahrscheinlichen Fall einer Haftstrafe, könnte Trump daher zum Präsident gewählt werden. Ein Blick in die Geschichte zeigt, diesen Fall gab es bereits: 1920 bestritt der Sozialist Eugene Debs die Präsidentschaftswahl aus dem Gefängnis, wenn auch erfolglos. In der Praxis würde die Wahl eines Präsidenten hinter Gittern zu einer juristischen Krise führen. Trump könnte demnach auf Freilassung klagen und argumentieren, dass seine Inhaftierung ihn daran hindert, seine verfassungsmäßigen Pflichten als Präsident zu erfüllen.
Was der Republikaner nach dem Urteil tatsächlich verlieren könnte, ist seine eigene Stimme. Trump ist in Florida als Wähler registriert. Dort verlieren Personen, die wegen einer Straftat verurteilt werden, das Wahlrecht, während sie ihre Strafe begleichen – sei es auf Bewährungszeit, in finanzieller Form oder tatsächlich im Gefängnis.
Donald Trump Prozess in Gerichtszeichnungen 22.26
Wie geht es nun vor Gericht weiter?
Trumps Verteidigung will nach dem Schuldspruch rechtlich gegen das Urteil vorgehen. Sein Anwalt, Todd Blanche, verkündete im US-Fernsehen, sein Team werde nach der Strafmaßverkündung im Juli Berufung einlegen. Man werde unter anderem argumentieren, dass die Geschworenen befangen und der Zeitpunkt des Prozesses unfair gewesen seien. Zunächst wolle man in den kommenden Wochen mit Anträgen gegen die Entscheidung vorgehen, so Blanche. Sobald es möglich sei, wolle sein Team dann Berufung einlegen.
Es gilt daher als unwahrscheinlich, dass bis zum Wahltermin am 5. November überhaupt ein rechtskräftiges und damit finales Urteil vorliegt. Denn das Prozedere dürfte sich über Monate hinziehen. Es könnte zwar zu der bizarren Situation kommen, dass der Bewerber für das höchste Amt im Staat mitten im Wahlkampf Bewährungsauflagen einhalten muss, sich nur begrenzt bewegen darf oder womöglich Sozialstunden ableisten muss. Ansonsten steht ihm der Schuldspruch aber rein technisch bei der Wahl nicht im Weg.
Wie reagiert der Ex-Präsident?
Äußerlich nahm Trump das Urteil ungerührt und mit versteinerter Miene hin. Vor dem Gerichtssaal bezeichnete der Ex-Präsident die Entscheidung als „Schande“ und betonte: „Ich bin ein sehr unschuldiger Mann.“ Trump legte vor den Fernsehkameras nochmal nach und betonte: „Unser ganzes Land wird gerade manipuliert. Das ist was die Biden-Regierung tut, um einem politischen Gegner zu schaden.“ Das eigentliche Urteil werde am Tag der Präsidentenwahl fallen, sagte er – also am 5. November. Dann fuhr er mit einer schwarzen Wagenkolonne zum Trump-Tower in New York. Am Eingang des Prunkbaus reckte er demonstrativ die Faust in die Luft und winkte den Schaulustigen zu.
Sein Wahlkampfteam nutzte den Schuldspruch umgehend für eine Spendenkampagne. „Ich bin ein politischer Gefangener“, hieß es in einer E-Mail des Trump-Teams und auf der Spenden-Webseite des Republikaners. „Ich wurde gerade in einem manipulierten Hexenjagd-Prozess verurteilt: Ich habe nichts falsch gemacht. Aber mit eurer Unterstützung in diesem Moment der Geschichte werden wir das Weiße Haus zurückgewinnen und Amerika wieder großartig machen.“
Wie reagieren Demokraten und Republikaner?
Voller Empörung reagierten prominente Republikaner und Anhänger Trumps auf den Schuldspruch. „Heute ist ein beschämender Tag in der amerikanischen Geschichte“, schrieb Mike Johnson, der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses auf der Plattform X. Das Urteil sei „falsch“ und „gefährlich“. Senator Marco Rubio zürnte: „Das Urteil in New York ist eine absolute Farce, die unser Rechtssystem zum Gespött macht“.
Viele gaben sich kämpferisch. Trumps frühere Sprecherin Sarah Huckabee Sanders, die heute Gouverneurin von Arkansas ist, nannte den Prozess ein „politisch motiviertes Schandverfahren“ und versicherte, Trump werde trotzdem wieder Präsident. Ähnlich äußerte sich der Parteivorsitzende Michael Whatley, der von einem Feldzug sprach, in dem die Justiz zur Waffe gegen Trump gemacht werde. Das eigentliche Urteil werde bei der Wahl am 5. November gefällt.
Das sieht auch Präsident Joe Biden so. Auf seinem privaten X-Account postete er: „Es gibt nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office herauszuhalten: An den Wahlurnen.“ Über sein Wahlkampfteam ließ der Demokrat mitteilen, dass niemand über dem Gesetz stehe. „Die Bedrohung, die Trump für unsere Demokratie darstellt, war noch nie so groß wie heute.“ Aus dem Weißen Haus hieß es lediglich, man respektiere das Rechtsstaatsprinzip und habe keinen weiteren Kommentar abzugeben.
Im eher liberal gesinnten New York versammelten sich nach der Urteilsverkündung Dutzende Schaulustige vor dem Gericht – einige von ihnen feierten das Urteil. So hielt eine Frau ein Schild mit der Aufschrift „Trump convicted“ (deutsch: Trump verurteilt) in die Höhe und tanzte, auf dem Schild eines Mannes stand „guilty“ (schuldig) auf dem eines anderen „Lock him up“ (Sperrt ihn ein).
Wie steht es um Trumps andere Prozesse?
Gegen den Ex-Präsidenten laufen derzeit drei weitere Prozesse. In zwei Verfahren in der Hauptstadt Washington und im Bundesstaat Georgia geht es um seine Versuche, den Wahlausgang von 2020 umzukehren. In einem weiteren Verfahren in Miami ist er angeklagt wegen der unrechtmäßigen Aufbewahrung hochsensibler Regierungsunterlagen. Die Vorwürfe in diesen drei Fällen sind weitaus schwerwiegender als die im New Yorker Prozess. Einer der Anklagepunkte unter vielen: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Doch mit Verzögerungstaktik und juristischen Winkelzügen hat Trump es geschafft, sämtliche dieser Verfahren zu torpedieren und den Prozessauftakt in allen drei Fällen hinauszuschieben.
Der bedeutsame Wahlbetrugs-Prozess gegen ihn in Washington steht sogar komplett auf der Kippe. Denn zunächst muss nun der Supreme Court als höchstes Gericht der Vereinigten Staaten darüber entscheiden, ob Trump nicht möglicherweise immun gegen Strafverfolgung in dem Fall ist. Das dürfte dann auch Auswirkungen auf die beiden Verfahren in Georgia und Florida haben. Mit jedem weiteren Tag der vergeht, sinken die Chancen, dass überhaupt einer dieser Prozesse vor dem Wahltag stattfinden wird.
Quellen: „New York Times„, „Washington Post„, „CNN„, mit Material der Nachrichtenagenturen DPA, AFP und AP